Monterey ist heut überall…und nirgends
Pop Festivals „Rock im Park“, „Rock am Ring“: An diesem Wochenende beginnt die Zeit der großen Open Airs. Es ist eine Jubiläumssaison. Vor 50 Jahren wurde diese Jugendkultur in Kalifornien geboren. Was ist daraus geworden?
Auf der Einladung stand damals: „Be happy, be free; wear flowers, bring bells – have a festival.“Und tatsächlich wollten ganz schön viele Menschen frei und glücklich sein. Sie schmückten sich nicht nur mit Blumen, sondern auch mit Indianerfedern und wehenden Kleidern, brachten nicht nur Sachen mit, die in den Händen klingeln. Ja, an jedem der annoncierten drei Tage wollten schließlich 60000 bis 90000 Menschen ein Festival erleben, wie es bis dato nur eines für Folkmusiker gab, in Newport auf Rhode Island, dort, wo Bob Dylan im Jahr zuvor erstmals zur E-Gitarre gegriffen hatte. Und so fand im Juni 1967, ein Jahr vor Woodstock, tatsächlich das erste Pop-Festival der Geschichte statt – nicht zufällig in Monterey. Es lag nur hundert Meilen von San Francisco entfernt, wo in jenem Jahr alles seinen Ausgang nahm: mit den Hippies und ihrem ohnehin sehr musikalischen Summer of Love…
Heute, 50 Jahre später, gehören Open Airs längst zum festen Inventar der globalen Jugendkultur. Traditionell beginnt an diesem ersten Juni- Wochenende die Saison in Deutschland gleich mit Top-Events, den Zwillingsfestivals „Rock im Park“in Nürnberg und „Rock am Ring“in der Eifel. Es ist alljährlich ein organisatorisches Riesenprojekt, das zusammen über 150 000 Zuschauer anlockt. Es ist auch heuer wieder ausverkauft – bei Ticketpreisen von über 200 Euro für ein breit gefächertes Musikangebot, gekrönt von drei Bands der ersten Liga. Dieses Jahr: Rammstein, System Of A Down, Die Toten Hosen.
Was für ein umkämpftes Geschäft diese Event-Branche ist, hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt: Zusätzlich zu den arrivierten GroßOpen-Airs wie den Zwillingen „Hurricane“im Norden und „Southside“im Süden, wie dem „Wacken Open Air“auch, hat sich eine weitere Doppelveranstaltung zu etablieren versucht: „Rockavaria“im Münchner Olympiastadion und „Rock im Revier“, das zunächst wie eine direkte Kampfansage für den angestammten Ort von „Rock am Ring“am Nürburgring geplant war, dann aber in die Arena auf Schalke ausweichen musste. Nach zwei Auflagen ist der Zwilling nun aber schon wieder Geschichte. seien einfach nicht mehr genug Bands für ein erstklassiges Programm auf dem Markt gewesen, hieß es – und nun findet „Rock am Ring“nach zwei von Unwettern geprägten Ausgaben samt Blitzeinschlag, Verletzter und Festivalabbruch in Mendig auch wieder an seinem Geburtsort statt. Aber die Tendenz bleibt: Ein profitabler Entertainment-Markt verdichtet sich regional, national und international immer weiter – gerade in Zeiten, da mit Musik von Platte immer schwieriger Geld zu verdienen ist, die Menschen für Konzerte aber vergleichsweise gerne und auch tief in die Tasche greifen. Umso teurer werden für die Veranstalter aber auch die gefragten Bands…
Die Band-Probleme in Monterey waren da noch anderer Natur. Denn hier wollten so gut wie alle einfach dabei sein, Mick Jagger und Paul McCartney, Donovan und Paul Simon, The Mamas and The Papas und Brian Wilson organisierten sogar selbst mit, um ein gemeinsames Zeichen für diesen Sommer der Liebe und die Popmusik zu setzen und spielten auch ohne Gage – wenn sie spielten. Aber mochten die Beatles auch fehlen, weil die nicht mehr live auftreten wollten, und die Rolling Stones, weil Jagger und Keith Richards gerade zu Hause in einem Drogenprozess steckten, mochten die Beach Boys, Neil Young und Cream kurzfristig verzichten: Es blieben noch reichlich Auftritte in Nachmittags- und Abendprogrammen zu Kartenpreisen zwischen jeweils drei und 6,50 Dollar.
Unter den 30 Auftritten: Greatful Dead und Jefferson Airplane, Simon & Garfunkel und The Byrds, der indische Sitar-Virtuose Ravi Shankar und Otis Redding, der Soulsänger aus Georgia. Janis Joplin trat sogar doppelt auf, nachdem sie zunächst am Boden zerstört war, weil ihr inspirierter Auftritt zunächst nicht mitgefilmt worden war. Sie konnte dann aber doch überzeugt und zur Wiederholung überredet werden: „Ball and Chain“, ein Hit dieses ersten Festivals. Und zwischen The Who und dem bis dato nahezu unbekannten Jimi Hendrix entwickelte sich ein nettes Spielchen, weil Pete Townshend von The Who fürchtete, der Gitarrist und Sänger stehle ihnen aufgrund seines Talents und seiner Angewohnheit, Instrumente auf der Bühne zu zerstören, im Vorprogramm die Schau. Aber wie sollEs ten die Kontrahenten das klären, da Jimi doch schon so high war, dass er nun noch Faxen machte? Also wurde eine Münze geworfen, Hendrix verlor, The Who spielten zuerst und zerstörten beim Konzert gleich ihr komplettes Equipment. Der junge Jimi begeisterte danach die Massen trotzdem – nicht nur, weil er seine Gitarre anzündete, sondern weil er ihr zuvor Töne entlockt hatte, die kaum jemand zuvor gehört hatte. Es war die Feier einer neuen künstlerischen Avantgarde aus den USA und Großbritannien, der musikalische Höhepunkt des Sommers der Liebe, ein Fanal der Hippiebewegung, die nun weltweit zu wirken begann. Es blieb eine einmalige Veranstaltung für „Peace and Love“…
Seitdem ist die Revolution in Serie gegangen, über alle Sparten hinweg zu Spaß und Geschäft geworden, zu einem Ritual des kontrollierten Ausnahmezustands – wie Fasching. Eine bahnbrechende musikalische Neuerung unter freiem Himmel auf dem halben Weg ins Heute waren riesige Techno-Umzüge wie die Love Parade in Berlin, initiiert als politische Demonstration. Unter dem Motto: Friede, Freude, Eierkuchen.