Ärger um Hitler Porträt im Schlafzimmerfenster
Prozess Ein Kunstmaler hatte das Bild zwar mit buntem Schnurrbart verfremdet. Warum er trotzdem verurteilt wird
Über Kunst kann man streiten. Kunst ist nicht unbedingt eine Frage des Geschmacks. Kunst lotet auch Grenzen aus. Und kann mitunter mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Amtsrichterin Rita Greser hatte den ungewöhnlichen Fall zu beurteilen, bei dem ein Kunstmaler ein gemaltes Hitler-Porträt in das Schlafzimmerfenster seiner Wohnung gestellt hatte. Für die Anklagebehörde war damit der Straftatbestand „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“erfüllt.
Das Kunstwerk steht für alle Zuschauer im Gerichtssaal sichtbar hinter dem Richtertisch. Es ist 100 mal 100 Zentimeter groß, Acryl auf Leinwand und nennt sich „Verfüh- Das Konterfei des Nazi-Diktators ist in düsteren Grautönen gemalt, mit weiß hervorstechenden Augen. Sein Schnurrbart allerdings ist deutlich verfremdet – in bunt leuchtenden Regenbogenfarben. Ein Buch, in dem Hitler als homophil beschrieben worden sei, habe ihn dazu inspiriert, den Regenbogen, das Logo von Schwulenorganisationen, zu verwenden, erklärt der angeklagte Kunstmaler, 51, seine Idee. Er habe ein „Sinnbild des Bösen“dargestellt. Warum er sein Kunstwerk ausgerechnet im Fenster seiner im 3. Stock gelegenen Wohnung einer Eigentumsanlage, für alle draußen Vorübergehenden gut sichtbar, präsentierte, kann er nicht so recht erklären. Am Ende der Beweisaufnahme ahnt man es. Ein Verwaltungsbeirat der Wohnanlage, schildert im Zeugenstand, wie problematisch das Zusammenleben der Eigentümer mit dem Kunstmaler sei. „Er hängt auch Pornografie ins Fenster. Er macht, was er will. Er hat einen Laubengang stümperhaft bemalt, das Gemeinschaftseigentum beschmutzt“. Und das Hitler-Konterfei im Fenster? „Das ist keine Kunst, das ist eine Provokation. Er hofiert Hitler damit.“Daran ändere auch der RegenbogenSchnurrbart nichts. „Er hätte auch die Ohren grün anmalen können“, sagt der Verwaltungsbeirat.
Wenn der Angeklagte schon in seiner Kunst Zuflucht suchen müsse, dann solle er doch eine Vernissage machen und das Bild ausstellen. Es habe viele Beschwerden gegeben wegen des Porträts, der Angeklagte habe Briefe der Hausverwaltung berer“. kommen – er habe nicht reagiert. „Im Gegenteil: Er hat uns in der Fäkalsprache beschimpft“, empört sich der Zeuge. Nach etwa vier bis fünf Monaten habe man die Polizei informiert. Beamte des Staatsschutzes holten das Porträt aus dem Fenster. Der Kripobeamte als Zeuge: „Der Angeklagte sagte damals zu uns, er wolle provozieren“. Scheinbar seine Nachbarn, mit denen er im Clinch liege, vermutet der Oberkommissar.
Bei der juristischen Bewertung des Falles scheiden sich die Geister. Staatsanwältin Melanie Ostermeier ist schlichtweg der Ansicht, bei dem Porträt handle es sich überhaupt nicht um Kunst. Verteidiger David Herrmann dagegen spricht von einem Kunstwerk. Das Porträt sei mit dem grellbunten Schnurrbart ver79, fremdet, es solle provozieren, zum Nachdenken anregen. Es sei also geradezu das Gegenteil eines verbotenen Nazi-Kennzeichens. Deshalb müsse man seinen Mandanten freisprechen.
Richterin Greser verurteilt den Angeklagten. Bei dem gemalten Porträt handle es sich zwar um Kunst. Das offene Präsentieren eines Hitler-Konterfeis, bei dem nicht die erkennbare Gegnerschaft zum Nazi-Regime zum Ausdruck komme, sei aber verboten. Die Präsentation des Bildes in einem Fenster einer Wohngegend sei auch nicht sozialadäquat, anders als beispielsweise in einer Kunstausstellung. Der Maler muss 1200 Euro (40 Tagessätze zu je 30 Euro) bezahlen, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Verteidiger Herrmann legte Berufung ein.