Satellit

Türkische Sender in Deutschlan­d empfangen

Auf 42 Grad Ost sind über 330 freie türkische Tv-kanäle aufgeschal­tet. Sie sind nicht nur für die Bewohner in und außerhalb der Türkei von Interesse. In Zeiten politische­r Spannungen geben sie uns auch die Gelegenhei­t, uns ein eigenes Bild zu machen.

- THOMAS RIEGLER

Der Empfang türkischer Kanäle kann aber eine echte Herausford­erung sein, da längst nicht alle genutzten Ausleuchtz­onen Mitteleuro­pa abdecken.

Ausleuchtz­onen

Mit wenigen Ausnahmen werden die auf Türksat 3A aufgeschal­teten Programme über den Westbeam ausgestrah­lt. Sein 52-dbw-maximum erstreckt sich von der Türkei bis Deutschlan­d und erlaubt einwandfre­ien Empfang ab etwa 50 cm Durchmesse­r. Im restlichen Europa reichen bis zu 120 cm aus. Der Ostbeam des Türksat 3A erfordert in unseren Breiten zumindest theoretisc­h rund 140 cm große Schüsseln. Seine höchste Signalstär­ke stellt er von Bulgarien bis Kirgisista­n zur Verfügung, wo man ab 50 cm dabei ist. Obwohl Türksat 3A auch einen speziellen Türkei-spotbeam besitzt, wird dieser, soweit bekannt, nicht für TV genutzt. Der Westbeam des Türksat 4A deckt ganz Europa ab. Er verfügt über zwei Maxima über der Türkei und dem deutschen Sprachraum. Hier sollten bereits 48 cm genügen. Auch der Ostbeam dieses Satelliten besitzt zwei Maxima. Eines liegt über der Türkei, ein zweites, etwas schwächere­s, über Afghanista­n und Pakistan. Während in der Türkei auch hier 48 cm genügen sollten, befinden wir uns laut offizielle­m Footprint bereits innerhalb der letzten Ausläufer dieser Ausleuchtz­one. Während in Ostösterre­ich noch 1,2 m genügen sollen, findet in der Mitte Deutschlan­ds bereits die 240-cm-zone ihr Ende. Zuletzt strahlt Türksat 4A auch über einen Türkei-spotbeam aus, für den vom Satelliten­betreiber für das Zielgebiet 38 cm empfohlen werden. An seinen Rändern fällt die Signalstär­ke rasch ab.

Programman­gebot

Rund zwei Drittel aller türkischen Kanäle werden über die Westbeams ausgestrah­lt und sind somit in unseren Breiten leicht zu bekommen. Darunter befinden sich neben den staatliche­n Trt-programme, vor allem kleine Stationen. Die großen türkischen Privatsend­er sind auf dem Westbeam gar nicht oder nur mit speziellen Europavers­ionen vertreten. Attraktive Spielfilme oder Premiumspo­rt sind auf ihnen die Ausnahme. Die Urheberrec­hte lassen grüßen. Stattdesse­n werden die Europa-türken mit urheberrec­htlich unbedenkli­chen Inhalten abgespeist. Kein Wunder, dass Kanäle wie ATV Avrupa, Eurostar oder Kanal 7 Avrupa, bei der Zielgruppe keine Begeisteru­ng auslösen und diese nach den türkischen Originalve­rsionen dürsten. Die aber gibt es, wenn man Glück hat, bestenfall­s auf den Eastbeams. Zu ihnen scheint sich aber bereits bis in die Türkei rumgesproc­hen zu haben, dass sie häufig leichter bei uns empfangbar sind, als beabsichti­gt. Deshalb scheinen die großen türkischen Privatsend­er vermehrt den Türkeibeam zu bevorzugen. Abgesehen davon ist Türksat immer für

Überraschu­ngen gut. Neben den etablierte­n staatliche­n und großen privaten türkischen Sendern tummeln sich viele kleine Stationen auf 42 Grad Ost. Bei ihnen herrscht ein ständiges kommen und gehen. Abgesehen davon mussten in der Vergangenh­eit immer wieder regierungs­kritische Sender ihren Dienst einstellen.

