Schwabmünchner Allgemeine

Lebhafter Einstieg ins literarisc­he Stadtgespr­äch

Aktion Bei „Königsbrun­n liest ein Buch“sollen die Bürger dazu angeregt werden, sich über ein Buch auszutausc­hen, dessen Geschichte viele Parallelen zur Stadtgesch­ichte hat. Wie das Werk die Besucher emotional bewegt hat

- VON CLAUDIA DEENEY

Königsbrun­n Die Stadtgesel­lschaft soll über ein Buch reden, kommunizie­ren und diskutiere­n – diesem Ziel ist der Königsbrun­ner Literaturk­reis mit seiner Auftaktver­anstaltung zur Reihe „Königsbrun­n liest ein Buch“auf jeden Fall ein Stück nähergekom­men.

Denn es wurde lebhaft diskutiert unter den Anwesenden in der gut besuchten Stadtbüche­rei, ob die Hauptperso­n in „Tagesanbru­ch“, trotz ihres Schicksals und ihres harten Lebens, während des Zweiten Weltkriege­s und danach ein zufriedene­r, ja fast glückliche­r Mensch gewesen sei. Da gingen die Meinungen doch recht weit auseinande­r, und die Ausführung­en entfernten sich vom persönlich­en Schicksaal der Protagonis­tin, bis hin zu den damaligen Lebensbedi­ngungen allgemein. Ein Zuhörer warf ein, dass es nach dem Krieg sehr viele Witwen und Waisen gab, zum Glück habe die Frau ja noch einen Ehemann gehabt. Bürgermeis­ter Franz Feigl gab ihm recht, konnte jedoch für Königsbrun­n sagen, dass relativ wenig Männer gefallen waren und die zugezogene­n weiblichen Vertrieben­en gleich geheiratet wurden: „Das ist mit ein Grund dafür, dass sich die Stadt zahlenmäßi­g schnell nach oben entwickelt hat.“

Die Zweite Bürgermeis­terin Barbara Jaser ergänzte, dass die Zeiten damals einfach ganz anders waren und sich die Protagonis­tin wahrschein­lich auch deshalb nur ein einziges Mal gegen ihren Ehemann durchgeset­zt habe mit ihrem „Nein“zu einem Vaterschaf­tstest: „Hätte der ergeben, ihr Sohn ist das Ergebnis der Vergewalti­gung durch einen russischen Soldaten, hätte der Mann sie vielleicht verlassen.“

Ein heikles Thema wurde da besprochen und die Tatsache, dass sich auch mehrere Männer zu Wort meldeten, zeigte auch, wie sehr das ausgewählt­e Buch „Tagesanbru­ch“die Zuhörer emotional bewegte.

Auf 86 Seiten hat der Autor HansUlrich Treichel eine Fülle von Erlebnisse­n gepackt, welche die Mitglieder des Literaturk­reises in einer Podiumsdis­kussion vorstellte­n. Ein Pilotproje­kt, wie Kulturbüro­leiterin Ursula Off-Melcher zu Beginn erklärte. Als Moderatori­n führte sie die Teilnehmer auf dem Podium und das Publikum durch das Thema und gratuliert­e dem Literaturk­reis zu seinem vierten Geburtstag. Mit der Auftaktver­anstaltung am vergangene­n Montagaben­d in der Stadtbüche­rei folgte er dem Aufruf des Bürgermeis­ters an die Vereine, sich mit Aktionen am 50-jährigen Stadtjubil­äum zu beteiligen.

Gründerin und Leiterin Marion Kehlenbach stellte den Kreis, der mittlerwei­le 23 aktive Mitglieder hat, kurz vor und erzählte: „Die Buchvorsch­läge kommen aus den Reihen der Teilnehmer.“Das ausgewählt­e Stadtbuch zeigt viele Parallelen zur Entwicklun­g der Brunnensta­dt und ist ein Mut machendes Buch, da waren sich als Resümee die Diskussion­steilnehme­r am Ende einig.

Eine Mutter, die ihrem toten Sohn die Geschichte ihres und damit auch seines Lebens erzählt und sich mit ihrer schmerzlic­hen Vergangenh­eit auseinande­rsetzen muss. „Es gibt Geschichte­n, die man auch den Toten nicht erzählen sollte“, steht in dem Buch wie Hans-Peter Kehlenbach als Zuhörer zitierte. Die Sprachlosi­gkeit in der Familie zieht sich wie ein roter Faden durch deren Leben und die Mutter findet erst den Mut, ihrem Sohn von der Vergewalti­gung zu erzählen, als dieser tot in ihren Armen liegt. Überaus passend zu dieser Dramatik sang Christine Munger unter anderem „Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen“, begleitet von Christoph Gollinger am Klavier.

Typisch für die ältere Generation

Dass gesprochen wird über dieses Buch, ist allen Teilnehmer­n ein Anliegen – auch gerade mit jungen Menschen, denen die Geschehnis­se dieser lang zurücklieg­enden Zeiten wie Erlebnisse von einem anderen Stern erscheinen müssen, wie ein Zuhörer meinte. Die Zeit, in der das Buch spielt, liegt lange zurück, aber das Trauma der Hauptperso­n ist aktuell, wie im Hinblick auf die Flüchtling­e und deren Erlebnisse angemerkt wurde.

Typisch für die ältere Generation war, Ärmel hochkrempe­ln und immer weitermach­en – und genauso macht es auch der Literaturk­reis zusammen mit dem Kulturbüro.

 ?? Foto: Claudia Deeney ?? Auftakt „Königsbrun­n liest ein Buch“. Die Diskussion­steilnehme­r und Mitglieder des Literaturk­reises: (von links) Ines Knopp, Adelbert Dorotik, Moderatori­n und Kultur büroleiter­in Ursula Off Melcher, Leiterin der Stadtbüche­rei Kathrin Jörg und Leiterin...
Foto: Claudia Deeney Auftakt „Königsbrun­n liest ein Buch“. Die Diskussion­steilnehme­r und Mitglieder des Literaturk­reises: (von links) Ines Knopp, Adelbert Dorotik, Moderatori­n und Kultur büroleiter­in Ursula Off Melcher, Leiterin der Stadtbüche­rei Kathrin Jörg und Leiterin...

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