Lebhafter Einstieg ins literarische Stadtgespräch
Aktion Bei „Königsbrunn liest ein Buch“sollen die Bürger dazu angeregt werden, sich über ein Buch auszutauschen, dessen Geschichte viele Parallelen zur Stadtgeschichte hat. Wie das Werk die Besucher emotional bewegt hat
Königsbrunn Die Stadtgesellschaft soll über ein Buch reden, kommunizieren und diskutieren – diesem Ziel ist der Königsbrunner Literaturkreis mit seiner Auftaktveranstaltung zur Reihe „Königsbrunn liest ein Buch“auf jeden Fall ein Stück nähergekommen.
Denn es wurde lebhaft diskutiert unter den Anwesenden in der gut besuchten Stadtbücherei, ob die Hauptperson in „Tagesanbruch“, trotz ihres Schicksals und ihres harten Lebens, während des Zweiten Weltkrieges und danach ein zufriedener, ja fast glücklicher Mensch gewesen sei. Da gingen die Meinungen doch recht weit auseinander, und die Ausführungen entfernten sich vom persönlichen Schicksaal der Protagonistin, bis hin zu den damaligen Lebensbedingungen allgemein. Ein Zuhörer warf ein, dass es nach dem Krieg sehr viele Witwen und Waisen gab, zum Glück habe die Frau ja noch einen Ehemann gehabt. Bürgermeister Franz Feigl gab ihm recht, konnte jedoch für Königsbrunn sagen, dass relativ wenig Männer gefallen waren und die zugezogenen weiblichen Vertriebenen gleich geheiratet wurden: „Das ist mit ein Grund dafür, dass sich die Stadt zahlenmäßig schnell nach oben entwickelt hat.“
Die Zweite Bürgermeisterin Barbara Jaser ergänzte, dass die Zeiten damals einfach ganz anders waren und sich die Protagonistin wahrscheinlich auch deshalb nur ein einziges Mal gegen ihren Ehemann durchgesetzt habe mit ihrem „Nein“zu einem Vaterschaftstest: „Hätte der ergeben, ihr Sohn ist das Ergebnis der Vergewaltigung durch einen russischen Soldaten, hätte der Mann sie vielleicht verlassen.“
Ein heikles Thema wurde da besprochen und die Tatsache, dass sich auch mehrere Männer zu Wort meldeten, zeigte auch, wie sehr das ausgewählte Buch „Tagesanbruch“die Zuhörer emotional bewegte.
Auf 86 Seiten hat der Autor HansUlrich Treichel eine Fülle von Erlebnissen gepackt, welche die Mitglieder des Literaturkreises in einer Podiumsdiskussion vorstellten. Ein Pilotprojekt, wie Kulturbüroleiterin Ursula Off-Melcher zu Beginn erklärte. Als Moderatorin führte sie die Teilnehmer auf dem Podium und das Publikum durch das Thema und gratulierte dem Literaturkreis zu seinem vierten Geburtstag. Mit der Auftaktveranstaltung am vergangenen Montagabend in der Stadtbücherei folgte er dem Aufruf des Bürgermeisters an die Vereine, sich mit Aktionen am 50-jährigen Stadtjubiläum zu beteiligen.
Gründerin und Leiterin Marion Kehlenbach stellte den Kreis, der mittlerweile 23 aktive Mitglieder hat, kurz vor und erzählte: „Die Buchvorschläge kommen aus den Reihen der Teilnehmer.“Das ausgewählte Stadtbuch zeigt viele Parallelen zur Entwicklung der Brunnenstadt und ist ein Mut machendes Buch, da waren sich als Resümee die Diskussionsteilnehmer am Ende einig.
Eine Mutter, die ihrem toten Sohn die Geschichte ihres und damit auch seines Lebens erzählt und sich mit ihrer schmerzlichen Vergangenheit auseinandersetzen muss. „Es gibt Geschichten, die man auch den Toten nicht erzählen sollte“, steht in dem Buch wie Hans-Peter Kehlenbach als Zuhörer zitierte. Die Sprachlosigkeit in der Familie zieht sich wie ein roter Faden durch deren Leben und die Mutter findet erst den Mut, ihrem Sohn von der Vergewaltigung zu erzählen, als dieser tot in ihren Armen liegt. Überaus passend zu dieser Dramatik sang Christine Munger unter anderem „Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen“, begleitet von Christoph Gollinger am Klavier.
Typisch für die ältere Generation
Dass gesprochen wird über dieses Buch, ist allen Teilnehmern ein Anliegen – auch gerade mit jungen Menschen, denen die Geschehnisse dieser lang zurückliegenden Zeiten wie Erlebnisse von einem anderen Stern erscheinen müssen, wie ein Zuhörer meinte. Die Zeit, in der das Buch spielt, liegt lange zurück, aber das Trauma der Hauptperson ist aktuell, wie im Hinblick auf die Flüchtlinge und deren Erlebnisse angemerkt wurde.
Typisch für die ältere Generation war, Ärmel hochkrempeln und immer weitermachen – und genauso macht es auch der Literaturkreis zusammen mit dem Kulturbüro.