Ein Leben zwischen Familie und Gastronomie
Das Gnadental-Stüberl in Großaitingen hat seinen besonderen Status als Ausflugsziel sogar ausgebaut. Neben der Lage trägt dazu vor allem der bodenständige Familienbetrieb zum Erfolg bei / Serie (2)
Das Gnadental-Stüberl in Großaitingen hat seinen besonderen Status als Ausflugsziel sogar ausgebaut.
Den Sound der Rebellion beinhaltet sie nicht, die historische Musikbox im Gnadental-Stüberl. Aber Schmusehits und Schmachtfetzen von den Flippers, Roy Black und Elvis Presley. Und natürlich die Stimme der Sehnsucht: Freddy Quinn. All das erinnert an die Kindertage des heutigen Restaurants. Eine Erinnerung, die auch noch im Einrichtungsstil dieser Räumlichkeit weiterlebt. Die Restaurant-Inhaberin Margarete Dessi sieht hier ein Symbol der Vergangenheit. Der rund 20 Plätze umfassende Raum mit Theke und Zapfanlage bildete einst die Basis zum jetzigen groß ausgebauten Gasthaus. Doch auch diese Nostalgie hat eine Vorgeschichte.
Und die ist eng mit Alois Schwemm verbunden, dem Vater von Margarete Dessi. Allein aus der Haus-Chronik lässt sich schließen, dass der „Luis“, wie er in der Familie genannt wurde, ein Mann war, der beruflich über den Tellerrand blickte. Heute würde man ihn wahrscheinlich einen „Macher“nennen. Vorwärtsorientiert, Chancen abwägend. So kennt ihn auch seine Tochter. Doch der Reihe nach.
Alois Schwemm war Landwirt. 1970 errichtete er im Gnadental einen Stall für 14 000 Hühner. „Irgendwann betätigte er sich auch als Gast- und Festwirt“, sagt Margarete Dessi. Um seine Geräte, Zeltplanen und Lastwagen zu verstauen, baute er dort eine Halle. Bald darauf kam noch ein Wohnhaus dazu. Als die Kinder Margarete, Isolde und Christian auf eigenen Beinen standen und das Haus verließen, war das Gebäude für ihn und seine Frau Irmi zu groß. Zudem suchte Luis eine neue Herausforderung. Seine Idee war es, das Wohnzimmer in einen Gaststättenraum umzubauen. Seine Vision setzte er schnell in die Tat um. Der Name für das Lokal lag auf der Hand: Gnadental-Stüberl. „Wir Kinder waren der Meinung, dass sich zu unserem abgelegenen Nest, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, kaum ein Gast verirren würde“, erinnert sich Margarete Dessi. „Doch Vater beharrte auf seine Entscheidung.“Und er sollte recht behalten.
Das kleine Lokal mit seiner traditionell bayerischen Küche entwickelte sich rasch zu einem Geheimtipp für Radfahrer, Wanderer, Spaziergänger und Familien. Heute lade der ursprüngliche Gastraum mit der alten Musikbox vor allem zu einem kleinen Absacker nach dem Essen ein, so die Restaurant-Chefin.
Die große Resonanz forderte Tribut. Sie machte eine Erweiterung notwendig. So entstand zunächst ein überdachter Freisitz, später ein lichtdurchfluteter, in zwei Ebenen aufgeteilter Wintergarten mit einem großen Kachelofen. Diese Örtlichkeit ist heute, neben dem Biergarten und der Spielwiese für Kinder, das Herzstück des Stüberls und bietet rund 100 Personen Platz zum Feiern.
Das Erfolgsrezept des Gasthauses macht Margarete Dessi an zwei Punkten fest: Das Lokal liege am Rande zum Naherholungsgebiet Westliche Wälder und sei bestens über den Radweg entlang der Wertach zu erreichen. Was noch hinzukomme, sei, dass die Strecke sowohl für Tour-Einsteiger als auch für Familien gut geeignet sei. „Zudem kommen die Wanderer auf ihre Kosten“, fügt sie hinzu.
Rund um das Gnadental gibt es schöne und interessante Wege, unter anderem zum Grab von Roy Black in Straßberg oder zur JustinaKapelle bei Reinhartshofen. Die Landschaft ist voll mit blühenden Wiesen, Wäldern und Pferdekoppeln.
Als zweiten Erfolgsfaktor nennt Margarete Dessi die Bodenständigkeit des Lokals. „Wir haben nie mit modernem Schnickschnack aufgewartet, sondern immer am ursprünglichen Konzept der traditionellen Küche unserer Region festgehalten. Bei uns weiß der Gast, was er für sein Geld bekommt – nämlich eine ehrliche Küche zu günstigen Preisen.“Sie selbst absolvierte eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, arbeitete anschließend über ein Jahrzehnt in der Gastronomie in Genf. In der Schweiz lernte sie auch ihren aus Sardinien stammenden Mann Antonio Dessi kennen. Ihr Lebensrhythmus änderte sich, als ihr Vater 1997 einen Schlaganfall erlitt. Zusammen mit ihrem Mann kehrte sie ins Gnadental zurück. Antonio übernahm damals die Küche, sie im Jahr 2000 das Kommando über das Lokal. Ihr Mann ist seit Kurzem im Ruhestand, die Küchenleitung in neuen Händen.
Die Restaurant-Chefin setzt mittlerweile auf ein breites Publikum. „Rund 80 Prozent sind Stammgäste.“Die Palette reiche von Jung bis Alt, von Menschen, die mal abschalten wollen, bis hin zu Oma und Opa mit Enkeln. Trotz aller Tradition sei es wichtig, Trends nicht zu verschlafen, betont sie. Man müsse zwar das Rad nicht neu erfinden, sich zuweilen aber doch dem Zeitgeist anpassen. Beispiele dafür seien Burger-Partys, italienische Menüs und der Hausschnaps „Dracula“. Das blutig aussehende Getränk wird dekorativ in schmalen Reagenzgläsern serviert. Oder die „Tankstelle“für E-Bikes. „Wir waren eine der ersten Gaststätten, die im Begegnungsland Lech-Wertach eine Ladestation angeboten haben.“Selbstverständlich stehen für die Drahtesel auch Fahrradständer zur Verfügung. Nicht selbstverständlich ist allerdings der Anbindebalken für Pferde.
Der nächste Ausbau ist übrigens bereits geplant. „In der ersten Etage entstehen demnächst sechs Gästezimmer“, sagt Margarete Dessi. „Damit kommen wir dem Wunsch vieler Gäste nach, die nach einer langen Feier nicht den langen Heimweg antreten wollen.“
Und die nächste Generation? Margarete Dessi ist realistisch: „Unsere Kinder haben an der Gastronomie kein Interesse.“Doch es klingt nicht enttäuscht. Sie kennt die anstrengende Branche, das ständige Leben zwischen der Familie mit den Kindern und der Gastronomie. „Ich verstehe jeden, der sich gegen einen 15-stündigen Arbeitstag mit dauernder Wochenendtätigkeit entscheidet.“Vielleicht hilft dann ein Freddy-Quinn-Song aus der Musikbox, zum Beispiel „Vergangen, vergessen, vorbei“. Doch so weit ist es noch lange nicht.
Weg entlang des Gasthauses ist bei Radfahrern beliebt
ODas Gnadental Stüberl, Gnadental 9, ist unter Telefon 08203/253 zu erreichen. Die Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Sonntag jeweils von 10.30 bis 22.30 Uhr. Ruhetage sind am Montag und Dienstag.