Türkische Sender in Deutschland empfangen
Auf 42 Grad Ost sind über 330 freie türkische Tv-kanäle aufgeschaltet. Sie sind nicht nur für die Bewohner in und außerhalb der Türkei von Interesse. In Zeiten politischer Spannungen geben sie uns auch die Gelegenheit, uns ein eigenes Bild zu machen.
Der Empfang türkischer Kanäle kann aber eine echte Herausforderung sein, da längst nicht alle genutzten Ausleuchtzonen Mitteleuropa abdecken.
Ausleuchtzonen
Mit wenigen Ausnahmen werden die auf Türksat 3A aufgeschalteten Programme über den Westbeam ausgestrahlt. Sein 52-dbw-maximum erstreckt sich von der Türkei bis Deutschland und erlaubt einwandfreien Empfang ab etwa 50 cm Durchmesser. Im restlichen Europa reichen bis zu 120 cm aus. Der Ostbeam des Türksat 3A erfordert in unseren Breiten zumindest theoretisch rund 140 cm große Schüsseln. Seine höchste Signalstärke stellt er von Bulgarien bis Kirgisistan zur Verfügung, wo man ab 50 cm dabei ist. Obwohl Türksat 3A auch einen speziellen Türkei-spotbeam besitzt, wird dieser, soweit bekannt, nicht für TV genutzt. Der Westbeam des Türksat 4A deckt ganz Europa ab. Er verfügt über zwei Maxima über der Türkei und dem deutschen Sprachraum. Hier sollten bereits 48 cm genügen. Auch der Ostbeam dieses Satelliten besitzt zwei Maxima. Eines liegt über der Türkei, ein zweites, etwas schwächeres, über Afghanistan und Pakistan. Während in der Türkei auch hier 48 cm genügen sollten, befinden wir uns laut offiziellem Footprint bereits innerhalb der letzten Ausläufer dieser Ausleuchtzone. Während in Ostösterreich noch 1,2 m genügen sollen, findet in der Mitte Deutschlands bereits die 240-cm-zone ihr Ende. Zuletzt strahlt Türksat 4A auch über einen Türkei-spotbeam aus, für den vom Satellitenbetreiber für das Zielgebiet 38 cm empfohlen werden. An seinen Rändern fällt die Signalstärke rasch ab.
Programmangebot
Rund zwei Drittel aller türkischen Kanäle werden über die Westbeams ausgestrahlt und sind somit in unseren Breiten leicht zu bekommen. Darunter befinden sich neben den staatlichen Trt-programme, vor allem kleine Stationen. Die großen türkischen Privatsender sind auf dem Westbeam gar nicht oder nur mit speziellen Europaversionen vertreten. Attraktive Spielfilme oder Premiumsport sind auf ihnen die Ausnahme. Die Urheberrechte lassen grüßen. Stattdessen werden die Europa-türken mit urheberrechtlich unbedenklichen Inhalten abgespeist. Kein Wunder, dass Kanäle wie ATV Avrupa, Eurostar oder Kanal 7 Avrupa, bei der Zielgruppe keine Begeisterung auslösen und diese nach den türkischen Originalversionen dürsten. Die aber gibt es, wenn man Glück hat, bestenfalls auf den Eastbeams. Zu ihnen scheint sich aber bereits bis in die Türkei rumgesprochen zu haben, dass sie häufig leichter bei uns empfangbar sind, als beabsichtigt. Deshalb scheinen die großen türkischen Privatsender vermehrt den Türkeibeam zu bevorzugen. Abgesehen davon ist Türksat immer für
Überraschungen gut. Neben den etablierten staatlichen und großen privaten türkischen Sendern tummeln sich viele kleine Stationen auf 42 Grad Ost. Bei ihnen herrscht ein ständiges kommen und gehen. Abgesehen davon mussten in der Vergangenheit immer wieder regierungskritische Sender ihren Dienst einstellen.
