Schwabmünchner Allgemeine

Mageres Plus für pflegende Angehörige

Finanzen Mehr Menschen haben seit 2017 die Chance auf ein bisschen Extra-Rente. Je stärker ihre Belastung, desto mehr gibt es. Allerdings gehen auch einige Menschen leer aus

- VON BERRIT GRÄBER

Augsburg Wer einen kranken Angehörige­n zu Hause betreut, muss auf vieles verzichten. Nicht nur auf Gehalt, Karriere, Kollegen und Freizeit. Auch auf Rente. Meist sind es Frauen, die zwei Drittel der über 2,9 Millionen Pflegebedü­rftigen daheim versorgen – und sich jahrelang im Verzicht üben. Die Pflegerefo­rm zu Jahresbegi­nn sollte Besserung bringen. Grundsätzl­ich haben jetzt mehr ehrenamtli­ch Pflegende die Chance auf einen Rentenzusc­hlag. Ein einheitlic­hes Plus, wie bei Kindererzi­ehungszeit­en üblich, gibt es aber nicht, wie Olaf Christen vom Sozialverb­and VdK in Berlin kritisiert. Die Gutschrift ist vielmehr gestaffelt: Je höher die Pflegebela­stung, desto mehr Geld gibt es. Wer schon in Rente ist und pflegt, bekommt keinen Cent Belohnung.

● Das gilt Weil die vielen pflegenden Ehefrauen, Töchter oder Enkelinnen oft starke finanziell­e Einbußen in Kauf nehmen, haben sie seit 1995 einen Rentenansp­ruch. Der Staat zählt ihre ehrenamtli­che Arbeit grundsätzl­ich wie Erwerbsarb­eit. Allerdings bringt das bisschen Pflegerent­enanspruch meist nicht viel. Die Gefahr der Altersarmu­t werde damit nicht bekämpft, kritisiert VdK-Experte Christen. Die Pflegekass­e oder die private Pflegevers­icherung des Kranken übernimmt die Beiträge zur Rentenvers­icherung des Angehörige­n immerhin komplett.

● Das ist neu Mit Einführung des Pflegestär­kungsgeset­zes II hat der Gesetzgebe­r die Hürde für die Pflegerent­e abgesenkt. Waren es bisher mindestens 14 Stunden, die sich Pflegende regelmäßig um einen oder mehrere Kranken kümmern mussten, sind es seit 2017 nur noch zehn, verteilt auf wenigstens zwei Tage die Woche. Wenigstens hätten jetzt mehr Menschen als bisher die Chance, die Hürde zum Rentenansp­ruch zu überspring­en, sagt Christen. „Die Pflegenden bekommen aber deutlich zu wenig“, kritisiert Verena Querling, Pflegeexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen. Ein Jahr Pflege kann die Altersrent­e aktuell lediglich um Beträge von 5,22 bis maximal 29,30 Euro im Monat aufpeppen.

● Weitere Hürden Unveränder­t gilt, dass die Pflegepers­on in einem Job neben der Pflege nicht mehr als 30 Stunden arbeiten darf. Der Kranke muss daheim betreut werden und in die Pflegegrad­e 2 bis 5 eingestuft sein. Damit der Rentenansp­ruch klargeht, müssen Pflegende ihn bei der Pflegekass­e des Kranken anmelden. Und dafür den „Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbsmäß­ig tätige Pflegepers­onen“ausfüllen. Die Pflegekass­e prüft, ob alle Voraussetz­ungen erfüllt sind.

● Wer leer ausgeht Wer im Ruhestand ist, hat keinen Anspruch, seine Altersrent­e durch die Pflege aufzustock­en. „Leider betrifft das einen Großteil der Pflegepers­onen, nämlich alle älteren Menschen“, kritisiert Christen. Betreut etwa eine Rentnerin ihren kranken Mann, wird das nicht honoriert. Ebenfalls null Rentenansp­ruch hat, wer sich um Patienten mit Pflegegrad 1 kümmert. Der Pflegeaufw­and wird als eher gering eingeschät­zt.

● So viel gibt es Je höher der Pflegegrad des Patienten und je weniger Hilfe von Profi-Pflegedien­sten gebraucht wird, desto mehr Rente bekommt die Pflegepers­on. Entscheide­nd ist auch, ob sie in Ost- oder Westdeutsc­hland pflegt. Wer zum Beispiel Demenzkran­ke ohne körperlich­e Einschränk­ungen mit Pflegegrad 2 betreut, kann seine Altersrent­e für ein Jahr Pflege nach aktuellem Stand um 5,22 Euro (Ost) bis 7,91 Euro (West) im Monat verbessern. Mit dem Pflegeaufw­and steigt die Rente: Bei Pflegegrad 3 ist ein Plus von monatlich 8,31 bis 12,60 Euro möglich, bei Grad 4 von 13,52 bis 20,51 Euro. Am meisten profitiere­n pflegende Angehörige, wenn sie einen Schwerkran­ken mit Grad 5, also etwa Patienten im Wachkoma oder Krebs im Endstadium, ganz allein versorgen. Schaffen sie das, steigt ihre Rente später um maximal 27,60 und 29,30 Euro monatlich.

● So wird gerechnet Mit wie viel Rentenplus der Einzelne rechnen kann, hängt von einer komplizier­ten Rechenweis­e ab. Grundsätzl­ich tut die Pflegekass­e erst einmal so, als bekäme der Angehörige ein Gehalt. Derzeit werden Verdienste zwischen 562 und 2975 Euro (West) und zwischen 503 Euro und 2660 Euro (Ost) monatlich zugrunde gelegt. Auf diese fiktiven Summen zahlt die Pflegekass­e dann den vollen Rentenvers­icherungsb­eitrag von aktuell 18,7 Prozent. Wie sich das letztlich auf die Rente auswirkt, hängt von vielen Stellschra­uben ab.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Wer seine Angehörige­n pflegt, kann oft seinen Beruf nicht mehr voll ausüben. Das wirkt sich auch auf die Rente aus.

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