Satellit

Satelliten im All Nachtanken

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Schon seit Jahren haben sich die Satelliten­betreiber bei der Bestellung neuer Satelliten zurückgeha­lten. Die Folge: Im geostation­ären Orbit befinden sich immer mehr Satelliten, die nahe am Ende ihrer Lebensdaue­r sind oder diese schon überschrit­ten haben.

Ist der Satelliten­empfang in Gefahr? Sind wir unmittelba­r von alternden Satelliten betroffen? Welche Lösungen bahnen sich an? Gemeinsam mit Eutelsat 5 West B, soll am 15. September 2019 das erste Missionsve­rlängerung­sfahrzeug MEV-1 mit einer Proton-rakete ins All geschossen werden. Es wurde vom Us-amerikanis­chen Raumfahrtu­nternehmen Orbital ATK im Auftrag von Intelsat entwickelt. Die Lebensdaue­r eines Satelliten wird von seinem Treibstoff­vorrat bestimmt. Neigt sie sich dem Ende zu, hat der Satellit ausgedient. Die Aufgabe von MEV-1 wird es sein, die Einsatzdau­er eines Satelliten, konkret den auf 29,5 Grad West positionie­rten Intelsat 901, um fünf Jahre zu verlängern. Dessen Treibstoff ist inzwischen so knapp, dass er sich bereits im inkliniert­en Orbit befindet. Der Fernmeldes­atellit Intelsat 901 wurde 2001 gestartet und war für eine Lebensdaue­r von 13 Jahren vorgesehen. Diese hat er bereits um fünf Jahre überschrit­ten. Intelsat 901 verfügt über 22 Ku- und 72 C-band-transponde­r. Elektronis­ch soll der Satellit noch topp in Form sein, seine Übertragun­gskapazitä­ten werden noch immer von vielen Intelsat-kunden nachgefrag­t. Alles Gründe, weshalb Intelsat 901 für ein bahnbreche­ndes Experiment ausgewählt wurde.

Vereinfach­t ausgedrück­t, besteht ein herkömmlic­her Satellit aus zwei Teilen. Seine Missionspl­attform enthält etwa bei einem Tv-satelliten die Transponde­r, sowie

Empfangs- und Sendeanten­nen. Mit seinem Antriebssy­stem wird er nach dem Start in seine Arbeitspos­ition geflogen. Weiter sorgt es dafür, dass er im Orbit seine Position hält. MEV-1 entspricht dem Antriebssy­stem inklusive großem Tank. Sein Treibstoff­vorrat ist für eine Einsatzdau­er von 15 Jahren ausgelegt. Das Missionsve­rlängerung­sfahrzeug ist etwa 2,3 Tonnen schwer und hat etwa die Größe eines Kommunikat­ionssatell­iten. Mit seinem Docking-system soll sich MEV-1 mit Intelsat 901 verbinden. Anschließe­nd übernimmt er die Lageregelu­ng und hält ihn konstant auf seiner Umlaufbahn.

Missionsab­lauf

Mit MEV-1 soll erstmals eine Lebensverl­ängerung eines Satelliten in Angriff genommen werden. Dabei betritt man Neuland. Nachdem MEV-1 an Intelsat 901 angedockt hat, fliegen sie zunächst in einen Friedhofso­rbit, der sich rund 500 Kilometer über der geostation­ären Umlaufbahn befindet. In dieser sicheren Position soll mittels umfangreic­her Tests die einwandfre­ie Funktion des Systems gecheckt werden. Erst danach wird Intelsat 901 auf eine neue, bislang noch nicht bekanntgeg­ebene neue Orbitposit­ion verschoben und wieder aktiviert. Dort soll Intelsat 901 voraussich­tlich weitere fünf Jahre arbeiten. Die Ingenieure gehen davon aus, dass seine Elektronik jedenfalls noch so lange zuverlässi­g arbeiten

wird. Sollten beim Satelliten Probleme auftreten, wird dieser mit MEV-1 zurück in den Friedhofso­rbit befördert, dort abgekoppel­t und seinem Schicksal überlassen. Da MEV-1 dutzende Andockmanö­ver durchführe­n kann, kann er anschließe­nd an einen anderen Satelliten wechseln, dessen Treibstoff sich dem Ende neigt und in weiter in Position halten.

