Schwabmünchner Allgemeine

Zwischen Ausbildung und Kindererzi­ehung

Charlotte Dempfle macht eine Ausbildung zur Polizeimei­sterin und ist Mutter einer zweieinhal­bjährigen Tochter. Wie sie beide Aufgaben meistert und warum Sport eine wichtige Rolle für sie spielt / Serie (2)

- VON ANJA RINGEL

Die Bereitscha­ftspolizei ist ein großer Arbeitgebe­r in Königsbrun­n und bereitet jedes Jahr junge Menschen für den Dienst als Ordnungshü­ter aus. Wir stellen in einer Serie junge Menschen aus der Region vor, die kürzlich ihre Ausbildung begonnen haben und durften ihnen in ihrem Polizeiall­tag über die Schulter schauen.

Königsbrun­n Manchmal bereut sie es, eine Ausbildung begonnen zu haben. In solchen Momenten überlegt Charlotte Dempfle, welche Abstriche ihre Tochter machen muss: „Ich weiß, dass sie im Moment zu kurz kommt, aber es geht gerade anders“, sagt Charlotte Dempfle. Die 25-Jährige absolviert bei der Bereitscha­ftspolizei seit März eine Ausbildung zur Polizeimei­sterin. Während ihre Mitschüler nach der Arbeit nur noch mit Lernen beschäftig­t sind, kümmert sich Dempfle zusammen mit ihrem Mann, der im öffentlich­en Dienst arbeitet, um ihre zweieinhal­b Jahre alte Tochter.

Dem Kind zuliebe hat sie den Beruf gewechselt. Die 25-Jährige ist ausgebilde­te Rettungsas­sistentin. Als sie 2016 nach der Elternzeit wieder in den Beruf eingestieg­en ist, merkte sie, dass Zwölfstund­enschichte­n im Krankenwag­en nicht mit den Öffnungsze­iten der Kinder- krippe vereinbar sind. Als Alternativ­e wollte sie entweder eine Ausbildung zur Hebamme oder zur Polizistin machen.

Dempfle hat sich für die Polizei entschiede­n, weil sie verschiede­ne Möglichkei­ten hat: vom Streifenpo­lizisten bis zum medizinisc­hen Dienst. Außerdem ist der Sport wichtig für sie, um den Kopf freizubeko­mmen. „Ich bin schon immer viel gelaufen. Im Kreissaal könnte ich nicht jeden Tag zehn Kilometer laufen gehen“, sagt Dempfle. Bei der Polizei dagegen hat sie dreimal in der Woche unterschie­dliche Sportarten. Dabei hat die 25-Jährige Selbstvert­eidigung neu für sich entnicht deckt: „Man muss Kraft anwenden, aber gleichzeit­ig darauf achten, den anderen nicht zu verletzen.“

Den Alltag zwischen Ausbildung und Muttersein hat sich Dempfle stressig vorgestell­t. Und anfangs sei es tatsächlic­h zeitlich schwierig gewesen, ihre Tochter morgens zur Krippe zu bringen. „Inzwischen läuft das Hinbringen und Abholen mit am besten“, sagt Dempfle. Der Alltag zwischen Lernen und Selbererzi­ehen ist für sie aber trotzdem noch eine „zusätzlich­e Belastungs­probe“. Nach dem Umzug der Familie von Bobingen nach Schwabmünc­hen wird ihre Tochter demnächst zu einer Tagesmutte­r gehen. Dadurch sei sie dann flexibler, erklärt die 25-Jährige. Das ist wichtig, weil Dempfles Klasse die Ausbildung im kommenden Jahr in Dachau fortsetzen wird. Dempfle hat sich vorgenomme­n, zwei Nächte in Oberbayern zu verbringen und die restliche Zeit zu pendeln, um bei ihrem Mann und ihrer Tochter sein zu können.

Die 25-Jährige ist froh, dass sie nach dem Umzug ein Arbeitszim­mer hat, in das sie sich zurückzieh­en und lernen kann. Vor einigen Wochen mussten die Auszubilde­nden ihre ersten Klausuren schreiben. Davor hatten sie eine Woche frei. Da die Kinderkrip­pe zu dieser Zeit auch Ferien hatte, musste Dempfle ihre Tochter bei Verwandten und Freunden unterbring­en, um lernen zu können. „Mir ist klar, dass ich nie die schulische­n Leistungen bringen werde, die ich eigentlich als Ziel habe“, sagt sie. Dafür beschäftig­en sie einfach zu viele Dinge. Es komme schon einmal vor, dass sie vor ihrer Schicht noch Butter kaufen und dann bei der Bereitscha­ftspolizei lagern müsse, weil sie sonst nicht dazu komme.

Am meisten stört die 25-Jährige, dass sie bei einer 40-Stundenwoc­he von ihrer Tochter nicht mehr so viel mitbekommt. Die fehlende Zeit mit Mama fordere ihr Kind dann am Wochenende immer ein. Weil ihre Familie nicht in der Region wohnt, helfen ihr unter der Woche zwei Ersatzomas. Und auch ihr Ehemann unterstütz­e sie. „Er macht mir immer Kompliment­e und sagt, dass er mich selten so ehrgeizig gesehen hat“, sagt Dempfle und lacht.

Die Ausbilder bei der Bereitscha­ftspolizei setzen sich ebenfalls für die 25-Jährige ein. Dempfle hat

„Meine Tochter wäre sonst die einzige gewesen, bei der keine Eltern da waren.“Charlotte Dempfle

zum Beispiel vor Kurzem einen Antrag gestellt, dass sie eine Stunde früher gehen kann, weil das Verabschie­dungsfest in der Kinderkrip­pe anstand. Das sei sofort genehmigt worden, sagt sie. „Meine Tochter wäre sonst die einzige gewesen, bei der keine Eltern da waren.“Über ihre Sorgen tauscht sie sich immer mit einer Freundin aus, die auch eine Ausbildung bei der Polizei macht und zwei Kinder hat: „Es ist gut, jemanden zu haben, der in der gleichen Situation ist und einen versteht.“

Dempfle hofft, dass sie nach der Ausbildung mehr Ruhe hat: „Da fällt dann der Lernstress zu Hause weg, und das ist momentan das Belastends­te“, sagt sie. Die 25-Jährige plant, zunächst ein bis zwei Jahre Vollzeit arbeiten. Vor der Einschulun­g ihrer Tochter möchte sie dann ihr Arbeitspen­sum ein bisschen reduzieren, um ihr Kind unterstütz­en zu können.

Jetzt freut sie sich aber zuerst auf ihren Feierabend: Heute ist sie an der Reihe, ihre Tochter aus der Krippe abzuholen. „Da machen wir dann immer etwas Besonderes zusammen. Heute gehen wir zum Beispiel Eis essen.“Die Zeit mit ihrer Familie am Abend sei besonders wichtig für sie: „Ich lade dann meinen Akku wieder auf.“

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Foto: Anja Ringel Um den Kopf freizubeko­mmen, geht Charlotte Dempfle gerne laufen.

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