Ein revolutionäres Verfahren
Kulturerbe Die moderne Technik hat ein enormes Potenzial für den Denkmalschutz. Ein Pionier solcher Verfahren ist Joerg Maxzin. Am Augustusbrunnen zeigt er, was möglich ist
Wenn große Kunst im öffentlichen Raum zu sehen ist, ist sie immer auch gefährdet. Wind, Wetter und die Launen der Menschen können den Kunstwerken zusetzen. Die einfachste Lösung ist es, die Originale an einem sicheren Ort zu bewahren und Kopien aufzustellen: So geschehen bei den Skulpturen der Augsburger Prachtbrunnen.
In einem Pilotprojekt sind nun Teile des Augustusbrunnens mit moderner 3D-Scan-Technik vermessen worden. Joerg Maxzin, Professor an der Technischen Hochschule Deggendorf, hat in seinem 3D-Labor von Oktober 2016 bis März 2017 ein Experiment durchgeführt: Welcher Nutzen ergibt sich für den Denkmalschutz, wenn Skulpturen mit neuester elektronischer Technik erfasst werden?
In dem Experiment ging es um die Köpfe der vier Flussgötter. In den Gesichtern zeigt sich ja oft das ganze Können der Bildhauer wie unter dem Brennenglas. Wirkt das Kunstwerk lebendig, beseelt oder künstlich? Maxzin und sein Team haben sowohl die Nachgüsse am Brunnen als auch die Originalfiguren, die sich im Landesamt für Denkmalpflege befunden haben, eingescannt. „Beim Scantermin in Augsburg waren die Witterungsbe- dingungen eine besondere Herausforderung“, berichtet Maxzin. Sonnenlicht und kühle Temperaturen haben die technischen Geräte an ihre Leistungsgrenze gebracht. Viel einfacher gestaltete sich die Arbeit im Landesamt für Denkmalpflege.
Warum sind sowohl das Original als auch die Kopie gescannt worden? Maxzin wollte untersuchen, ob es Abweichungen gibt. Zuerst mussten allerdings in einem sehr zeitaufwendigen Verfahren die einzelnen 3D-Bilder zu kompletten Köpfen zusammengesetzt werden. Im An- schluss konnten auch Informationen zur Oberflächentextur übertragen werden.
Mit speziellen Computerprogrammen wurden Original und Nachguss direkt miteinander verglichen. So konnten alle Stellen festgehalten werden, bei denen es größere Abweichungen als einen Millimeter gibt. Es gibt auch Bereiche, wo der Unterschied von Original zu Nachguss im Zentimeterbereich liegt. Bei dem Kopf, der unten abgebildet ist, sind es vor allem der Bart- und Haarbereich, bei dem es nicht genau stimmt. Mit dieser neuen Methode kann die Qualität der Nachbildungen auf einfache Weise untersucht werden.
Letzter Schritt war nun, ein Verfahren zu finden, mit den durch den 3D-Scan gewonnenen Daten ein neues Modell anzufertigen. Für den Versuch hat man nicht mit einem maßstabsgetreuen Modell gearbeitet, sondern mit einem um 50 Prozent verkleinerten. Eine Spezial3D-Druckfirma in Belgien erstellte ein Positiv, das die Kunstgießerei Strassacker, die auch die am Augustusbrunnen aufgestellten Nachgüsse angefertigt hat, nutzen konnte, um einen Bronzeabguss zu erstellen. Auch dieses Experiment glückte.
Maxzin weist daraufhin, dass der Vorteil der neuen Technologie darin liegt, ein Abformungsverfahren zu ermöglichen, das berührungsfrei sei. Ein weiterer Vorteil sei, dass der beim Gussprozess entstehende Materialschwund vermieden werden könne, indem der jeweilige Faktor im Vorfeld einberechnet und das 3D-Modell einfach entsprechend vergrößert werden könne. Letztlich entsteht auch eine digitale Kopie, die im Falle einer Zerstörung des Originals eine Rekonstruktion ermöglicht. Ebenfalls sei es möglich, fehlende Teile einer Skulptur zu rekonstruieren, wenn es noch gute Bildquellen von ihnen gibt.