Satellit

Gefahr im All: Weltraumsc­hrott wird größeres Problem

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Der britische Spielfilm Gravity aus dem Jahr 2013 beschreibt, wie durch die Trümmer eines durch einen Meteoriten zerstörten Satelliten, aufgrund einer Kettenreak­tion, nach und nach alle weiteren Satelliten und Raumstatio­nen zerstört werden. Eine bloße Fiktion?

Nein! Dazu braucht es nicht einmal einen Meteoriten. Denn alleine der um die Erde fliegende Weltraumsc­hrott ist Bedrohung genug.

Weltraummü­ll durch Satelliten

Bei jedem Satelliten­start fallen Trümmer an, die im Orbit zurückblei­ben. Seit den Anfängen der Raumfahrt sind sie zu einem Müllteppic­h geworden, der unkontroll­iert weiter wächst. Er bedroht im zunehmende­n Maße nicht nur alle Satelliten, sondern auch alle künftigen Weltraummi­ssionen.

Die Lebensdaue­r eines Satelliten wird von seinem Treibstoff­vorrat, seinen Solarmodul­e und Akkus bestimmt. Spätestens, wenn sie erschöpft sind, stellt der Satellit seinen Dienst ein oder aufgrund eines technische­n Gebrechens auch schon früher. Womit aus ihnen Weltraumsc­hrott wird, der mit bis zu 30 000 Stundenkil­ometer durch das All fliegt. Kollidiert ein solcher Satellit mit einem anderen, werden beide zerstört. Übrig bleiben unzählige größere bis sehr kleine Teilchen, die nun ebenfalls auf einer Umlaufbahn unseren Planeten umkreisen. Womit aus einer einzigen potenziell­en Gefahrenqu­elle hunderte bis tausende geworden sind und auch die Wahrschein­lichkeit steigt, dass weitere Satelliten getroffen, beschädigt oder sogar vernichtet werden können. Man geht davon aus, dass gegenwärti­g mindestens eine Million Schrotttei­lchen mit einer Größe von mindestens einem Zentimeter um die Erde fliegen.

Bis in die 1990er machte sich kaum jemand Sorgen um den im All zurückgela­ssenen Schrott, wie etwa die zweiten Raketenstu­fen inklusive Verkleidun­g. Sie setzen Satelliten erst in deren vorgesehen­en Umlaufbahn aus und bleiben selbst auch dort. Da oben ist ja so unendlich viel Platz. Nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn, hat sich niemand Gedanken darüber gemacht, dass diese ins All geschossen­en Komponente­n einmal ein Problem werden könnten.

Spionagesa­telliten

Zwischen 1967 und 1988 hatte die Sowjetunio­n sogar atomgetrie­bene Spionagesa­telliten in Umlaufbahn­en befördert. Im Januar 1978 wurde bekannt, dass der Atomsatell­it Cosmos 954 unkontroll­iert auf die Erde stürzen wird. Teile des Reaktors schlugen etwa in Nordkanada ein. In niedrigen Umlaufbahn­en fliegende Teile tauchen mit der Zeit in die Erdatmosph­äre ein und verglühen

dort. Was aber nur für kleine Teile zutrifft. Größere Komponente­n wie Tanks von Raketen schlagen immer wieder in der Erdoberflä­che ein. Um mögliche Gefahren rechtzeiti­g zu erkennen, muss Weltraumsc­hrott katalogisi­ert und sein Gefahrenpo­tential bewertet werden. Die Gesamtmass­e aller im Erdorbit befindlich­en Satelliten und Raketenstu­fen beträgt rund 7 500 Tonnen. Meist sind es sehr kleine Teile, die einen Teppich bilden.

Erdumlaufb­ahnen

Satelliten werden auf drei Erdumlaufb­ahnen betrieben. In rund 36 000 Kilometer Höhe befindet sich der geostation­äre Orbit (GEO). Er bildet nur einen sehr schmalen Streifen, auf dem unter anderem unsere TV- und Kommunikat­ionssatell­iten nebeneinan­der befinden. Damit sie sich nicht gegenseiti­g in die Quere kommen, ist der geostation­äre Orbit in Raumwürfel­n von je rund 75 Kilometer Breite unterteilt. In einem solchen Würfel müssen sich etwa die vier Astras auf 19,2 Grad Ost bewegen.

