Behörde: Zwangsehe ist kein Grund zur Flucht
Zwei Pflegekinder aus Gersthofen haben ein ganz ähnliches Schicksal. Doch nur eines soll bleiben dürfen. Ein Landtagsabgeordneter spricht von einem Skandal
Mehrere Jahre teilten die beiden jungen Frauen ein schweres Schicksal: Zwangsheirat und drohende Genitalverstümmelung in Äthiopien, ein sklavenähnliches Dasein in Dubai, ehe ihnen bei einem München-Aufenthalt die Flucht gelang. Jetzt hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entschieden, und der Biberbacher Landtagsabgeordnete Johann Häusler (FW) spricht vom Skandal. Während eine der in Hirblingen lebenden Frauen für drei Jahre bleiben darf, soll die andere Deutschland binnen eines Monats verlassen.
Häusler: „Mir ist völlig schleierhaft, mit welchen Maßstäben hier unsere oberen Entscheidungsbehörden zwei fast identische Fälle bewerten. Unser Land geht damit so weit, menschenverachtende Vorgänge wie Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung von Kindern durch solche Abschiebebescheide indirekt zu unterstützen.“
Den zwei jungen Frauen, jetzt 19, war 2014 die Flucht gelungen, als sich die arabische Familie, der sie dienen mussten, in München aufhielt. Dort wurden die Kinder der Familie medizinisch behandelt. Die beiden Äthiopierinnen setzten sich ab, als sie unbeobachtet den Müll hinaustrugen. In einer U-Bahn-Station wurden die beiden damals aufgegriffen. Ende September 2015 erzählten sie ihre Geschichte in Interviews dem BAMF. Demnach sollten sie in Äthiopien zwangsweise verheiratet werden beziehungsweise waren das schon und flohen mithilfe von Tanten nach Dubai, wo sie in die Fänge der arabischen Familie gerieten. Häusler spricht von „moderner Sklaverei“.
Die Reaktion der deutschen Behörde war in beiden Fällen sehr unterschiedlich. In einem Fall hieß es, die junge Frau habe allen Grund, eine Rückkehr in ihr Heimatland zu fürchten. Sie dürfe deshalb für zunächst drei Jahre in Deutschland bleiben. Bei der zweiten 19-Jährigen, die ihren Bescheid Ende Juli erhielt, sah das BAMF dann keine Bedrohung. Eine Zwangsheirat sei in weiten Teilen Äthiopiens zwar gesellschaftliche Realität, dennoch aber verboten. Die junge Frau, damals ein Kind von 13 Jahren, hätte sich auch in Äthiopien gegen die Zwangsehe wehren können. Andere Angaben über Umstände der Flucht werden als „nicht glaubwürdig“eingestuft.
Die beiden jungen Frauen kamen im Frühjahr 2016 als Pflegekinder zu Markus und Kalpana Brem nach Gersthofen-Hirblingen und wohnen seitdem dort. Der Unternehmer und Landwirt Brem ist einer der führenden Köpfe der Freien Wähler und kandidiert für den Bundestag. Bei den Brems besuchten die zwei Frauen die Schule, haben dort mittlerweile einen Abschluss und nun einen Ausbildungsvertrag für die Altenpflege in der Tasche. Doch nun ist ungewiss, ob beide bei der Berufsfachschule anfangen können.
Brem hat Rechtsmittel eingelegt, es wird wohl auf ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hinauslaufen. Zudem will er eine Petition an den Bundestag richten, um seinem Pflegekind die Rückkehr nach Äthiopien zu ersparen, wo der jungen Frau womöglich Schlimmes droht.
Brems Parteifreund Häusler hat sich inzwischen auch an Landrat Martin Sailer, Regierungspräsident Karl Michael Scheufele und Innenminister Joachim Herrmann gewandt. Häusler: „Denn der Strom an ungerechten und nicht nachvollziehbaren Asylverfahren reißt nicht ab.“