Bierzeltrede
Angela Merkel im Bierzelt – das ist kein Heimspiel und das Gegenteil von Fisch im Wasser. Man könnte sich, um das Fremdeln zu illustrieren, auch Donald Trump auf der Lindauer Nobelpreisträgertagung, Thomas Tuchel als Wrestler oder Roberto Blanco als Tannhäuser vorstellen. Zwar weiß die Kanzlerin einen Bierkrug zu halten, doch sieht es bei ihr immer so aus, als habe ihr jemand ein sediertes Eichhörnchen in die Hand gedrückt.
Dass nun ausgerechnet Angela Merkel, die nach bayerischer Lesart bestenfalls an einem Wolfratshauser Frühstückstisch derb zu taktieren versteht, eine historische Bierzeltrede hält, deren Echo oins, zwoi, drei durch die Welt schwappt, erstaunt viele Beobachter. Und demütigt jeden bayerischen Politiker, der sich im Bierzelt zwanghaft als FJS-Imitator abstrampelt. Denn die rhetorische Kraftanstrengung der Kanzlerin und ihr Redetemperament waren überschaubar wie ein Noagerl – ihre Tonlage ging eher in Richtung Rühren im Milchkaffee denn Poltern von Maßkrügen auf Holz. Doch ihr auf die USA unter Trump gemünzter Bierzeltredensatz „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei“, trudelte aus dem Truderinger Zelt in die Weltöffentlichkeit und schlug dort Wellen. Das dürfte die selbst ernannten Weltmeister der Bierzeltrede, bayerische Politiker, besonders hart getroffen haben. Denn offenbar hat Merkel – und das nicht nur ein Stück weit – ein Naturgesetz außer Kraft gesetzt, das bisher immer gegolten hatte: Eine Bierzeltrede muss schäumen, sie muss reinhauen wie die dritte Maß, sie muss Schweißflecken erzeugen, Grunzen und Gejohle – aber eben auch so schnell verflogen, verdampft und vergessen sein wie der Rausch des Augenblicks und der Nibelungenkater an Aschermittwoch. Nun das: „Merkels Bierzeltrede“wird zum stehenden Begriff. In den Geschichtsbüchern wird der Beginn von Europas selbstbewusstem Fingerhakeln mit den USA auf ewig in einem Bierzelt verortet bleiben. Man darf anerkennen, dass Merkel sich im Wesentlichen an jene Bierzeltrednergrundsätze gehalten hat, die der Münchner ExOberbürgermeister Christian Ude einmal so formuliert hatte: „Zahlen, Relativsätze und lange Gedankengänge haben im Bierzelt keine Chance.“Wie Ude damit nebenbei auch noch Trumps Twitter-Philosophie vorwegnehmen konnte, ist auch so ein Rätsel, aber großartig.