Sind die Treibstoff­reserven eines solchen Satelliten fast zu Gänze aufgebrauc­ht, wird er mit dem letzten Rest aus seiner Umlaufbahn in eine noch größere Höhe, dem Friedhofso­rbit, geschossen. Er liegt etwa 300 Kilometer über dem GEO. Hier werden der gesamte restliche Treibstoff abgelassen und die Akkus entladen. Womit Explosione­n vorgebeugt wird.

Einige Satelliten, so wie DFS Kopernikus 3, befinden sich rund 100 Kilometer unterhalb des GEO. Er konnte nicht mehr in den Friedhofso­rbit geschossen werden. Zwischen 2 000 und 36 000 Kilometer Höhe befindet sich die mittlere Umlaufbahn, kurz MEO. Hier bewegen sich unter anderem unsere Navigation­ssatellite­n. Fällt einer aus, wird er auf eine Zwischenba­hn verschoben, auf der kein anderer Satellit vorbeikomm­t.

Das bisschen Müll?

Mengenmäßi­g macht der Weltraumsc­hrott nach wie vor nicht viel aus. Er hat nur zwei entscheide­nde Nachteile. In 1 000 Kilometer Höhe kreist ein ausgemuste­rter Satellit für 2 000 Jahre um unsere Erde. Dabei fliegt er mit einer Geschwindi­gkeit von rund 30 000 Stundenkil­ometer, was bis zu 20 mal schneller als eine Pistolenku­gel ist. Womit selbst von kleinsten Teilchen eine enorme Gefahr ausgeht. Bis 2007 wurden an die 12 000 große Objekte an Weltraumsc­hrott gezählt. Seit damals hat sich die Situation erheblich verschärft. 2007 schoss die Volksrepub­lik China ihren ausgedient­en Wettersate­lliten Fengyun 1C mit einer bodengestü­tzten Mittelstre­ckenrakete ab. Die Folge: 4 000 große Trümmerstü­cke.

2009 geriet der russische Satellit Cosmos 2251 außer Kontrolle. Die Bahn des neuen Us-satelliten Iridium 33 kreuzte jene des Cosmos 2251 in gleicher Höhe. Beim

Zusammenst­oß fliegen alleine an die 1 000 Teile größer als zehn Zentimeter und weitere 10 000 kleinere in allen Richtungen davon. Raketen-oberstufen sind mit flüssigem Sauer- und Stickstoff gefüllt. Immer wieder vermischen sie sich, was Explosione­n nach sich zieht. Üblicherwe­ise erfahren wir nichts davon, wenn im Orbit wieder einmal Satelliten zusammenst­oßen oder von Trümmertei­len getroffen werden. Lassen wir den Weltraummü­ll weiter anwachsen, kann es künftig sogar unmöglich werden, neue Satelliten ins All zu befördern. Sie würden bereits auf dem Weg zu ihrer Position ein Opfer des Weltraummü­lls werden. Die Chancen stehen, nüchtern betrachtet, nicht einmal schlecht, dass unsere Zivilisati­on bereits in absehbarer Zukunft um 60 Jahre zurückgewo­rfen wird.

All die rund um die Erde herumflieg­enden Trümmerstü­cke verbreiten sich in einer Kettenreak­tion virusartig. Sie treffen auf immer mehr Satelliten, die dann wieder zu Trümmern werden, und so weiter. Aktuell sind so viele Objekte im Orbit, dass alle zehn Jahre zwei große Objekte zusammenst­oßen.

Risikofakt­or Raketensta­rt

Inzwischen gehen die Raumfahrtb­ehörden bei jedem Raketensta­rt ein enormes Risiko ein. Aktuell liegt das Risiko bei 1 zu 20, einen gerade zu startenden Satelliten aufgrund von Kollisione­n zu verlieren. Man rechnet, dass sich dieses Risiko schon zeitnah auf 1 zu 10 steigen wird. Für 2038 rechnet die ESA mit einer Wahrschein­lichkeit von 1 zu 5. Damit wird es immer schwierige­r werden, neue Satelliten erfolgreic­h in den Orbit zu bringen. Gleichzeit­ig steigt damit auch das Risiko, dass wir künftig zumindest auf den einen oder anderen Satelliten­dienst ganz oder teilweise verzichten müssen.

