Vom Nazi Salon zum Kulturbrennpunkt
Das Abraxas in Kriegshaber bringt verschiedene Sparten der Kunst zusammen. Das Gebäude hat eine bewegte und auch düstere Vergangenheit
In diesem Sommer wollen wir den Stadtteil Kriegshaber erkunden. Sechs Dienstage lang kommen wir mit unserem mobilen Schreibtisch vor das ehemalige Straßenbahndepot an der Ulmer Straße. Parallel dazu sehen wir uns auch so in dem Stadtteil um. Wir stellen Ihnen im Lauf der Sommerferien zusätzlich interessante Menschen und Orte vor. Wir waren schon im Spectrum Club, im Jugendzentrum r33, beim inoffiziellen Archivar von Kriegshaber, Bernhard Radinger, und bei dem Geigenbauer Hellmut Kreppel und der Künstlerin Karin Kreppel. Heute geht es um das Kulturhaus Abraxas.
Das Abraxas sticht in Augsburg hervor – alleine schon durch die Optik. Der Eingang, geschmückt mit einem hohen Zwiebelturm, passt zu keinem anderen Gebäude in der Sommestraße. Er ist ein Relikt des architektonischen Heimatstils, der im Deutschland der 30er Jahre sehr gefragt war. Ein Blick ins Innere zeigt, dass hier die Elite verkehrte: Böden aus massivem Eichenholz, Wandverzierungen aus rotem Marmor – ein Luxus, den einst Offiziere der Wehrmacht genießen konnten. Das Abraxas hat in seiner Geschichte ein dunkles Kapitel durchlebt. Heute jedoch ist es ein wichtiges kulturelles Zentrum in Augsburg.
Im ersten Stockwerk hat Gerald Fiebig sein Büro. Seit zwei Jahren leitet der 43-Jährige die Einrichtung. Er hat den Überblick über alles, was im Haus passiert. „Hier findet auf kleinem Raum parallel viel kulturelles Leben statt“, sagt er. Während im großen Theatersaal verschiedene Veranstaltungen stattfinden, gehört eine weitere Theaterbühne allein der Jugend, dem „Jun- gen Theater“. Über drei Stockwerke verteilt bringen noch Proberäume für Bands, die Musikwerkstatt als musikalische Ausbildungsstelle, das Atelier des Berufsverbands Bildender Künstler und im Garten das Märchenzelt kulturelles Leben in das Haus. Dazu kommt noch ein Restaurant mit Biergarten. „Die Kombination aus all dem macht das Abraxas zu etwas Einzigartigem“, sagt Fiebig.
Als gebürtiger Augsburger kennt Gerald Fiebig auch die Geschichte des Hauses. Während der Zeit des NS-Regimes diente das Gebäude an der Sommestraße als Offiziersheim für die Wehrmacht. Im Jahr 1938 wurde es eröffnet. Dort konnten die Offiziere und ihre Familien auch vergnügliche Abende verbringen, etwa in einem großen Tanzsaal. „Eine gruselige Vorstellung“, sagt Fiebig.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm das amerikanische Militär das komplette Kasernengelände in Kriegshaber für die eigenen Truppen. Das Gebäude in der Sommestraße behielt aber seinen Unterhaltungscharakter. Es wurde zum „Family Recreation
Center“, einem Freizeitzentrum für die GIs und deren Familien. Erst im Jahr 1994 kaufte die Stadt Augsburg das Gebäude von den Amerikanern – mitsamt der Einrichtung. Denn die Stadt hatte bereits Pläne: Schon ein Jahr später und nach einer Investition von 400000 Mark wurde das Abraxas als kulturelles Zentrum eröffnet. Den Namen hat die Einrichtung dem damaligen Kulturreferenten Dr. Ludwig Kotter zu verdanken. Abraxas steht für Atrium, Bühne, Restaurant, Ateliers, experimentelle Musik in Augsburg an der Sommestraße.
Einen Einblick abseits der kulturellen Veranstaltungen können sich Interessierte am kommenden Sonntag, 10. September, verschaffen. Am Tag des offenen Denkmals hat das Abraxas von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Um 11 und 13 Uhr führt Leiter Gerald Fiebig Besucher durch das Haus und zeigt ihnen Bereiche, die normalerweise für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Dazu gehören etwa der Dachstuhl und der Keller des Gebäudes. Dabei können sie auch sehen, wie sehr sich die Spuren der Vergangenheit gehalten haben – sowohl die der Wehrmachts-Elite als auch der Amerikaner.