Passionsspiele auf Geisterschiff
Christian Stückl inszeniert Wagners „Holländer“
Oberammergau Oper in der Provinz? In einem Passionstheater? Mit Laienchor? Klassikfreunde mögen da die Nase rümpfen. Doch wer sich am Freitag in Oberammergau Christian Stückls packende Inszenierung von Richard Wagners Seefahrerdrama „Der fliegende Holländer“ansah, wurde eines Besseren belehrt. Riesenjubel für eine musikalisch wie darstellerisch reife Leistung. Das letzte Quäntchen Perfektion, das manchmal fehlte, wurde durch den Enthusiasmus der Darsteller mehr als ausgeglichen. Wichtigstes dekoratives Element ist eine sich langsam drehende, mit Wellen und Gischt bemalte Trommel, in deren Innerem sich das Geisterschiff des Holländers verbirgt.
Stückl, Spielleiter der Oberammergauer Passionsspiele und Intendant des Münchner Volkstheaters, inszeniert das Märchen vom Geisterkapitän als Drama von Außenseitern. Erstens der Holländer (Gabor Bretz), der Gott verflucht und verdammt ist, auf ewig durch die Weltmeere zu segeln – wenn ihn nicht eine liebende Frau erlöst. Zweitens Senta (Liene Kinca), die sich in den wilden, unglücklichen Mann verliebt und dafür den braven Erik sitzen lässt. Drittens Erik (David Danholt), der mit der Gesellschaft hadert und als gehörnter Bräutigam und Schwächling verhöhnt wird.
Anfangs umarmt Senta nur das Bildnis des sagenhaften Holländers, das in ihrem Elternhaus hängt, bis sie dann im Schlepptau ihres seefahrenden Vaters Daland wahrhaftig auf ihn stößt und am Ende mit ihm in den Tod fährt. Ob das alles nur Sentas Imagination ist, bleibt offen. Stückl lässt zwar einen jungen Cherubin mit Migrationshintergrund über die Bühne spazieren, vielleicht als eine Art Märchenerzähler oder himmlischen Spielleiter, doch diese Brechung ist nicht ganz zu Ende gedacht. Dafür findet er eine schöne Regielösung für die heikle, schnell altbacken wirkende Szene spinnender Frauen. In Oberammergau tragen diese gouvernantenhafte Röcke, Strickjacken und dicke Brillen. Sie sitzen nicht hinterm Spinnrad, sondern machen aus dem Gassenhauer „Summ und Brumm“eine satirische Chorprobe. Stückl weiß, wie man Menschenmassen auf der Bühne platziert und in Bewegung hält.
Der junge lettische Dirigent Ainars Rubikis, designierter Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin, bietet mit der Philharmonie München einen unromantisch-geschärften „Holländer“.