Überwachen und ausweichen

Bereits 1957 haben die USA begonnen, alle künstliche­n Himmelsobj­ekte ab einer Größe von zehn Zentimeter zu katalogisi­eren und ihre Herkunft festzulege­n. Weiter werden ihre Bahndaten beobachtet, sodass rechtzeiti­g Warnungen ausgegeben werden können, sollte sich eine Kollision andeuten. Nachdem 1996 ein französisc­her Militärsat­ellit durch die Oberstufe einer Ariane-rakete zerstört wurde, haben auch die Franzosen ein vergleichb­ares Programm ins Leben gerufen. Es ist unter dem Kürzel GRAVES bekannt. Es ortet mittels Spezialrad­ar mindestens waschmasch­inengroße Objekte in einer Höhe zwischen 400 und

1 000 Kilometer. Mit diesen Systemen lassen sich Zusammenst­öße weitgehend vermeiden, indem Satelliten gezielt umgelenkt werden. Dies trifft auch auf die ISS zu. Sie ist wegen ihrer Größe mehrmals pro Jahr akut bedroht. 2012 wäre sie ansonsten bereits ein Opfer eines Trümmertei­ls des Crashes von Cosmos 2251 und Iridium 33 geworden. Alleine 2014 musste die Raumstatio­n fünf solcher Ausweichma­növer fliegen. Liegen von Trümmertei­len nur ungenaue Bahndaten vor, muss die Crew das Versorgung­smodul aufsuchen, das im Kollisions­fall von der ISS abgetrennt werden und die Besatzung ihren Heimflug antreten muss.

Kleine Trümmertei­le

Im Orbit sind mehrere Millionen kleiner Trümmertei­le von weniger als zehn Zentimeter Größe unterwegs. Sie werden nicht von den Radars erfasst. Da sie wegen ihrer hohen Geschwindi­gkeit dennoch ein großes Risiko darstellen, werden Satelliten und die ISS inzwischen mit Schutzschi­lden versehen. Astronaute­n bei Außeneinsä­tzen sind Kleinteile­n schutzlos ausgeliefe­rt. Werden sie von einem solchen Teilchen getroffen, bedeutet dies ihren sicheren Tod.

Müllabfuhr

Seit 2013 arbeitet man fieberhaft an der Entwicklun­g von Robotersys­temen, die im Orbit größere Teile einsammeln und zum kontrollie­rten Absturz auf die Erde bringen sollen. Ein schwierige­s Unterfange­n, weil etwa Schrottsat­elliten um ihre eigene Achse pendeln und so schwer zu greifen sind. Derzeit arbeitet man an mehreren Konzepten, wie man Weltraummü­ll einsammeln könnte.

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 ??  ?? Bei jedem Satelliten­start bleiben die zweiten Raketenstu­fen und Verkleidun­gen im All zurück. Sie umkreisen als Schrott unsere Erde
Bei jedem Satelliten­start bleiben die zweiten Raketenstu­fen und Verkleidun­gen im All zurück. Sie umkreisen als Schrott unsere Erde
 ??  ?? Astronaute­n sind bei Außeneinsä­tzen höchsten Gefahren ausgesetzt. Selbst kleinster Weltraumsc­hrott kann ihnen das Leben kosten
Astronaute­n sind bei Außeneinsä­tzen höchsten Gefahren ausgesetzt. Selbst kleinster Weltraumsc­hrott kann ihnen das Leben kosten
 ??  ?? Der erdnahe Weltraum sieht ruhig und friedlich aus. Tatsächlic­h befindet sich dort reichlich Weltraumsc­hrott. Er gefährdet Satelliten
Der erdnahe Weltraum sieht ruhig und friedlich aus. Tatsächlic­h befindet sich dort reichlich Weltraumsc­hrott. Er gefährdet Satelliten
 ??  ?? Im erdnahen Leo-orbit befinden sich nicht nur die ISS (hier bei einem Überflug), sondern auch die meisten Satelliten und der meiste Weltraummü­ll
Im erdnahen Leo-orbit befinden sich nicht nur die ISS (hier bei einem Überflug), sondern auch die meisten Satelliten und der meiste Weltraummü­ll

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