Odyssee eines Chorals
30 Minuten Musik in der Ulrichsbasilika
Großer Raum für ein kleines Konzert: In der Ulrichsbasilika wurden eindrucksvoll Farbe, Charakter und technische Möglichkeiten der großen Orgel dargestellt. „30 Minuten Musik“widmete eine junge Organistin Werken aus Barock und klassischer Moderne. Die gebürtige Lauingerin Julia Schmid (* 1991), hauptamtliche Kirchenmusikerin von Hl. Geist in Giengen a. d. Brenz, machte Johann Sebastian Bach und Percy Whitlock zu einem schönen Erlebnis für das zahlreiche Publikum.
Bachs Präludium und Fuge C-Dur BWV 547 präsentierte sie klar modelliert mit austarierter Statik. Sie ließ erleben, wie die beiden Teile aufeinander Bezug nehmen, wo die Spannungsbögen verdichtet und aufgeladen sind und wo Bach die Höhepunkte setzt. Ein Werk, das trotzdem in fast sachlicher lapidarer Kürze sein Ende setzt, von Schmid überzeugend interpretiert.
In eine andere Welt versetzt der früh verstorbene Percy Whitlock (1903–1946). Der englische Komponist und Organist, Schüler von Ralph Vaughan Williams, hat in seinem Werdegang natürlich Bach verinnerlicht, doch er pflegt eine eigene Tonsprache: farbig, eigenwillig, ohne von dissonanter oder gar atonaler Radikalität getrieben zu sein, bildkräftig geprägt vom britischen Neoklassizismus.
Julia Schmid, die technischen Möglichkeiten der Orgel ausreizend, demonstrierte dies mit einem einzigen Satz aus seiner vierteiligen Sonate c-Moll, dem abschließenden Choral, der nicht nur mit seiner überragenden Länge den Höhepunkt der Komposition darstellt. Das von ruhigen pastelligen Farben geprägte Choral-Motiv, das ein frommes Nazarener-Gemälde assoziieren lässt, wird kontinuierlich verändert und auf eine Art klingender Odyssee geschickt. Der musikalische Raum wird aufgefächert, von wechselnden, teils gespenstisch flatternden Motiven bevölkert, er mutiert von der friedlich frommen Idylle zu einem düsteren apokalyptischen Szenario: Das NazarenerBild mutiert quasi zu bizarren Hieronymus-Bosch-Welten, bevor die Rückkehr zum versöhnlich friedvollen Dur stattfindet. Herzlicher Beifall.