Eineiig, unzertrennlich und 95 Jahre alt
Jubiläum Die Zwillingsschwestern Inge Maier und Maria Ohlsen verbringen seit Jahren ihr Leben zusammen. Heute feiern sie gemeinsam in Steppach ihren runden Geburtstag und erzählen von erstaunlichen Gemeinsamkeiten
Neusäß Steppach Kaum hat Maria Ohlsen die Türe im Erdgeschoss geöffnet, da dringt bereits lautes Gelächter aus dem Zimmer. Sie empfängt den Besucher gut gelaunt, setzt sich zu ihrer Schwester Inge Maier aufs Sofa in ihrer Wohnung in der Seniorenwohnanlage in Steppach und lacht. Die eineiigen Zwillingsschwestern haben allen Grund fröhlich zu sein: Heute feiern sie gemeinsam ihren 95. Geburtstag.
Seit vier Jahren teilen sich die Schwestern, die am 12. Juni 1922 geboren wurden, wieder die gleiche Anschrift – seitdem wohnt nämlich auch Inge Maier in Steppach. Schwester Maria zog bereits acht Jahre vorher ins Seniorenheim. „Wir waren als Babys und Kinder zusammen und jetzt auch wieder im Alter“, erzählt Maier und zupft ihren Schal zurecht. Ihre Schwester hat das Gleiche an: blauer Schal, weiße Bluse, dezenter Schmuck.
Heute ist die Kleiderwahl abgesprochen, schon oft aber hätten sich die beiden unabhängig voneinander für die gleiche Kleidung entschieden. Das sei früher schon so gewesen, erzählen sie. Aktuell tragen beide sogar die gleiche Frisur. Auch sonst verbindet sie Erstaunliches: Ohlsens Tochter Birgit kam genau wie Maiers Sohn Hans-Werner am 28. September 1956 auf die Welt. Sogar die Uhrzeit stimmte fast überein, lediglich die Bundesländer unterschieden sich.
Dass die Zwillinge nun ihren Lebensabend zusammen in Steppach verbringen, passt in die Lebensgeschichte der Seniorinnen – sie sind unzertrennlich und lebten nur wenige Jahre getrennt voneinander. Das Licht der Welt erblickten sie im 7800-Einwohner-Ort Kellinghusen in Schleswig-Holstein. „Unsere Kindheit war sehr schön, wir haben viel Zeit miteinander verbracht“, sagt Ohlsen. Sie erinnern sich gerne zurück, etwa an das Radfahren auf dem Hof der Eltern. „Damit waren wir ständig unterwegs. Selbst zum Plumpsklo, das außerhalb des Hauses war, sind wir geradelt.“
Die Jugendzeit sei schon härter gewesen: „Es herrschte Krieg, es gab wenig Männer, keinen Fasching, keinen Tanz“, sagt Inge Maier, die im Büro der Stadtwerke arbeitete. Dass beide später mal in Bayern leben würden, war für sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellbar. 1945 heiratete Maier ihren Mann Paul, der aus dem bayerischen Burghausen stammte. Vier Jahre später zog das Ehepaar in den Freistaat. Schwester Maria folgte zwölf Jahre später und ließ sich in Neusäß nieder. Dort war sie 20 Jahre lang Verkäuferin in einem Supermarkt. Die Schwestern verbindet viel. 25 Jahre lang verbrachten sie jeden Sommer drei Wochen mit dem Freundeskreis aus der alten Heimat in Can Picafort auf Mallorca. „Da wird viel gelacht und Platt geschnackt“, sagt Ohlsen. Dem Radfahren blieben sie bis ins hohe Alter treu, unternahmen regelmäßig Fahrradtouren nach Horgau zum Kaffeetrinken. Einen Autoführerschein haben sie nie gemacht. Und auch heute sind die beiden Damen noch sehr aktiv. Um bis ins hohe Alter fit zu bleiben, achten sie beide auf die richtige Ernährung. „Es muss schmecken und gesund sein“, sagt Ohlsen und schiebt lachend nach: „Ich esse sehr kalorienbewusst.“Während sie regelmäßig am Herd steht, bezieht ihre Schwester Essen auf Rädern. Eins ist für beide wichtig: „Obst gibt es jeden Tag, das ist Pflicht.“Zudem versuchen sie, sich viel zu bewegen. „Jeden Tag laufe ich mindestens dreimal in den ersten Stock“, sagt Maier. Jeden Morgen holt sie dort auch die Zeitung. Seit 60 Jahren gehört die Augsburger Allgemeine zum Frühstück: „Ohne Zeitung kann ich nicht sein.“Einen kleinen Unterschied gibt es aber dann doch: Während Maier morgens auf Tee schwört, gießt sich Ohlsen meist einen Kaffee auf.
Steht im Wohnheim Gymnastik, Bingo oder ein gemeinsames Frühstück an, fehlen die Zwillinge nicht. Das Team Ohlsen/Maier ist immer mit von der Partie. Über sich selbst sagen die Zwillinge augenzwinkernd: „Hören tut man sie selbst dann, wenn man sie noch gar nicht sieht.“Donnerstags testen die Bewohner ihr Gedächtnis mit verschiedenen Wörter-Übungen. Geht es um Assoziationen zu den Themen Gewürze, Schmetterlinge, Putzmittel oder den Monat Mai ist der Ehrgeiz bei Maier und Ohlsen geweckt. „So bleibt man geistig fit“, sagt Ohlsen. Und ihre Schwester ergänzt: „Wir sind teilweise so intensiv mit dabei, die anderen sind oft regelrecht neidisch.“Nach wie vor sei das Kartenspielen ihr größtes Hobby. Jeden Mittwoch spielen die Frauen mit zwei Mitbewohnern Rommé – „manchmal bis zu vier Stunden“, sagt Ohlsen. Tochter Birgit Sochiera bestätigt: „Die zwei sind so fit, dass sie beim Kartenspielen noch tricksen.“Man müsse sie manchmal regelrecht ausbremsen. „Sie spielen wie die Weltmeister.“
Zur heutigen Geburtstagsfeier kommen viele Verwandte, unter anderem die sechs Enkel und vier Urenkel. Viele Geschenke wünschen sich die Zwillingsschwestern nicht. „Hauptsache alle bringen gute Laune mit. Denn unsere Falten sind alles Lachfalten.“