Schwabmünchner Allgemeine

Prinzessin­nen quälen Bedienstet­e

Prozess Scheich-Witwe und Töchter verurteilt. Nebenkläge­r: „Moderne Form der Sklaverei“

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Brüssel Das Urteil ist 95 Seiten lang. Die Richterin braucht über eine Stunde, um es vorzulesen. Das Papier enthält Details über die erniedrige­nden Bedingunge­n, unter denen die Angestellt­en einer Scheich-Witwe und sieben ihrer Töchter in einem Brüsseler Luxushotel arbeiten mussten. Es ist eine Geschichte über Sklaverei, wie sie heute noch existiert, mitten in Europa.

In dem heute neu geführten Luxushotel, wo die Prinzessin­nen 2007 und 2008 mit ihrer Entourage residierte­n, hatte die Familie aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten den ganzen vierten Stock gemietet. Ständig einsatzber­eit, ohne Aussicht auf Erholung und faktisch eingesperr­t: So sahen laut Urteil die Arbeitsbed­ingungen aus, unter denen die mehr als 20 Bedienstet­en für die Hoheiten schuften mussten. Zuvor hatte die Familie die Frauen unter falschen Versprechu­ngen angeworben, einigen wurden die Pässe abgenommen. Bekannt wurden die Zustände, weil Bedienstet­e flüchteten und die Behörden informiert­en. Jetzt wurden die Prinzessin­nen wegen Menschenha­ndels und erniedrige­nder Behandlung ihrer Angestellt­en zu jeweils 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Außerdem soll jede eine Geldstrafe in Höhe von 165 000 Euro zahlen. Davon ist laut Richterspr­uch jeweils nur die Hälfte sofort fällig. Die Zahlung des Restbetrag­s ist nur dann fällig, wenn sich die Prinzessin­nen nach belgischem Recht etwas zuschulden kommen lassen. Die Familie hat aber längst das Land verlassen. Die Ankläger hatten jeweils 18 Monate und fast 1,9 Millionen Euro gefordert. Das Urteil fiel laut den Richtern milder aus, weil seit den Taten schon neun Jahre vergangen sind. Verstöße gegen das Sozial- und Arbeitsrec­ht sahen die belgischen Richter als nicht erwiesen an: Nicht die Prinzessin­nen, sondern ein Privatunte­rnehmen mit Sitz in den Emiraten war Arbeitgebe­r der Angestellt­en. Dass die Inhaber der Firma Mitglieder der Scheich-Familie sind, fiel für die Richter nicht ins Gewicht.

Einige Opfer erhalten Geld für den „moralische­n Schaden“. Die Beträge variieren, mal sind es 5000, mal 1800 Euro. Ein Anwalt hatte deutlich mehr gefordert. „Die Prinzessin­nen waren effektiv die Arbeitgebe­r unserer Mandantinn­en“, kritisiert Nebenkläge­rvertreter JeanPierre Jacques. Gleichzeit­ig seien er und seine Kollegen zufrieden, weil das Gericht festgestel­lt habe, „dass es sich um eine moderne Form von Sklaverei handelt“. Zwar ist Sklaverei verboten, sie existiert faktisch dennoch. Laut der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation werden weltweit fast 21 Millionen Menschen zur Arbeit in Fabriken, auf Feldern, in Haushalten oder auf Baustellen gezwungen.

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