Wurm und Ratte
Sprache ist verräterisch. Und so titulieren wir den, der sich gerne in der Welt der Literatur vergräbt, mit mildem Spott als Bücherwurm. Skizzieren ihn mit diesem einen Wort als jemanden, der – mutmaßlich bleichen Angesichts – in langen Nächten durch dicke Brillengläser lugt und Seite um Seite Buch um Buch verschlingt und so im hellen Tageslicht den Herausforderungen des Lebens nur noch geschwächt entgegenzutreten vermag. Da klingt Leseratte noch richtig lebendig. Aber auch nicht freundlicher.
Dabei sind Wurm und Ratte im Literaturbetrieb höchst nützliche Lebewesen und ungleich wichtiger als der von der eigenen Wichtigkeit durchdrungene Tatmensch, der – leider, leider – abends in der Regel viel zu ermattet ist, um auch nur eine Zeile zu lesen. Stattdessen: schnarch!
Wurm und Ratte hingegen sind es, die lesen, wägen und ihresgleichen erzählen, was gut und wichtig ist in der großen, weiten Welt der Bücher. Am Ende bestimmen sie, was Schund ist und was wert, gelesen und bewahrt zu werden. Und daran kann am Ende kein Feuer, kein Verbot irgendwelcher Mächtigen etwas ändern. Die Macht und Magie von Büchern existieren letzten Endes nur, wenn Wurm und Ratte es wollen.