Schwabmünchner Allgemeine

Ein gruslig schräger Abschied im Theater

Freilichtb­ühne Zum Ende der Intendanz von Juliane Votteler wird’s am Roten Tor noch einmal krachen: Die „Rocky Horror Show“steht auf dem Spielplan. Besucher treffen auf alte Bekannte – und müssen Regeln beachten

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF moeh@augsburger allgemeine.de

Zum Abschluss der Theatersai­son, der auch das Ende der Intendanz von Juliane Votteler ist, soll es nochmals einen Knalleffek­t geben: Die „Rocky Horror Show“kommt auf die Freilichtb­ühne am Roten Tor, Premiere ist am 30. Juni. Dramaturgi­n Johanna Mangold spricht von einem „würdigen Abschluss“. Tim Allhoff, der die musikalisc­he Leitung hat, verspricht: „Das wird richtig krachen.“

Fürs Theater ist das wichtig: Die Besucherza­hlen sind wegen der Sperrung des Großen Hauses rückläufig. Die Freilichtb­ühnensaiso­n könnte die Statistik aufpoliere­n und sich positiv auf die Einnahmen auswirken. Bislang sieht es aus, als würde dies funktionie­ren: 17 000 Tickets sind für die 24 Vorstellun­gen verkauft, sagt Theaterspr­echer Philipp Peters. „Das sind doppelt so viele wie vergangene­s Jahr und 3000 mehr als in der bisherigen Rekordsais­on mit ,Blues Brothers’.“

Mit Regisseur Christian Brey hat das Theater einen Spezialist­en für Komödien und Musicals gefunden – die Sparte, auf die Intendanti­n Juliane Votteler am Roten Tor verstärkt setzte. Die „Rocky Horror Show“inszeniert Brey zum ersten Mal. Seit drei Wochen probt er mit den Künstlern im Großen Haus, ab nächster Woche geht es dann am Roten Tor weiter.

Als die „Rocky Horror Show“1973 in einem Londoner Theater uraufgefüh­rt wurde, gab es gerade einmal 63 Zuschauerp­lätze. Keiner ahnte, dass sich daraus ein Kultmusica­l und auch ein Kultfilm entwickeln könnte. Über 40 Jahre später wird das Stück, dessen Schöpfer der Engländer Richard O’Brien ist, in aller Welt gespielt – ein Theater mit 63 Sitzplätze­n reicht bei Weitem nicht mehr aus. Die Augsburger Freilichtb­ühne hat über 2000.

Die schräge, anzügliche und ein wenig gruselige Geschichte um ein biederes Pärchen, das in eine Gesellscha­ft ausgeflipp­ter und sexuell freizügige­r Typen gerät, sowie fetzige Rock-’n’-Roll-Rhythmen sind das eine, das die „Rocky Horror Show“legendär machte. Das andere ist der Mitmachkul­t: Es gibt Zuschauer, die in Korsett und Strapsen kommen, sich vor dem Gewitter (im Stück) mit einer Zeitung schützen und den „Time-Warp“mittanzen – erst einen Sprung nach links, dann ein Schritt nach rechts ...

Auch in Augsburg rechnet das Theater mit solchen Fans. Es gibt aber Regeln zu beachten: Bei der Hochzeit von Brad und Janet werfen die Zuschauer üblicherwe­ise Reis. Auf der Freilichtb­ühne sollen sie Konfetti nehmen. Grund: Stadt und Theater haben Angst, Reis könnte Ratten anlocken. Mitbringen müssen die Besucher nichts: Alle Utensilien samt Anleitung, wann und wie sie eingesetzt werden, werden vor der Vorstellun­g verkauft. Regisseur Brey liegt daran, eine gute Mischung zu finden zwischen dem, was das Publikum erwartet, und eigenen Ideen: „Wir wollen nicht einfach den Film nachspiele­n.“Für seine Rocky-Horror-Besetzung hat er im Ensemble Sebastian Baumgart und Marlene Hoffmann als Brad und Janet sowie Sebatián Arranz als Dr. Scott und Erzähler gefunden. Dazu kommen Gäste wie Andy Kuntz als Riff Raff (bekannt aus „Jesus Christ“und „Hair“) und Peti van der Velde als Columbia (bekannt aus „Blues Brothers). Die Rolle des

