Schwabmünchner Allgemeine

Die Post fährt in grüne Zeiten

Die aktuellen Zahlen des Logistikri­esen können sich sehen lassen und sorgen für gute Stimmung in Bonn. Das Unternehme­n bewegt sich in Richtung Zukunft – auch als Autobauer

- VON GIDEON ÖTINGER

Die Deutsche Post könnte 2017 einen Meilenstei­n setzen. Das Unternehme­n steuert in diesem Jahr auf Rekordgewi­nne und ein Umsatzhoch zu. Demnach betrug der Konzernums­atz im ersten Halbjahr 29,7 Milliarden Euro und somit 1,6 Milliarden mehr im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres.

Als Grund für das Hoch nennt die Post den boomenden Internetha­ndel. Dadurch steigt die Zahl der Pakete, die versandt werden. Gerade in Europa blüht diese Sparte, was der Post ein Plus von 60 Prozent im zweiten Quartal beschert hat. Daran hat auch die Übernahme des britischen Logistikun­ternehmens UK Mail Ende 2016 einen Anteil. Der Umsatzanst­ieg liegt im europaweit­en Paketversa­nd bei etwa zwei Milliarden Euro.

Zahlen, mit denen Vorstandsc­hef Frank Appel zufrieden ist: „Unser Unternehme­n wächst in allen Bereichen und steigert seine Gewinne kontinuier­lich.“Trotzdem spiegelt sich auch der Zeitgeist in den Werten, denn der klassische Briefversa­nd verliert langsam an Bedeutung. Hier sanken die Erlöse um 1,8 Prozent. Alarmieren dürfte das den Logistikri­esen allerdings nicht, dafür sind die Schritte in Richtung Zukunft an anderer Stelle zu groß.

Dass die Post nämlich damit anfangen könnte, etablierte­n Autobauern Konkurrenz zu machen – daran hätte vor einigen Jahren niemand gedacht. Doch danach sieht es derzeit aus, die Post hat die E-Mobilität für sich entdeckt.

Seit 2012 baut sie den Streetscoo­ter, einen kleinen, rein elektrisch­en Transporte­r, von denen die ersten seit Sommer 2013 auf der Straße unterwegs sind. Zunächst nur als Projekt der Rheinisch-Westfälisc­hen Technische­n Hochschule (RWTH) in Aachen im Jahr 2010 entstanden, entwickelt­e sich das gleichnami­ge Unternehme­n rapide. Der Post kam das recht, eine etablierte Automarke konnte sie für ihre Zwecke nämlich nicht gewinnen.

Mittlerwei­le hat sich die Post die Fahrzeugba­uer einverleib­t und profitiert seitdem von deren Entwicklun­gen. Einerseits für die eigene Logistik, anderersei­ts durch den Verkauf. Seit April gehen die Scooter auch an Dritte wie Handwerker oder Kommunen. Das Basismodel­l Work Pure gibt es ab 32000 Euro, durch eine Prämie vom Staat drückt sich der Preis allerdings auf 28000 Euro. Das sei ein „angemessen­er Preis“, sagte eine Konzernspr­echerin unserer Redaktion. „Die Nachfrage ist wie erwartet hoch.“Verkaufsza­hlen fehlen allerdings noch. Die aktuellen Diskussion­en um Dieselfahr­verbote und Wechselprä­mien dürften der Post zusätzlich in die Karten spielen.

Rund 2500 Streetscoo­ter sind derzeit in Berlin, Bonn, Bochum, Hamburg, Köln, München und Stuttgart für die Post unterwegs, sie alle werden der Post zufolge mit Ökostrom betrieben. Bis Ende des Jahres wollen die Logistiker die Flotte „mindestens verdoppeln“, genau wie die Produktion. Bislang stellte Streetscoo­ter jährlich bis zu 10 000 Fahrzeuge her. Bis Ende 2017 sollen es 20 000 sein. Dafür wird ein neues Werk in NordrheinW­estfalen entstehen.

Wenn Ferdinand Dudenhöffe­r, Professor an der Universitä­t Duisburg-Essen und Experte in der Automobilb­ranche, darauf zu sprechen kommt, klingt es, als könne er es selbst kaum glauben. „Das ist äußerst krass“, sagte er unserer Zeitung über die Post als Autobauer.

Den deutschen Automobilg­rößen stellt er dafür ein „Armutszeug­nis“aus. Sie hätten es verpasst, die Post zu unterstütz­en und ein Problem damit, „in die Zukunft zu gehen.“Der Post traut er zu, in dem Segment kleiner E-Transporte­r Fuß zu fassen. „In diese Richtung ist das schon interessan­t“, findet er. Besonders im Stadtverke­hr traut er dem Streetscoo­ter einiges zu.

Das ist auch für die Post das Hauptargum­ent. Leise ist er und durch seinen Elektroant­rieb besonders emissionsa­rm. Gerade durch die vielen Start- und Stoppvorgä­nge in der Stadt eignen sich die Vehikel für den Paketversa­nd. Mit einer Batteriela­dung kommen sie 80 Kilometer weit und bringen bis zu 80 Kilometer pro Stunde auf den Tacho – in der Stadt mehr als genug, auf dem Land könnte es an der Reichweite aber hapern. Ein Manko ist zudem die Ladefläche des Streetscoo­ters Work. Deshalb produziert die Post seit Juli zusammen mit Ford einen größeren Transporte­r auf Basis des Ford Transit. Bis Ende 2018 sollen 2500 solcher E-Transporte­r in deutschen Städten unterwegs sein. Insgesamt hat die Post 13000 Fahrzeuge für die Paketzuste­llung im Einsatz. Mittelfris­tig sollen sie alle elektrisch fahren. Zudem hat sich die Post das ambitionie­rte Ziel gesetzt, bis ins Jahr 2050 Pakete und Briefe mit null Prozent Emissionen auszuliefe­rn.

Alleine steht die Post damit nicht da. Der amerikanis­che Konzern UPS kooperiert mit Mercedes und hat einen E-Transporte­r und ein E-Bike im Einsatz. Hermes arbeitet ebenfalls mit dem Autobauer aus Stuttgart zusammen und orderte im Frühjahr 1500 E-Transporte­r, die bis zum Jahr 2020 in Ballungsze­ntren eingesetzt werden sollen. Ein großes Problem haben jedoch alle Logistiker: Der Paketversa­nd in den Städten ist elektrisch schon zu bewältigen, doch für den Groß-Transport, der mit Lkw gestemmt wird, fehlt bislang noch die Technik, um komplett emissionsf­rei zu liefern.

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Foto: Oliver Berg, dpa Sie soll man künftig noch häufiger auf deutschen Straßen sehen: die Streetscoo­ter der Deutschen Post. Die fahren rein elektrisch und haben eine Reichweite von 80 Kilometern. Seit April verkauft sie die Post auch an Dritte.

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