Eine Zeitschrift als Anwalt der Kinder
Jubiläum Das Augsburger Heft „Leben und Erziehen“feiert seinen 65. Geburtstag. In den Jahren haben sich die Themen des Elternmagazins verändert. Nur eines ist stets gleich geblieben
Wie erziehe ich mein Kind richtig? Antworten auf diese Frage gibt die Zeitschrift „Leben und Erziehen“, herausgegeben von der Augsburger Mediengruppe Bayard, inzwischen seit 65 Jahren. Mit der diesjährigen Juni-Ausgabe feiert das Elternmagazin diesen Geburtstag. Natürlich hat sich seitdem Wesentliches verändert – in den Familien und damit auch in der Zeitschrift.
Man erkennt das schon auf den ersten Blick: Waren die ersten Ausgaben noch in schwarz-weiß und textlastig, sind die Seiten heute bunt gestaltet und die Artikel mit großflächigen Bildern geschmückt. Und wo dereinst neben Beiträgen über Kindererziehung Cognac beworben wurde, finden jetzt Anzeigen für Autositze und Kinderwagen Platz. Vor allem aber wurden die Themenbereiche enger gefasst.
Bis in die 90er Jahre bemühten sich die Macher der Zeitschrift, die Erziehung eines Kindes vom ersten Lebensjahr bis zur Volljährigkeit zu begleiten.
Inzwischen konzentriert sich die Zeitschrift auf Kinder bis zur Einschulung. „So kann man konkretere Schwerpunkte setzen“, sagt Chefredakteurin Martina Kaiser. Genauso ist der Ton ein anderer geworden: Früher saßen in den Redaktionen ausschließlich Männer.
Sie belehrten die Mütter, wie Erziehung zum gewünschten Erfolg führe. „Heute begegnen wir unseren Leserinnen auf Augenhöhe“, sagt Kaiser. So entstehen auch die Themen der jeweiligen Ausgabe durch den direkten Austausch mit den Lesern. In der „Telefonsprechstunde“erfahren die Redakteure, welche Erziehungsfragen die Eltern gerade besonders beschäftigen.
Dabei fällt Martina Kaiser auf, dass der Anspruch der Eltern an sich selbst größer geworden ist. „Früher wohnte im Haus noch Tante und Oma. Da hat man sich schlicht gemeinsam um die Kinder gekümmert.“
Heute dagegen seien frischgebackene Mütter meist um die 30, berufstätig und wohnen mit ihrem ebenfalls arbeitenden Partner zusammen. Eine Schwangerschaft sei dann meist eine bewusste Entscheidung. Mit dem Kind wollen die Eltern dann alles richtig machen. „Wir wollen da lieber ein bisschen Druck rausnehmen“, sagt Kaiser. „Förderung ist gut, aber sie muss dem Kind Spaß machen.“
Man wolle kein Ratgeber für ein durchoptimiertes Kind sein. Sondern für die glückliche Familie. In den ersten Ausgaben waren die Ratschläge da strenger, konservativer. Dennoch verstand sich „Leben und Erziehen“seit jeher als Anwalt der Kinder.
Schon in den sechziger Jahren verurteilte die Zeitschrift die Prügelstrafe als „Armutszeugnis“.
Ein weiteres Ziel der Zeitschrift: die Auflockerung der klassischen Rollenverteilung. Die Redaktion unterstützt diese Tendenz durch Beiträge, die gerade auch für erwerbstätige Mütter relevant sind. Wie findet man einen geeigneten Kindergartenplatz? Warum sollte man nicht zehn Jahre aus dem eigenen Beruf draußen sein? Wie organisieren Väter ihre Elternzeit?
Damit scheint die Zeitschrift nahe an den Themen der Eltern. Mit Stolz verkündet Horst Ohligschläger, Geschäftsführer der Bayard Mediengruppe, dass „Leben und Erziehen“die einzige Elternzeitschrift sei, dessen Leserzahlen wachsen.
Die Abonnementauflage ist stabil. Auch die Digitalisierung empfinde man nicht als Bedrohung, im Gegenteil. Inzwischen erreiche man die meisten neuen Leser durch die Präsenz in sozialen Netzwerken. Diesen Trend habe man also durch innovative Weiterentwicklung gemeistert, sagt Ohligschläger.
Etwas fällt jedoch auf. Trotz der Bemühung seit der ersten Ausgabe um ein modernes Familienbild, hat sich ein Detail in 65 Jahren nie geändert: Die Leser der Erziehungszeitschrift sind größtenteils weiblich.