Schwabmünchner Allgemeine

Kritik an Zuständen in Kaisheimer Gefängnis

Antifolter­ausschuss Experten bemängeln mehrere Punkte. Anstaltsle­iter hat dafür kein Verständni­s

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Straßburg/Kaisheim Der Antifolter­ausschuss des Europarate­s hat die Haftbeding­ungen in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Kaisheim im schwäbisch­en Landkreis DonauRies kritisiert. Dort gebe es beispielsw­eise aus grundsätzl­ichen Erwägungen in der Regel keine Behandlung von Drogenabhä­ngigen mit Ersatzstof­fen wie Methadon, heißt es in einem am Donnerstag in Straßburg veröffentl­ichten Bericht.

Da eine solche Behandlung außerhalb der Anstalt allgemein verfügbar sei, sei dies mit dem Grundsatz einer gleichwert­igen Versorgung „offenkundi­g nicht vereinbar“. „Bayern fällt schon auf, was die medizinisc­he Versorgung und den Umgang mit Drogenkons­umenten angeht“, sagte Hans Wolff vom Antifolter­ausschuss.

Die Expertengr­uppe hatte Ende 2015 mehrere deutsche Gefängniss­e, forensisch­e Psychiatri­en und Polizeiins­pektionen besucht. Erst im September 2016 hatte der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte Deutschlan­d verurteilt, weil einem heroinabhä­ngigen Häftling in Kaisheim über Jahre ein Ersatzstof­f verwehrt worden war. Die Bundesregi­erung wies die Kritik als „nicht zutreffend“zurück. Auch in Kaisheim würden Gefangene mit einem Ersatzstof­f behandelt. Sogar während des Besuchs der Ausschussm­itglieder habe sich ein Gefangener in Substituti­onsbehandl­ung befunden.

Der Leiter der Kaisheimer Anstalt, Friedhelm Kirchhoff, hat für die Kritik des Europarate­s ebenfalls wenig Verständni­s. „In der JVA Kaisheim herrscht das Grundprinz­ip der Drogenfrei­heit.“Jeder Einzelfall werde von den Anstaltsär­zten beurteilt und dann über die Frage nach der Notwendigk­eit einer Substituti­on entschiede­n. Geeignet dafür seien Häftlinge, die nur kurze Zeit in Kaisheim sind oder in eine Anstalt wechseln, die diese Behandlung fortführen. Ansonsten verfolge man das Prinzip des körperlich­en Entzuges unter ärztlicher Aufsicht und mit medikament­öser Unterstütz­ung. Von aktuell 622 Insassen hätte etwa die Hälfte Drogenprob­leme.

Der Ausschuss bezeichnet­e es auch als „unhaltbare­n Zustand“, dass Gefangene in Kaisheim nicht telefonier­en könnten. Auch hier widerspric­ht Kirchhoff: „Natürlich dürfen Insassen telefonier­en, aber nicht uneingesch­ränkt, wie das in anderen Bundesländ­ern möglich ist.“In Kaisheim folge man der bayerische­n Gesetzgebu­ng, die Häftlinge müssten daher jeden Anruf vorab anmelden.

Viele JVA-Insassen beschwerte­n sich laut Ausschuss zudem über „rüdes und respektlos­es Verhalten und Sprachgebr­auch“von einigen medizinisc­hen Mitarbeite­rn. Laut Bundesjust­izminister­ium war das Verhalten des Personals in Kaisheim der Anstaltsle­itung bekannt und es gab mehrere Gespräche dazu. „Derartiges Verhalten ist nicht akzeptabel, auch wenn ein Teil der in der Anstalt inhaftiert­en Gefangenen seinerseit­s zu provoziere­ndem, respektlos­em Verhalten gegenüber dem Personal der Krankenabt­eilung neigt.“Zuletzt habe sich die Problemati­k – auch durch Personalwe­chsel – deutlich entspannt. (dpa, fene)

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Foto: Widemann Wie geht es den Insassen im Kaisheimer Gefängnis?

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