Theorie und Praxis
Die in den Footprints angegebenen Reichweiten sind nur theoretische Rechenmodelle. Sie treffen nur ein, wenn bei der Ausstrahlung von Programmpaketen in engen Rahmen vorgegebene Parameter eingehalten werden. Zum Einen nehmen der eingesetzte Übertragungsstandard und Fehlerschutz großen Einfluss darauf, wie leicht ein Signal empfangbar ist. Weiter kommt es erheblich darauf an, mit welcher Signalstärke die digitalen Datenpakete von der Uplink-station zum Satelliten geschickt werden. Seine Transponder sind vereinfacht ausgedrückt nichts anderes als Kanalumsetzer mit Verstärker. Diese verstärken die von der Erde empfangenen Signale um einen festen Wert und strahlen sie dann auf anderen Frequenzen wieder zur Erde zurück. Werden manche Transponder eines Beams besonders stark empfangen, dann deshalb, weil der Uplink mit hoher Leistung erfolgt. Kommt ein anderer Transponder um mehrere db schwächer, deutet das auf einen leistungsschwachen Uplink hin. Bei Türksat scheint man eine sehr hohe Spanne zwischen minimaler und maximaler Uplink-sendeleistung zuzulassen. Darin kann auch die Erklärung liegen, weshalb zumindest im Süden manche Eastbeam-transponder deutlich stärker kommen, als die des Westbeams. Weiter erlaubt die verwendete Uplink-sendeleistung die Reichweite eines Transponders zu beeinflussen. Wird mit wenig Power zum Satelliten gefunkt, kann sein Footprint spürbar kleiner sein, als vom Satellitenbetreiber veröffentlicht.
Empfang
Mit der Inbetriebnahme des Türksat 4A im Sommer 2014 hat sich der Empfang des Eastbeams extrem verschlechtert. Er ist mit vertretbarem Aufwand nur noch im südlichen Drittel Deutschlands zu bekommen. Im Norden, wie etwa der Region Hannover, ist von ihm mit 120 cm nichts mehr zu sehen. Hier braucht es deutlich größere Schüsseln. Für den Türkei-beam sind selbst sie kein Empfangsgarant. So ist es uns etwa mit 4,5 m im österreichischen Linz, kaum möglich, einzelne Transponder dieser Ausleuchtzone einzufangen. Sie bleiben ein absoluter Glückstreffer. Dafür lassen sich andere Türkei-beam Frequenzen südwestlich von München immer wieder mal blicken. Wobei dafür bereits 2-m-schüsseln reichen. Von diesen Transpondern können wir in Österreich nicht einmal mehr Signalreste ausmachen. Laut veröffentlichtem Footprint sollte der Türkei-footprint im ungarischen Budapest noch mit 90 cm zu sehen sein. Es ist unglaubwürdig, dass sein Signal auf den 350 km bis Linz so stark abfällt, dass wir es mit 4,5 m kaum mehr nachweisen können. Deshalb vermuten wir, dass die Türkei-beam-uplinks mit verminderter Sendeleistung erfolgen. Dies würde sich auch mit unseren Beobachtungen während der Inbetriebnahme des Türksat 4A decken. Damals kam die Türkei-ausleuchtzone vergleichsweise stark und war für unsere große Schüssel keine Herausforderung. Man hat wohl entdeckt, dass der Türkei-beam in Europa besser empfangbar als beabsichtigt ist und hat seine Reichweite durch Verringerung der Sendeleistung reduziert. Wir vermuten, dass der Uplink im heutigen Regelbetrieb jedenfalls um 5 db weniger Power besitzt, als während der Anfangszeit. Vertretbar wäre diese Maßnahme, da damit der Türkei-beam im Zielgebiet immer noch genauso stark ankommen würde, wie die Transponder der East- und West-ausleuchtzonen.
Radio
Über 42 Grad Ost werden auch annähernd 150 Radioprogramme ausgestrahlt. Wobei ebenfalls alle Beams zum Einsatz kommen. Über 100 werden über die Westbeams von Türksat 3A und 4A ausgestrahlt und sind so bei uns leicht zu hören. Der Ostbeam des Türksat 3A beheimatet über 30 weitere Stationen. Sie sind in Deutschland ebenfalls noch vergleichsweise einfach zu empfangen. Acht weitere Radiokanäle sind auf dem Ostbeam des Türksat 4A aufgeschaltet. Sie kann man zumindest noch im deutschen Süden empfangen. Einzig auf die sieben Stationen des Türkei-beams müssen wir in Mitteleuropa verzichten.