Der Popsound aus der Army
Klangkunst Am Anfang war eine wiedergefundene Schallplatte eines Bandwettbewerbs. Das lab.binaer machte daraus im Abraxas eine hintersinnige Erinnerung an amerikanische Präsenz
Es war ein Zufallsfund im „Kabuff“des Kulturhauses Abraxas. Hausleiter Gerald Fiebig entdeckte in der Rumpelkammer eine alte, zerkratzte Schallplatte der United States Special Services Agency Europe aus dem Jahr 1971 mit Aufnahmen einer Band namens „Soap“. Sie ist ein rarer Schatz der US-Army-Präsenz in Deutschland, stellte sich bei Fiebigs Nachforschungen heraus. In kleiner Auflage war diese Platte die Belohnung für die Gewinner eines Armyinternen Bandwettbewerbs. Es zeigte sich, dass von ihr inzwischen eine Nachpressung in Amerika erhältlich ist – in einem Album zusammen mit der Schwesterplatte der erstplatzierten Band „East of Underground“. Wenn das nicht Stoff für Medienkunst ist, die im ehemaligen Family Recreation Centre alias Abraxas ideal zu präsentieren ist …
Mit Benjamin Stechele und Martin Spengler von lab.binaer fand Gerald Fiebig in Augsburg sofort die richtigen Partner. „Wenige Monate später stellten sie mir zwei fertige Arbeiten mit den Platten vor.“Seit Donnerstag sind sie im Abraxas ausgestellt – und man hört dort wieder Soap und East of Underground. Unterschiedlich ist ihr Sound: Während Soap musikalisch dem damaligen Mainstream folgte, sang East of Underground die Songs der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Selbstbewusst sprechen hier afroamerikanische Soldaten die rassistische Benachteiligung an. Auf dem Plattencover fixieren einen unter einer mächtigen Kraushaarmähne zwei stechende Augen.
In der Skulptur von lab.binaer steht die Platte allerdings in einem anderen Zusammenhang. Nach dem Motto „kein Feuern ohne Feiern“dreht sie sich auf dem Unterbau eines weißen Karussells; anstatt Feuerwehrautos und Pferdchen kreisen allerdings Panzer, Bomber, Fregatten und Hubschrauber. Eine schwarzhumorige Anspielung auf das beliebte deutsch-amerikanische Volksfest in Augsburg – und, wie Martin Spengler meint, auf das Weißwaschen des Militärischen mittels kultureller Aktivitäten.
Noch bissiger geht die zweite Station auf die ambivalente Vergangenheit im Abraxas ein. Neben dem Plattenspieler steht eine Munitionskiste der Army, darin ein Regler, um die Revolutions per Minute einzustellen. Freilich nicht nach der Aufnahmegeschwindigkeit der Platte, sondern nach der durchschnittlichen Zahl der täglichen Kriegstoten in den Jahren zwischen 1946 und 2016. Denn Revolutions per Minute sind auch die Einheit für die Anzahl der Geschosse, die pro Minute aus einer Schnellfeuerwaffe abgegeben werden können. Die war im Korea-, im Vietnamund Irakkrieg ganz beachtlich. „Die Friedensstadt Augsburg muss sich auch die Anfrage gefallen lassen, dass sie aufgrund ihrer großen Rüstungsindustrie von allen Kriegen profitiert“, sagt Stechele.
In der Eingangshalle des Abraxas ist „Soap A und B“schon die sechste Ausstellung der dortigen Audiogalerie „loop30“. Gerald Fiebig hat sie im November vorigen Jahres angestoßen, um das im Abraxas etablierte Klangkunstfestival „lab30“fortzusetzen. So viele Präsentationsorte für experimentelle Klangkunst gibt es in Deutschland ja nicht. Fiebigs Vorbild war die „Tonspurpassage“in Wien, die ihre Hörer im Vorbeigedort hen mit ungewohnten Klängen einfängt. Auch die Eingangshalle ist ein Durchgangsraum. Doch immer öfter bleiben Besucher bei „loop30“hängen und lauschen neugierig.
Zuletzt auf die Toncollage vom vielfältigen Geschehen im Abraxas, die Oda Klonk im Theater, im Atelier und in den Übungsräumen aufgenommen hat. Ein akustisches Lagerfeuer entzündete Sascha Stadlmeier alias Emerge im März/April. In seiner Installation klangen 30 einzelne Feuerklänge vom Knistern bis zum Prasseln und Brausen der Gasflamme. Dem Augsburger Stadtklang mit seiner Atmosphäre von Straßenbahn bis Straßenmusik, vom Plätschern der Brunnen bis zum Plärren der Kinder verlieh Audiokünstler Am.eise in „Transurban“Dauer.