Tolle WM – aber das ZDF sendet Fußball
Costa wurde für sechs Millionen Euro für ein Jahr an Juventus Turin abgegeben, der von Bremen geholte Nationalspieler Serge Gnabry für eine Million Euro an Hoffenheim weitergereicht. „Er wird dort hoffentlich viel spielen und den nächsten Schritt in Richtung Bayern München machen“, sagt Rummenigge. „So ist der Plan.“Der ging einst schon bei Philipp Lahm auf. Der im Sommer zurückgetretene Ausnahmespieler wurde 2003 als 19-Jähriger für zwei Jahre an den VfB verliehen und startete nach der Rückkehr zum Rekordmeister seine Erfolgskarriere.
Wie faszinierend die einfachen Bewegungsformen des Laufens, Springens und Werfens wirken können, erleben derzeit allabendlich Millionen Zuschauer an den TV-Geräten. Die Leichtathletik feiert mit der WM in London eines ihrer hohen Feste. Außerhalb von Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen erlebt sie das Schicksal aller Sportarten im Schatten des Fußballs. Keine Sendezeiten, keine Wahrnehmung. Umso mehr freut sich der Freund der olympischen Kernsportart derzeit gerade auf jeden Abend.
Leider ist die Leichtathletik auch an ihren besten Tagen nicht vor Fußall sicher. Wie schwach ihre Position ist, zeigt das Umschalten des
am Dienstag nach Skopje, wo Real Madrid gegen Manchester United um den Uefa-Supercup kickte. Eine von vielen Edelmetallkannen, die der Fußball in Auftrag gegeben hat, um Sendezeit abzuschöpfen. Einziger deutscher Vertreter in diesem Wettbewerb war Toni Kroos von Real Madrid.
Nun ist die Teilnahme deutscher Athleten so wenig entscheidendes Übertragungskriterium wie deren Erfolgsaussichten. Wie mitreißend eine WM auch ohne deutsche Medaillen sein kann, ist in London zu besichtigen. Kaum eine Sportart versammelt so viele verschiedene Typen beider Geschlechter – mitunter auch ineinander laufende – wie die Leichtathletik. Ein wunderbares Sammelsurium sportlicher Individuen. Manchem Zuschauer würde es reichen, sie nur zu bestaunen.
Darüber könnte man fast vergessen, dass der eigentliche Sinn ihres Treffens der Wettkampf und das Einsammeln von Edelmetall ist. Genau damit hapert es bei den deutschen Athleten noch. Eine einzige Silbermedaille hat die London-Expedition bislang ergattert – zu verdanken der Siebenkämpferin Carolin Schäfer. Das betrübt auch deshalb, weil Deutschland sich zu den Leichtathletik-Nationen zählt. Der Staat investiert großzügig in die Sportförderung und erwartet Renditen. Da ist vielen ein Silberling zur WM-Halbzeit zu wenig. Tatsächlich liegt die Erfolgsquote unter den Erwartungen. Der Kugelstoßer David Storl oder der Stabhochspringer Raphael Holzdeppe haben enttäuscht. Auch Katharina Molitor, die als Weltmeisterin im Speerwurf angereist war, ist unter ihren Möglichkeiten geblieben – wenngleich sie damit in einem breiten Trend liegt. Das Weltniveau der Leichtathletik sinkt. Eine erfreuliche Entwicklung, die nahelegt, dass der Dopingsumpf austrocknet.
Deutsche Medaillenzähler müssen die Hoffnung übrigens noch nicht aufgeben. Das Speerwerfen der Männer am Samstag ist edelmetallträchtig. Vielleicht bleiben die ÖffentlichRechtlichen ja dann auf Sendung.
ZDF
LEICHTATHLETIK WM Eurosport/ZDF, 19/20.15 Uhr