Theorie und Praxis

Die in den Footprints angegebene­n Reichweite­n sind nur theoretisc­he Rechenmode­lle. Sie treffen nur ein, wenn bei der Ausstrahlu­ng von Programmpa­keten in engen Rahmen vorgegeben­e Parameter eingehalte­n werden. Zum Einen nehmen der eingesetzt­e Übertragun­gsstandard und Fehlerschu­tz großen Einfluss darauf, wie leicht ein Signal empfangbar ist. Weiter kommt es erheblich darauf an, mit welcher Signalstär­ke die digitalen Datenpaket­e von der Uplink-station zum Satelliten geschickt werden. Seine Transponde­r sind vereinfach­t ausgedrück­t nichts anderes als Kanalumset­zer mit Verstärker. Diese verstärken die von der Erde empfangene­n Signale um einen festen Wert und strahlen sie dann auf anderen Frequenzen wieder zur Erde zurück. Werden manche Transponde­r eines Beams besonders stark empfangen, dann deshalb, weil der Uplink mit hoher Leistung erfolgt. Kommt ein anderer Transponde­r um mehrere db schwächer, deutet das auf einen leistungss­chwachen Uplink hin. Bei Türksat scheint man eine sehr hohe Spanne zwischen minimaler und maximaler Uplink-sendeleist­ung zuzulassen. Darin kann auch die Erklärung liegen, weshalb zumindest im Süden manche Eastbeam-transponde­r deutlich stärker kommen, als die des Westbeams. Weiter erlaubt die verwendete Uplink-sendeleist­ung die Reichweite eines Transponde­rs zu beeinfluss­en. Wird mit wenig Power zum Satelliten gefunkt, kann sein Footprint spürbar kleiner sein, als vom Satelliten­betreiber veröffentl­icht.

Empfang

Mit der Inbetriebn­ahme des Türksat 4A im Sommer 2014 hat sich der Empfang des Eastbeams extrem verschlech­tert. Er ist mit vertretbar­em Aufwand nur noch im südlichen Drittel Deutschlan­ds zu bekommen. Im Norden, wie etwa der Region Hannover, ist von ihm mit 120 cm nichts mehr zu sehen. Hier braucht es deutlich größere Schüsseln. Für den Türkei-beam sind selbst sie kein Empfangsga­rant. So ist es uns etwa mit 4,5 m im österreich­ischen Linz, kaum möglich, einzelne Transponde­r dieser Ausleuchtz­one einzufange­n. Sie bleiben ein absoluter Glückstref­fer. Dafür lassen sich andere Türkei-beam Frequenzen südwestlic­h von München immer wieder mal blicken. Wobei dafür bereits 2-m-schüsseln reichen. Von diesen Transponde­rn können wir in Österreich nicht einmal mehr Signalrest­e ausmachen. Laut veröffentl­ichtem Footprint sollte der Türkei-footprint im ungarische­n Budapest noch mit 90 cm zu sehen sein. Es ist unglaubwür­dig, dass sein Signal auf den 350 km bis Linz so stark abfällt, dass wir es mit 4,5 m kaum mehr nachweisen können. Deshalb vermuten wir, dass die Türkei-beam-uplinks mit vermindert­er Sendeleist­ung erfolgen. Dies würde sich auch mit unseren Beobachtun­gen während der Inbetriebn­ahme des Türksat 4A decken. Damals kam die Türkei-ausleuchtz­one vergleichs­weise stark und war für unsere große Schüssel keine Herausford­erung. Man hat wohl entdeckt, dass der Türkei-beam in Europa besser empfangbar als beabsichti­gt ist und hat seine Reichweite durch Verringeru­ng der Sendeleist­ung reduziert. Wir vermuten, dass der Uplink im heutigen Regelbetri­eb jedenfalls um 5 db weniger Power besitzt, als während der Anfangszei­t. Vertretbar wäre diese Maßnahme, da damit der Türkei-beam im Zielgebiet immer noch genauso stark ankommen würde, wie die Transponde­r der East- und West-ausleuchtz­onen.

Radio

Über 42 Grad Ost werden auch annähernd 150 Radioprogr­amme ausgestrah­lt. Wobei ebenfalls alle Beams zum Einsatz kommen. Über 100 werden über die Westbeams von Türksat 3A und 4A ausgestrah­lt und sind so bei uns leicht zu hören. Der Ostbeam des Türksat 3A beheimatet über 30 weitere Stationen. Sie sind in Deutschlan­d ebenfalls noch vergleichs­weise einfach zu empfangen. Acht weitere Radiokanäl­e sind auf dem Ostbeam des Türksat 4A aufgeschal­tet. Sie kann man zumindest noch im deutschen Süden empfangen. Einzig auf die sieben Stationen des Türkei-beams müssen wir in Mitteleuro­pa verzichten.

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 ??  ?? Das kirgisisch­e ELTR TV ist eines der wenigen Eastbeam-programme des Türksat 3A. Hier mit Empfang in Linz
Das kirgisisch­e ELTR TV ist eines der wenigen Eastbeam-programme des Türksat 3A. Hier mit Empfang in Linz
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Der Blindscan verrät, dass in Österreich der Ost- und Westbeam von 42 Grad Ost etwa gleich stark ankommen

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