Schwabmünchner Allgemeine

Zinsen gibt es nicht mehr – „Ja“zu Wertpapier­en

Gespräch mit dem Wertpapier Experten Marc Tüngler zu Anlagealte­rnativen

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Marc Tüngler vertritt die Interessen der Einzelakti­onäre in der Regierungs­kommission Deutscher Corporate Governance Kodex. Er ist Hauptgesch­äftsführer der „Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz e.V.“(DSW), die jede renommiert­e börsennoti­erte AG in Deutschlan­d auf deren Hauptversa­mmlungen besucht und im Vorfeld ihre Stärken und Schwächen analysiert. Der Börsenexpe­rte moderiert am 29. Juni das DSWAnleger­forum im BeratungsC­enter der Augsburger Aktienbank und hat sich zuvor mit uns unterhalte­n.

Inwieweit beeinfluss­en politische Ereignisse das Börsengesc­hehen?

Marc Tüngler: Obwohl es auf der Welt aktuell wirklich extrem unruhig zugeht, es viele besorgnise­rregende Anlässe rund um den Globus gibt, reagieren die Börsen fast immer eher verhalten auf politische Entscheidu­ngen. Die Medien hypen viel, doch oft werden Wahlen, Kriege oder Naturereig­nisse frühzeitig an der Börse eingepreis­t. Bei jedem Vorkommnis auf der Erde gibt es Gewinner und Verlierer. Wenn London über den Brexit stöhnt, dann freut sich (leise) der Frankfurte­r Standort.

Man hat manchmal den Eindruck, die Wirtschaft zeigt sich gänzlich unberührt von Trump, Brexit, Dieselgate oder ähnlichem. Täuscht der Eindruck?

Tüngler: Nicht unberührt! Aber Unternehme­n stellen sich schnell auf die jeweils möglichen Konstellat­ionen ein. Geld verhält sich ein wenig wie Wasser: Es sucht sich immer seinen Weg. Die Wirtschaft ist in ihrer Breite nicht zu stoppen. Es ist ein menschlich­es Grundbedür­fnis, sich zu verbessern, zu wachsen und weiterzuen­twickeln. Und das ist der Motor für Unternehme­n. Ich bin selbst immer wieder über die Robustheit unserer Wirtschaft und der einzelnen Unternehme­n überrascht, wie schnell all diese „Weltunterg­angsszenar­ien“dann doch relativ gut weggesteck­t werden.

Aber gerade große Unternehme­n tun sich manchmal schwer, durch das Trommelfeu­er schlechter Nachrichte­n ungeschore­n davonzukom­men. Sind mittlere und kleinere Unternehme­n erfolgreic­her?

Tüngler: Das würde ich pauschal so nicht sagen. Die größeren Unternehme­n stehen einfach mehr im Rampenlich­t. Und bei viel Licht gibt es auch viel Schatten. Grundsätzl­ich sind natürlich DAX-Unternehme­n robuster aufgestell­t, weniger anfällig gegenüber Übernahmen und breiter aufgestell­t.

Bei der Digitalisi­erung sind uns andere Länder weit voraus. Auch was das bargeldlos­e Bezahlen angeht, da belächeln uns China oder Skandinavi­en.

Tüngler: In der Tat gibt es Bereiche, in denen wir nicht an der Spitze des Fortschrit­ts agieren. Anderseits sind die Ersten nicht unbedingt die Erfolgreic­hsten. Oft gehört den Pionieren der Ruhm, aber nicht der dauerhafte Erfolg. Solarworld war ein Pionier, jetzt sind sie pleite. Der erste Roboadvice­r in Deutschlan­d hat jetzt gerade aufgegeben. Anlegern empfehlen wir immer, sich global zu orientiere­n. Wichtig ist es, immer einen breiten Blick zu haben. Wertpapier­interessie­rte können rund um den Globus investiere­n oder in Unternehme­n, die weltweit aktiv sind. Schwächelt die Börse in Asien, läuft es wahrschein­lich woanders besser und umgekehrt. Die breite Streuung und das Wissen um Zusammenhä­nge sind wichtig.

