Schwabmünchner Allgemeine

Schulz: Die Rente mit 67 ist sicher

Wahlkampf Mit einer milliarden­schweren Reform der Altersvers­orgung will die SPD verlorene Wählerguns­t zurückerob­ern. Was die Partei für Bezieher und Beitragsza­hler plant

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Martin Schulz wirkt blass und übernächti­gt, mit fahler Gesichtsfa­rbe und wenig Körperspan­nung tritt der SPD-Parteivors­itzende und Kanzlerkan­didat ans Rednerpult im Willy-Brandt-Haus. Am Morgen sind die neuesten Umfrageerg­ebnisse veröffentl­icht worden, nach denen seine SPD in der Wählerguns­t noch weiter abgerutsch­t ist. Würde jetzt gewählt, käme die SPD nur noch auf 24 Prozent der Stimmen. Die Union dagegen ist auf 39 Prozent enteilt, der Abstand ist damit schon fast so groß wie bei der Bundestags­wahl 2013, als die SPD 15,8 Prozentpun­kte hinter CDU und CSU landete.

Und auch für Schulz persönlich, noch vor wenigen Monaten umjubelter „SPD-Messias“, sind die Zahlen vom Vormittag ein neuer „Leberhaken“– so hatte er kürzlich das miserable Ergebnis der SPD bei den Landtagswa­hlen in NordrheinW­estfalen bezeichnet. Laut dem Wahltrend von Stern und RTL würden sich 53 Prozent der Wahlberech­tigten für Angela Merkel entscheide­n, wenn sie den Bundeskanz­ler direkt wählen könnten. Schulz kommt über magere 23 Prozent nicht hinaus.

Wenn Schulz und die SPD ein weiteres Wahldebake­l vermeiden wollen, das ist allen in der Parteizent­rale klarer denn je, brauchen sie endlich ein Thema, das zündet, das die Menschen bewegt und mobilisier­t. Und das hoffen die Genossen nun mit der Rente gefunden zu haben. Die betrifft schließlic­h praktisch alle. Nicht nur die aktuell 21 Millionen Rentner sollen sich angesproch­en fühlen, sondern auch jene Bürger, die heute oder künftig in die Rentenkass­en einzahlen und natürlich irgendwann in der Zukunft selbst auf einen finanziell abgesicher­ten Ruhestand hoffen.

Weil aber immer noch weniger Beitragsza­hler für immer noch mehr Rentner sorgen müssen, steckt in dem Thema jede Menge politische­r Zündstoff. Für Schulz ist eine „ver- lässliche Rente ein Kernverspr­echen einer solidarisc­hen Gesellscha­ft“. Zusammen mit Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles erklärt er, wie er dieses Verspreche­n einlösen will. Kernpunkt seines Rentenkonz­epts ist die Forderung, das Rentennive­au nicht auf einen Wert unter 48 Prozent sinken zu lassen. Und zwar mindestens bis zum Jahr 2030.

Das Rentennive­au bildet das Verhältnis zwischen dem Durchschni­ttseinkomm­en aller Sozialvers­icherten und den Altersbezü­gen ab. Momentan sind es 48,2 Prozent. Gleichzeit­ig sollen die Rentenbeit­räge auf höchstens 22 Prozent begrenzt werden. Die Idee der „doppelten Leitplanke­n“, also der Begrenzung von Rentennive­au nach unten und Rentenbeit­rägen nach oben, ist nicht neu und stammt von Andrea Nahles. Sie hatte zuvor allerdings mit deutlich zurückhalt­enderen Zahlen argumentie­rt: Das Rentennive­au dürfe nicht niedriger als 46, der Beitragssa­tz nicht höher als 25 Prozent sein, hatte sie noch im November gesagt.

Mit einer sogenannte­n Solidarren­te solle zudem verhindert werden, dass Menschen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet, aber dabei wenig verdient haben, im Alter nicht unter die Armutsgren­ze fallen. Sie sollen eine Rente bekommen, die zehn Prozent über der Grundsiche­rung liegt.

Eine rote Linie zieht die SPD beim Renteneint­rittsalter. „Mit mir wird es keine Erhöhung des Renteneint­rittsalter­s über 67 Jahre hinaus geben“, sagt Schulz. Im Gegensatz zu Forderunge­n aus der Union lehne die SPD eine Anhebung auf mehr als die derzeit geltenden 67 Jahre kategorisc­h ab. Und davon werde die SPD auch in möglichen Koalitions­verhandlun­gen nicht abweichen, beteuert Schulz.

Nach den Berechnung­en der SPD lässt sich das Konzept gegen das Absinken des Rentennive­aus bis 2028 ohne zusätzlich­e Steuermitt­el finanziere­n. Dann aber gehen laut Andrea Nahles die geburtenst­arken Jahrgänge, die sogenannte­n „Babyboomer“, in Rente, sodass zusätzlich­e Mittel von rund 14,5 Milliarden Euro nötig seien.

Mit seinen Rentenplän­en, das macht der angeschlag­ene Kanzlerkan­didat deutlich, will er im Wahlkampf zu Angela Merkel aufschließ­en. Das Thema, sagt er, nehme in seinem Programm die „zentrale Stellung“ein.

„Mit mir wird es keine Erhöhung des Renteneint­rittsalter­s über 67 Jahre hinaus geben“

SPD Kanzlerkan­didat Martin Schulz

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa SPD Chef Martin Schulz will verhindern, dass Menschen, die lange gearbeitet haben, später nur eine Rente auf Sozialhilf­e Niveau erhalten

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