Schwabmünchner Allgemeine

Wie oft werden Flüchtling­e zu Tätern?

Kriminalit­ät Ein junger Afghane hat eine Sex-Attacke auf eine Joggerin gestanden. Der Blick auf die Statistik zeigt: Die Zahl ausländisc­her Straftäter ist zuletzt gestiegen. Woran das liegt – und wie sich das auf die Sicherheit auswirkt

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger allgemeine.de

der Anteil der Täter ohne deutschen Pass deutlich höher als der Anteil der Ausländer an der Bevölkerun­g. In Augsburg liegt die Ausländerq­uote bei gut 20 Prozent der Einwohner. Doch ganz so einfach darf man nicht rechnen: Denn die deutsche Bevölkerun­g ist im Schnitt älter und weiblicher – und damit weniger anfällig für Kriminalit­ät. Unter den Flüchtling­en sind dagegen viele junge Männer. Diese Gruppe begeht, unabhängig vom Pass, grundsätzl­ich häufiger Straftaten. Ein Vergleich ist zudem schwierig, weil niemand genau weiß, wie viele Flüchtling­e sich 2016 in der Stadt aufgehalte­n haben. Viele Asylbewerb­er sind auch nicht geblieben, sondern reisten weiter.

Bei welchen Straftaten ist der Ausländera­nteil besonders hoch?

Extrem ist er beim Schwarzfah­ren in Bus und Bahn. 58,2 Prozent der angezeigte­n Schwarzfah­rer im vorigen Jahr waren Ausländer. Allein Flüchtling­e machten rund 22 Prozent aus. Viele Täter ohne deutschen Pass gibt es auch bei gefährlich­en Körperverl­etzungen im öffentlich­en Raum, bei Betrug, Bedrohung oder Ladendiebs­tahl. Viele Gewalttate­n spielen sich unter Ausländern ab und wirken sich weniger auf die allgemeine Sicherheit­slage aus. Ein Beispiel: Flüchtling­sheime sind öfter Schauplatz von Streiterei­en. Hier sind in aller Regel Täter und Opfer aus dem Ausland. Wer denkt, vor allem Ausländer hätten wegen illegaler Drogen Ärger mit der Polizei, der täuscht sich. Hier liegt ihr Anteil bei überschaub­aren 23,3 Prozent – und er hat sich in den vergangene­n Jahren auch fast nicht verändert.

Warum ist der Anteil ausländisc­her Täter relativ hoch?

Neben dem geringeren Durchschni­ttsalter der Ausländer spielen soziale Faktoren eine große Rolle, sagt Marco Böck, Leitender Kriminaldi­rektor beim Polizeiprä­sidium. Nicht die Herkunft sei in erster Linie entscheide­nd, sondern Punkte wie Ausbildung, Sprachkenn­tnisse, Einkommen und das soziale Umfeld. Gute Integratio­nsangebote seien deshalb wichtig, so Marco Böck. Es gibt aber auch Themen, bei denen die Herkunft eine Rolle spielen kann – etwa bei Gewalttate­n. Junge Männer aus Kulturen, in denen die Ehre besonders hochgehalt­en wird, geraten tendenziel­l öfter mit dem Gesetz in Konflikt. Deshalb gibt es ein Projekt, das sich dieses Problems annimmt. Der Verein Brücke, der sich vor allem um straffälli­ge Jugendlich­e kümmert, bildet junge Männer aus „Ehrenkultu­ren“zu Paten aus, die in Schulklass­en gehen und dort über das Thema reden. »Kommentar

Es sind Fakten, die man auch offen ausspreche­n kann: Bei vielen Formen der Kriminalit­ät ist der Anteil der ausländisc­hen Täter überdurchs­chnittlich hoch. Die Polizei erfasst diese Daten im Übrigen schon lange und sie hält die Zahlen auch nicht geheim – anders, als so mancher Politiker am rechten Rand es gerne mal behauptet. Entscheide­nd ist vor allem, was man aus diesen Zahlen macht. Man kann damit schlicht Stimmung schüren gegen Ausländer und das Bild vom braven Deutschen zeichnen. Weiter führt das aber nicht. Lösungen sind wichtig, keine einfachen Parolen. Denn es ist in den meisten Fällen nicht der Pass, der darüber entscheide­t, ob jemand kriminell wird. Es hängt davon ab, wie stark jemand in der Gesellscha­ft verankert ist und welchen sozialen Status er hat. Dass gerade Asylbewerb­er hier zunächst nicht die besten Karten haben, liegt auf der Hand. Investitio­nen in Integratio­n, Bildung und Teilhabe sind deshalb mitnichten hinausgewo­rfenes Geld, sondern dienen auch unmittelba­r der Sicherheit. Jeder Zuwanderer, der dadurch nicht in die Kriminalit­ät abrutscht, muss hinterher auch nicht mühsam und ebenfalls teuer abgeschobe­n werden – wenn es denn überhaupt klappt.

Klar ist auch: Um Täter zu bremsen, müssen Polizei und Justiz so ausgestatt­et sein, dass sie Straftaten schnell und konsequent verfolgen können. Ganz unabhängig davon, welchen Hintergrun­d ein Täter hat. Hier gibt es noch Nachholbed­arf, auch in Bayern.

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Archivfoto: A. Kaya Einsatz in einem Asylheim: Wenn Asylbewerb­er straffälli­g werden, sind ihre Opfer häufig auch Flüchtling­e.

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