Die „Top 5“der heimischen Wildkräuter
Expertin erklärt Wirkung wichtiger Pflanzen vom Wegesrand. Viele dieser Gewächse sind bewährt in Küche und Medizin. Warum eines früher in Klöstern verboten war
Ursula Higls Kräuter-Begeisterung wurzelt in einer traurigen Zeit. Sie hat mit dem Krieg zu tun: „Mein Vater erzählt immer, dass er seine Gefangenschaft in Russland nur überlebt hat, weil er den Kümmel kannte“, sagt die 52-Jährige aus Oberach bei Rehling. „Den hat er bei Märschen vom Wegesrand gepflückt, er hat ihm wichtige Nährstoffe gegeben, die er sonst kaum bekommen hätte.“Diese Geschichte von pflanzlicher Wirkkraft habe sie schon als Kind und seither immer wieder aufs Neue fasziniert. So sehr, dass sie eine Zusatzausbildung absolviert hat: zur Kräuterpädagogin.
Als solche gibt Higl ihr Wissen heute an andere weiter, etwa bei Veranstaltungen der Caritas oder des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Dass die Expertin oft in christlichen Kreisen verkehrt, passt. Denn: „Zu vielen Gewächsen gibt es Legenden und Anekdoten mit Kirchenbezug“. Das zeige sich schön beim anstehenden Fest Mariä Himmelfahrt am 15. August: „Dann werden zur Segenserbittung Kräuterbuschen geweiht. Maria gilt ja als große Blumenfreundin.“
Der Termin könnte dafür kaum besser gelegen sein. „Im Hochsommer grünt und blüht doch alles“, sagt die Expertin. Ob dabei denn manche Pflanzen herausstechen? Higl meint: „Ja. Es gibt schon ein paar, die für eine gesunde Ernährung und ihrer Heilkraft wegen besonders wertvoll sind.“Sie hat deshalb folgende „Top 5“der heimischen Wildkräuter zusammengestellt:
● „Man kann sie als Salat und wie Spinat essen, daraus backen oder Tee kochen“, erklärt die Fachfrau. Wer die Nessel frisch genießen wolle, müsse erst ihre Brennhärchen zerstören. „Das geht, indem man ein Nudelholz darüber rollt.“Die Prozedur lohne sich: „In der Nessel steckt reichlich Vitamin C – fast 30-mal mehr als in Kopfsalat“. Hinzu kämen viel Kalium, Kalzium und Kieselsäure. Die Pflanze wirke gut auf die Harnwege und über ihre Samen aphrodisierend. „Früher war sie in Klöstern daher verboten.“Brennnesselsuppe hingegen sei einst ein Karfreitagsessen gewesen – der bittere Geschmack habe ans Leiden Jesu erinnern sollen.
● Dieses oft in Rasen wachsende Kraut ähnelt der Taubnessel, jedoch ist es kleiner und blüht lila statt weiß. „Es wirkt wegen seiner ätherischen Öle gut gegen Schürfwunden“, sagt Higl. „Außerdem verleiht es herzhaften Gerichten eine herbe Würze.“Früher hätten Menschen geglaubt, dass, wer an Walpurgis mit einem GundermannKranz auf dem Kopf in eine Kirche gegangen sei, dort etwaige Hexen habe erkennen können.
● „Er verfügt über Bitterstoffe, die die Verdauung und die Gallentätigkeit anregen.“Die Blätter eigneten sich als Salat, die Knospen als Ka-pernersatz und die Blütenblätter als Dekoration für Gebäck. Im Mittelalter habe Löwenzahn wegen der Verwandlung seiner Blüte in eine „Federkugel“als Sinnbild der Auferstehung Jesu gegolten.
● Higl rät: „Ein Blatt davon, das man auf einen Insektenstich reibt, wirkt super gegen Jucken“. Grund dafür seien antientzündliche Stoffe. Außerdem enthalte Wegerich Schleimstoffe. „Sie lindern Halsschmerzen und Hustenreiz.“In der christlichen Symbolik stehe der Wegerich wegen seiner Ausbreitungskraft für die erfolgreiche Expansion des Glaubens durch die Missionare.
● „Sie ist reich an pflanzlichem Eiweiß, Kalium, Vitamin C und A und enthält auch EleChips mente wie Phosphor, Magnesium, Kupfer und Silizium“, erzählt Higl über diese Pflanze, die wie Mais schmeckt und sich gut als „Zwischendurch-Snack“eignet. Vogelmiere wachse selbst im Winter unterm Schnee. „Insofern kann man sie als Symbol fürs ewige Leben sehen.“Zwar freue diese Wuchskraft nicht jeden Gartenbesitzer. „Aber Miere bedeckt rasch den Boden und schützt ihn so vor Erosion“, sagt Higl. Deshalb solle man die Pflanze ruhig in Frieden lassen. „Kräuter sind eben keine Gegner, sondern Helfer – die Kümmel-Kriegsgeschichte meines Vaters ist dafür doch der beste Beweis.“