Wer kümmert sich um all die Katzen?
Debatte Unzählige herrenlose Tiere vermehren sich unkontrolliert in der Region, streunen durch Parks, Straßen oder Wälder. Im schlimmsten Fall droht ihnen sogar der Abschuss
Augsburg Fridolin hat eine Familie gefunden. Der grau-weiße Kater lebt bei fürsorglichen Katzenliebhabern. Doch das war nicht immer so, sagt Sabina Gassner, die Geschäftsführerin des Augsburger Tierschutzvereins. Mit verklebtem Fell, voller Ungeziefer und eitrigen Augen habe er in der Dämmerung gesessen, mitten auf einer Straße nördlich von Augsburg. Ein Tierfreund hielt sein Auto an, packte Fridolin ein und brachte ihn ins Tierheim. Gassner erinnert sich: „Fridolins Zustand hat mich so wütend gemacht, dass ich ihn gleich mehrmals fotografiert habe.“
Doch Fridolin ist kein Einzelfall, ist sich die Tierschützerin sicher: „Das ist das typische Katzenleid unversorgter Tiere, von denen sich immer mehr unkontrolliert weitervermehren.“Allein aus dem Stadtgebiet Augsburg hat das Tierheim im vergangenen Jahr über 300 Katzen aufgenommen, bei 207 von ihnen hat sich kein Besitzer gemeldet. Besonders viele herrenlose Katzen werden aus dem Textilviertel, den Oberhauser Industriegebieten links der Wertach und dem Bereich rund ums Lechhauser Freibad ins Tierheim gebracht. Die Tierschützerin betont: „Das sind aber nicht die Problemorte. Denn dort gibt es Tierfreunde, die Katzen versorgen und wenn nötig zum Arzt bringen.“Gassner glaubt, dass in fast jedem Stadtbereich herrenlose Katzen unterwegs sind, anderenorts aber weniger Aufmerksamkeit bekommen. Wie viele Katzen in der Region unversorgt sind, darüber können Tierschützer nur spekulieren. Einige Experten gehen davon aus, dass in Bayern rund 300000 herrenlose Katzen leben. Deutschlandweit sollen es etwa zwei Millionen sein.
Auch die Augsburger Veterinärbehörde hat keine verlässlichen Daten. Leiterin Felicitas Allmann ist sich der Problemlage aber bewusst: „Das Leid der vielen herrenlosen Katzen ist groß, weil sie oft krank, verletzt oder unterernährt sind.“Eine flächendeckende Kastration aller freilaufenden Katzen wäre laut Allmann eine gute Möglichkeit, die Zahl herrenloser Katzen zu reduzieren. „Aber dazu gibt es derzeit keine rechtliche Regelung.“Die Voraussetzungen, um eine sogenannte „Katzenschutzverordnung“zu erlassen, sind laut Allmann umfangreich und sehr komplex. Denn alle Katzen zu kastrieren oder den nicht kastrierten Katzen freien Auslauf zu verbieten, ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen.
Ob eine Katzenschutzverordnung notwendig ist, dürfen in Bayern alle Gemeinden und Kommunen selbst entscheiden. Bislang gibt es laut Allmann noch in keiner einzigen bayerischen Stadt eine Katzenschutzverordnung.
Auch bundesweit rufen jetzt Tierschützer Politiker auf, das Katzenleid mit Gesetzen einzudämmen. In einer Kampagne fordert der Deutsche Tierschutzbund ein Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsgebot für Freigängerkatzen. Doch gerade die Kastration hat viele Gegner, sagt der Tierarzt Manfred Erben aus der Tierklinik Gessertshausen: „Sie argumentieren, man dürfe Tiere nicht grundlos verstümmeln. Und der Tierschutz erlaubt den Eingriff nur, wenn er medizinisch erforderlich ist.“Aus der täglichen Erfahrung ahnt Erben aber: „Wahrscheinlich ist eine Kastrationspflicht unvermeidlich, um zu verhindern, dass sich herrenlose Katzen einfach weitervermehren.“Denn nicht nur Tierheime, auch die Tierklinik Gessertshausen nimmt jedes Jahr hunderte Katzen auf, die kein Besitzer vermisst. „Manchmal sind die Tiere so verwildert, dass wir sie ohne Weiteres gar nicht an neue Be- sitzer vermitteln können.“Handelt es sich um junge Katzen, etwa aus einem Wildwurf, können Pflegekräfte der Tierklinik sie meist gut zähmen. Sind ältere Katzen derart verwildert, kann man aus ihnen kaum mehr typische Haustiere machen. „Wir vermitteln sie dann etwa an Pferdehöfe, wobei wir wissen, dass sie dort zwar als Freigänger leben können, aber auch gut versorgt werden.“Für alle Katzen, die die Klinik verlassen, gilt: Sie werden erst vermittelt, wenn sie kastriert, gechipt und geimpft sind.
Dass freilaufende Katzen gerade auf dem Land kastriert und gut versorgt werden, ist auch den Jägern ein Anliegen. Denn auch sie beobachten immer mehr Katzen, sagt Thomas Schreder, Sprecher des Bayerischen Jagdverbands: „Solange sie sich in Wohngebieten aufhalten und Mäuse jagen, ist das kein Problem. Wenn sie in Bereichen wildern, wo Hasen, Feldhühner und Bodenbrüter sind, gefährdet das die jungen Wildtiere.“Und das wollen die Jäger nicht in Kauf nehmen, betont Schreder. „Um Wilderei durch Katzen zu verhindern, gibt es viele Möglichkeiten. Vielerorts fangen Jäger die Katzen und geben sie in Tierheime ab.“Als letztes Mittel darf auch geschossen werden. Bayern ist eines der letzten Bundesländer, in denen das noch erlaubt ist.
Eine Kastrationspflicht hätte viele Gegner