Veranstalt­en Sie dafür Ihre DSW-Foren, wie jetzt bereits zum 13. Mal bei der Augsburger Aktienbank?

Tüngler: Als Anleger hat man nur wenige Möglichkei­ten, sich direkt ein Bild von einem Unternehme­n zu machen. Entweder indirekt über die Presse, im Internet, auf Hauptversa­mmlungen oder eben unmittelba­r auf unseren Foren mit der Augsburger Aktienbank. Hier erhält der Interessen­t quasi aus erster Hand Informatio­nen vom und zum Unternehme­n und kann nachfragen. Kurse sind das eine – Produkte, Ideen, Märkte und Herausford­erungen lassen Aktiengese­llschaften auf solchen Vortragsve­ranstaltun­gen lebendig werden. Den Sprechern von SAP und Deutsche Post so nah zu kommen, das sollte man sich als Anleger nicht entgehen lassen.

Was zeichnet den guten Anleger noch aus?

Tüngler: Ein gewisser Atem schadet bestimmt nicht, wenn jemand erfolgreic­h in Aktien investiere­n möchte. Auch eine gute Streuung in Märkte und Unternehme­n ist absolut wichtig, am einfachste­n geht das mit Fonds. Beim Wertpapier­kauf sollte man immer auch die Risiken im Blick behalten, zum Beispiel das Liquidität­srisiko, das dann besteht, wenn Wertpapier­e aufgrund mangelnder Marktliqui­dität nur unterbewer­tet verkauft werden können. Wem das selbst zu aufwendig ist, der sollte das Finanziell­e an einen Vermögensv­erwalter delegieren.

Wo sehen Sie die Stärken der deutschen Wirtschaft?

Tüngler: In der Innovation­skraft, im Qualitätsb­ewusstsein, der Effizienz, dem Ausbildung­sstandard und der allgemeine­n finanziell­en Kraft.

Die DSW legt sich als Aktionärsv­ereinigung regelmäßig mit den ganz großen Unternehme­n in Deutschlan­d an. Marc Tüngler, der Robin Hood der Anleger oder Don Quijote?

Tüngler: Wir sind in erster Linie Interessen­vertreter und setzen uns für die finanziell­en Ziele, also Wertentwic­klung und angemessen­e Dividende, das heißt Erfolgsbet­eiligung der Aktionäre, ein. In 99 Prozent der Fälle erfolgt das sehr konstrukti­v und auch im Sinne der Unternehme­n. Es gibt aber auch Fälle, da versuchen wir mit härteren Bandagen die Aktionärsi­nteressen zu vertreten, wenn wir eine Benachteil­igung erkennen. Wir suchen nicht die Konfrontat­ion, das ist die Ultima ratio. Auch in einer Familie muss manchmal deutlich ausgesproc­hen werden, wenn etwas schlecht läuft.

Im Rampenlich­t stehen oft kleinere Startups, die ausschließ­lich umsatzorie­ntiert agieren, ohne wirklichen Gewinn zu erzielen. Welche Meinung haben Sie zu diesen Firmen?

Tüngler: Diese Unternehme­n sind eher etwas für spekulativ­e Anleger, die gerne schnell reich werden möchten und das Risiko nicht scheuen, aber dafür auch mal kräftig Verluste akzeptiere­n müssen. Das ist aber nicht das Klientel, das wir als DSW oder die Augsburger Aktienbank ansprechen möchten. Wer Wertpapier­e als langfristi­ge, interessan­te Geldanlage zum Vermögensa­ufbau schätzt, der lässt (zunächst) von diesen jungen Unternehme­n eher die Finger und wartet ein wenig ab, bis sie sich mehr etabliert haben.

pm

 ?? Foto: Thomas H. Roßmann ?? Vertritt die Interessen der Einzelakti­onäre auf Hauptversa­mmlungen börsennoti­erter AGs: Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der „Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz e.V.“(DSW).
Foto: Thomas H. Roßmann Vertritt die Interessen der Einzelakti­onäre auf Hauptversa­mmlungen börsennoti­erter AGs: Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der „Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz e.V.“(DSW).

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