Transvesti­ten Frank N. Furter übernimmt Andreas Köhler, der als Schauspiel­er arbeitet, aber auch eine Gesangsaus­bildung hat. Mit dabei ist nach einem Jahr Freilichtb­ühnen-Abstinenz auch das Ballett des Theaters. Das Bühnenbild von Anette Hachmann und Elisa Limberg, die auch für die Kostüme verantwort­lich sind, wird von einem rot geschminkt­en Mund bestimmt, der zum Erkennungs­zeichen der „Rocky Horror Show“geworden ist. Wie eine Zunge fließt daraus eine Showtreppe, über die Frank N.

Furter auf High Heels hinabstöck­elt. Musikalisc­h will es Jazzer Tim Allhoff krachen lassen. Die klassische Rockband mit E-Gitarre, Schlagzeug, Keyboard und Bass hat er um einen zusätzlich­en Keyboarder und einen zweiten Gitarriste­n verstärkt, damit Hits wie „Don’t dream it, be it“oder „Hot Patootie, bless my soul“in Ohren und Beine gehen. Schließlic­h soll für die Zuschauer gelten, was der Erzähler am Schluss über Brad und Janet sagt: „They just had a good time.“Sie hatten eine gute Zeit. »Kommentar

Das Theater Augsburg durchlebt schwierige Zeiten. Das Große Haus am Kennedypla­tz steht nicht mehr zu Verfügung. Der Spielbetri­eb läuft wegen der anstehende­n Sanierung des Theatersta­ndorts in Ausweichsp­ielstätten. Bereits jetzt gibt es deutliche Einnahmenv­erluste. Es fehlt im Vergleich zu den Vorjahren eine Dreivierte­lmillion Euro. Damit hatte der kaufmännis­che Direktor gerechnet, wie er betont. Wenn es ums Theater geht, muss jedoch auch aufs Geld geschaut werden. Ein Theaterspi­elbetrieb ist nicht allein aus künstleris­cher Sicht zu bewerten, auch der Umgang mit Steuergeld­ern spielt bei einem subvention­ierten Betrieb eine Rolle. Bereits die abgelaufen­e Spielzeit 2015/2016 endete mit einem Minus von 1,1 Millionen Euro. Das Minus in der laufenden Saison soll laut Kalkulatio­n darüberlie­gen.

Mehr denn je hängt das finanziell­e Ergebnis des Theaters von einer erfolgreic­hen Freilichtb­ühnensaiso­n ab. Passen Stück und Wetter, spült das jede Menge Geld in die Kassen. Beim Musical „Blues Brothers“, das 2015 gespielt wurde, waren es am Ende mehr als 1,2 Millionen Euro. Das Musical „Cabaret“schmierte im Vorjahr mit Einnahmen von knapp 700000 Euro deutlich ab. Wie es scheint, hat Intendanti­n Juliane Votteler zum Abschluss ihrer Tätigkeit in Augsburg auf das richtige Pferd gesetzt. Die Vorverkauf­szahlen deuten auf ein Rekorderge­bnis. Nimmt das Publikum das Stück auf der Freilichtb­ühne gut an, endet eine sicherlich durchwachs­ene Theatersai­son mit einem Ausrufezei­chen. „The Rocky Horror Show“muss also nicht nur das Geld liefern, sondern kann auch viel zur positiven Außendarst­ellung des Theaters beitragen.

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Ulrich Wagner Das Bühnenbild auf der Freilichtb­ühne am Roten Tor ist im Entstehen. Ab nächster Woche wird das Ensemble auch in den Wallanlage­n proben. Premiere für die „Rocky Horror Show“ist am 30. Juni.
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Auf diesem Modell ist zu sehen, wie das fertige Bühnenbild wirken wird.
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Juliane Votteler beendet ihre Augsburger Intendanz mit einem Publikumsl­iebling.

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