Eine Wolke, vollgesogen mit Farben
Ein poetisches Gebilde aus Trinkhalmen verzaubert den Garten des Architekturmuseums
Ist das ein Schwarm bunter Heuschrecken? Ein träges Luftschiff der Fantasie, dessen Ränder ausfransen? Nichts bewegt sich – die Wolke steht in der Luft, schwebt zwischen den Kronen der Obstbäume im Garten des Architekturmuseums. Es ist eine große luftdurchlässige Farbwolke in sattem Sommergrün, ein federleichter Fremdkörper, der die Schwerkraft wegzaubert.
So ungeheuer oben schwebt die Wolke nicht. Sie ist nahbar, greifbar. Wer über 1,90 Meter groß ist, stößt mit dem Kopf an die Unterkante des Gebildes – und also an Trinkhalme aus Kunststoff. Daraus nämlich besteht diese filigrane Installation, mit der Ursula Buchegger den Museumsgarten im Augsburger Thelottviertel „bespielt“. Ihr Objekt, aus tausenden bunter Strohhalme zusammengesteckt, ist eine poetische Intervention – die Verwandlung eines industriell gefertigten Massenartikels in ein staunenswertes Gebilde.
Titel des Werkes: „Die Wolke“. Dass die 1953 geborene Künstlerin aus Tübingen im Garten der Buchegger-Villa ausstellt, ist eine zufällige Begegnung von Namensgleichheit. Die Kuratoren der Freiluftausstellung, die Galeristen Anette Urban und Wolfgang Reichert, haben Ursula Buchegger eingeladen, nachdem sie in Köln eine ihrer Trinkhalm-Wolken sahen.
Das Gewirr aus Stäbchen formt sich tatsächlich zu einer Wolke mit weichen Konturen – obgleich die Halme im Detail zu Winkel- und Würfelformen gesteckt sind. Alles Eckige aber hebt sich im Bild des Ganzen auf. Die filigrane Konstruktion, die luft- und lichtdurchlässig ist, wird gleichsam unsichtbar, wenn man mit Abstand auf die Wolke blickt. „Anfang und Ende gibt es nicht“, sagen die Kuratoren.
Das Volumen flimmert in den Farben der Trinkhalme, vollgesogen mit Rot, Blau, Gelb, Rosa, Orange, Grün. Wer dem Plastikgewölk ganz nahe kommt, sieht, wie viele Mischtöne an den Schnittstellen entstehen, wo verschiedenfarbige Halme ineinandergesteckt sind.
Nachts ist die Wolke von unten angeleuchtet. Der Effekt ist begrenzt und nicht vergleichbar mit dem Gartenkunstwerk des vergangenen Sommers – der Lichtschlange des amerikanischen Künstlers Jason Peters. Dessen sich durch den Garten windende Leuchtspur aus hunderten ineinandergesteckter Plastikeimer legte mit Einbruch der Dunkelheit an magischer Wirkung zu. Mit Ursula Bucheggers TrinkhalmWolke, die im Tageslicht prunkt, knüpfen Anette Urban und Wolfgang Reichert an das ebenfalls von ihnen kuratierte Gartenschauspiel 2016 an. Der Garten des Architekturmuseums im Thelottviertel hat bis 29. Oktober täglich bis Mitternacht geöffnet.
Und wie immer das Wetter ist: Diese eine Wolke wird da sein.