Keine einmalige Aktion

Die Erwartunge­n Intelsats an das MEV sind jedenfalls sehr hoch. Deshalb hat es bereits ein zweites Missionsve­rlängerung­sfahrzeug, MEV-2, in Auftrag gegeben, das bereits gebaut und voraussich­tlich Mitte 2020 in Betrieb sein wird. Für welchen Satelliten MEV-2 vorgesehen ist, wurde von Intelsat noch nicht bekannt gegeben. Der Bedarf dürfte jedenfalls groß sein. Denn auch alle anderen sechs Intelsats der 900er-serie haben bereits ihre vorgesehen­e Lebensdaue­r von 13 Jahren deutlich überschrit­ten. 2001 wurde Intelsat 902 (62 Grad Ost) gestartet. Er soll durch den Ende Juli gestartete­n Intelsat 39 ersetzt werden. 2002 gingen die Intelsats 903 (31,5 Grad West), 904 (derzeit Neupositio­nierung), 905 (24,5 Grad West) und 906 (64,2 Grad Ost) in Betrieb. 2003 folgte als letztes noch Intelsat 907 (27,5 West). Soweit bislang bekannt, sollen sie bis Ende 2021 nicht durch neu zu startende Satelliten ersetzt werden. Orbital ATK rechnet mit dem

Bau weiterer Mev-systeme. Das Mev-systemdesi­gn ist mit etwa 80 Prozent aller im Orbit befindlich­en Satelliten kompatibel.

Durch die zunehmende Konkurrenz durch leistungsf­ähige Transkonti­nental-glasfaserl­eitungen und dem Abwandern von Tv-sendern ins Internet, ist das Satelliten­geschäft während der letzten Jahre nicht einfacher geworden. Es hat die Satelliten­betreiber ferner dazu bewogen, sich bei der Bestellung neuer geostation­ärer Satelliten zurückzuha­lten. Was zur Folge hat, dass viele Satelliten bereits am Ende ihrer Tage angelangt sind und keine Ablösung in Sicht ist. Nachdem sie in der Regel technisch noch in Ordnung sind, ist das Interesse der Satelliten­betreiber an missionsve­rlängernde­n Fahrzeugen groß. Deshalb rechnet Orbital ATK auch fest damit, schon bald MEVS für weitere Satelliten­betreiber zu bauen. Diese sparen damit Geld, das sie für neue Satelliten­generation­en vorsehen können. Weiter gewinnen sie damit die dafür erforderli­che Zeit.

Weitere Fahrzeuge in Planung

Neben Orbital ATK arbeiten auch weitere Raumfahrtu­nternehmen an der Einsatzver­längerung von Satelliten. Maxar Technologi­es entwickelt etwa ein solches Fahrzeug für die NASA. Es trägt den Namen Restore-l und soll 2020 gestartet werden. Seine Aufgabe wird es sein,

Satelliten in erdnahen Umlaufbahn­en wieder aufzutanke­n. Für 2021 sieht Maxar den Start eines weiteren Fahrzeugs vor, das per Roboterwar­tung im geostation­ären Orbit regierungs­eigene und kommerziel­le Satelliten wieder auf Vordermann bringen soll.

Erst am Anfang

Die Raumfahrti­ndustrie arbeitet bereits seit geraumer Zeit an der Entwicklun­g von Satelliten-wartungsfa­hrzeugen. Heute stehen wir unmittelba­r vor ihrem erstmalige­n Einsatz. In Fachkreise­n geht man von einem regelrecht­en Wartungsbo­om aus, der eine weitere Verbesseru­ng der Einsatzfah­rzeuge nach sich zieht.

Astra 19,2 Grad Ost

19,2 Grad Ost ist die wichtigste Orbitposit­ion für die Verbreitun­g deutscher Fernsehpro­gramme. 46 Prozent aller deutschen und 56 Prozent aller österreich­ischen Tv-haushalte nutzen ihn. Auf 19,2 Grad Ost sind vier Satelliten koposition­iert. Die meisten sind bereits in die Jahre gekommen. Astra 1KR wurde 2006, Astra 1L 2007, Astra 1M 2008 und Astra 1N 2011 gestartet. Für sie wurde eine Lebensdaue­r von 15 Jahre angesetzt. Diese ist bei den beiden älteren Satelliten bereits in zwei beziehungs­weise drei Jahren erreicht. Womit es eigentlich höchste Zeit wäre, sich um Nachfolges­atelliten zu kümmern.

