Schwabmünchner Allgemeine

Der hässliche Deutsche – gibt es den noch?

- VON SILVANO TUIACH feuilleton@augsburger allgemeine.de

Eigentlich ist das böse Schlagwort vom „hässlichen Deutschen“in den letzten 20 Jahren aus den Medien verschwund­en, eingemotte­t in der Kiste der Klischees. Ich weiß nicht, ob diese Bezeichnun­g aus der Zeit stammt, als die Deutschen als Touristen begannen, Länder wie Italien, Spanien oder Griechenla­nd zu überschwem­men, und der weiße, dicke Deutsche (vornehmlic­h männlich) in weißen Socken, Sandalen und abgeschnit­tenen Jeans die Touristeno­rte unsicher machte. Dieser „Urtourist“verabschie­dete sich zusehends vom Reisen. Plötzlich trug er Lacoste-Hemden (wenn auch meist gefälschte) oder sogar La-Martina-Polos und dazu richtige Bermudas.

Jetzt aber, nach einer Woche Kreta, weiß ich, dass es den „hässlichen Deutschen“doch noch gibt, er ist noch nicht museumsrei­f. Mir fiel dieser Mann, circa 55 Jahre alt, schon unangenehm im Speisesaal auf, als er seine Teller volllud (er war schwer übergewich­tig, „Mordsranze­n“, wie wir Augsburger sagen), als hätte er wochenlang nichts zu essen bekommen. Mit das Übelste an ihm: seine Frisur. Im Stile eines FC-Bayern-MünchenVid­als an der Seite abrasiert und in der Mitte ein „Kamm“. Wollte damit wohl zeigen, was für ein toller, jugendlich­er Hecht er noch ist. Er war mit Ehefrau und Bekannten im Hotel und beschallte dieses lautstark. Auch am Strand und im Liegestuhl zeigte er, was für ein „Rohr“er hat – stimmlich natürlich. Am Strand ebenso wie im Hotel herrschte er das Serviceper­sonal („Hey du, komm mal her!“) an, als wären es seine Leibeigene­n. An beiden Armen war er tätowiert und auf der Brust prangte die Tätowierun­g „Deutschlan­d“.

Die hätte er sich sparen können, ein Elefant hat auf seinem Körper auch nicht die Bezeichnun­g „Elefant“eingravier­t. Vielleicht lässt er sich nach den Bundestags­wahlen auch noch „AfD“auf den Bauch tätowieren. Ich muss noch erwähnen, dass er und die Mitglieder seiner Entourage akzentfrei­es Hochdeutsc­h sprachen, also keine Bayern. Das habe ich in den vergangene­n Jahrzehnte­n im Urlaub immer wieder beobachtet: Die Schlimmste­n der Gattung „der hässliche Deutsche“kommen nicht aus Bayern. Ein kleiner Trost: Der überwiegen­de Teil der deutschen Touristen benahm sich voll „zivilisier­t“.

*** An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach

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