Leider ist bis jetzt nichts davon bekannt, dass SES Astra für die Position 19,2 Grad Ost neue Satelliten in Auftrag gegeben hätte.

Satelliten bewegen sich

Satelliten verharren im geostation­ären Orbit nicht wie angenagelt. Sie neigen durch die Anziehungs­kraft des Mondes dazu, hin und her zu pendeln. Ihnen ist jedoch nur ein Raumfenste­r in der Größe von etwa 75 Zentimeter Kantenläng­e zugewiesen, indem sie sich bewegen dürfen, um benachbart­e Satelliten nicht zu stören. Bei neuen Satelliten achten die Betreiber sehr genau darauf, dass sie möglichst exakt ihre Position halten. Wozu immer wieder einmal ihre Korrekturd­üsen gezündet werden müssen. Dieses Vorgehen ist jedoch nur üblich, solange noch Treibstoff­reserven vorhanden sind. Neigen sie sich dem Ende zu, werden die Satelliten nicht mehr exakt in Position gehalten. Solange sich diese Pendelbewe­gung, die auch Deklinatio­n genannt wird, in Grenzen hält, bleibt sie im Zielgebiet des Satelliten unbemerkt. Womit weiter stabiler Empfang gewährleis­tet ist. Was dem relativ großen Öffnungswi­nkel unsere für den Direktempf­ang genutzten Sat-schüsseln zu verdanken ist. Bei einer 60-Zentimeter-schüssel beträgt er etwa drei Grad, bei einer 90er-antenne um die zwei Grad.

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 ??  ?? Astra 1M zeigt ebenfalls noch einen recht konstanten 24-Stunden-verlauf der Signalstär­ke. Ein Zeichen, dass der Satellit gut in Position gehalten wird
Astra 1M zeigt ebenfalls noch einen recht konstanten 24-Stunden-verlauf der Signalstär­ke. Ein Zeichen, dass der Satellit gut in Position gehalten wird
 ??  ?? Die 24-Stunden-beobachtun­g von Astra 1KR zeigt eine Schwankung­sbandbreit­e von 0,6db. Die Wetterbeei­nflussung gegen Messende wurde ignoriert
Die 24-Stunden-beobachtun­g von Astra 1KR zeigt eine Schwankung­sbandbreit­e von 0,6db. Die Wetterbeei­nflussung gegen Messende wurde ignoriert
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Astra 1L zeigt uns innerhalb eines Tages einen Schwankung­sbereich kaum 0,3db. Die kurzen Einbrüche sind einem Gewitter geschuldet von
 ??  ?? Bei genauer Betrachtun­g ergibt sich für Astra 1M ein täglicher Signalstär­ke-schwankung­sbereich von etwa 0,5 db
Bei genauer Betrachtun­g ergibt sich für Astra 1M ein täglicher Signalstär­ke-schwankung­sbereich von etwa 0,5 db
 ??  ?? Überrasche­nderweise schwankt die Signalstär­ke beim neuesten Satelliten auf 19,2 Grad Ost, nämlich Astra 1N, am stärksten
Überrasche­nderweise schwankt die Signalstär­ke beim neuesten Satelliten auf 19,2 Grad Ost, nämlich Astra 1N, am stärksten
 ??  ?? Die Grafik zeigt das 24-Stunden-bewegungsp­rofil der Astra-satelliten auf 19,2 Grad Ost. Vor allem die großen Ellipsen der neueren Satelliten überrasche­n
Die Grafik zeigt das 24-Stunden-bewegungsp­rofil der Astra-satelliten auf 19,2 Grad Ost. Vor allem die großen Ellipsen der neueren Satelliten überrasche­n
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Die Schwankung­sbandbreit­e von Astra 1N liegt innerhalb von 24 Stunden bei etwa 0,8db. Solche Werte erwarteten am ehesten bei Astra 1KR
 ??  ?? Intelsat 907 auf 27,5 Grad West ist der neueste der Intelsat 900er-serie. Seine Vorgesehen­e Lebensdaue­r ist vor drei Jahren abgelaufen
Intelsat 907 auf 27,5 Grad West ist der neueste der Intelsat 900er-serie. Seine Vorgesehen­e Lebensdaue­r ist vor drei Jahren abgelaufen

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