„Wir lernten, eine Band zu sein“
Rockstar Dave Grohl sagt, warum seine Mutter Rock ’n’ Roll ist, er sich auf das Altsein freut und was er mit Paul McCartney gemeinsam hat
m April habe ich dich zufällig in New York bei einer Lesung erlebt, du hast deine Mutter unterstützt, die ein Buch über Mütter von Rockstars geschrieben hat (Virginia Hanlon Grohl: From Cradle to Stage: Stories from the Mothers Who Rocked and Raised Rock Stars). War das Album da schon fertig?
Dave Grohl: Ja, so gerade. Ich konnte also den Kopf ein bisschen durchlüften, ein wenig entspannen und mit meiner Mutter abhängen.
Wer ist mehr Rock ’n’ Roll von euch?
Grohl: Mum! Sie hat den Geist des Rock ’n’ Roll wirklich inhaliert. Ich habe es echt genossen und geliebt, mit ihr diese Buchpräsentationen zu absolvieren. Die Veranstalter in den Buchläden meinten, „schafft ihr beiden es wohl, 45 Minuten miteinander zu reden?“Und wir nur: „Logisch, das machen wir seit 48 Jahren.“
Habt ihr einen ähnlichen Musikgeschmack?
Grohl: Teils, teils. Selbst wenn ich Death Metal hörte, sagte meine süße, konservative Mutter niemals „um Gottes willen, nein“. Mum verstand, dass du deine eigene musikalische Identität finden möchtest, wenn du jung bist. Aber wir hatten auch gemeinsame Favoriten. Ich erinnere mich gut, wie ich in den Siebzigern bei meiner Mum im Auto saß und wir zusammen Radio hörten. Das war das goldene Zeitalter von Melodien und echten Songs. Carly Simon, 10cc, die Beatles sowieso. Das war die Musik, in die ich mich zuerst verliebte. Ich weiß noch, wie Mum und ich „You’re So Vain“von Carly Simon im Duett sangen, ich war sechs oder sieben Jahre alt.
Der Einfluss der Siebziger und Bands wie den Beatles ist mit prägend für „Concrete And Gold“. „Happy Ever After“oder „Dirty Water“rufen Erinnerungen wach an Alben wie „Pet Sounds“von den Beach Boys und „Sgt. Pepper’s“von den Beatles. Dein Freund Paul McCartney spielt auf dem neuen Song „Sunday Rain“Schlagzeug. Was sagt er zum neuen Album?
Grohl: Er liebt es. Paul und ich unterhalten uns vor allem über das Songschreiben, er geht ähnlich vor wie ich und hat vergleichbare Prioritäten.
Welche?
Grohl: Die Melodie muss sitzen. Der Krach ist leicht, du kannst mit wenig Mühe eine der lautesten Bands der Welt sein, das bringt uns auch großen Spaß, aber besonders anspruchsvoll ist es nicht, Lärm zu machen. Die wahre Kunst und die echte Herausforderung steckt aber in der Melodie. Als Kind war ich der größte Beatles-Fan überhaupt, wegen der Beatles lernte ich Gitarre zu spielen, ihre Platten waren meine Musikschule. Durch die Beatles habe ich gelernt, Songs zu schreiben, die der Hörer emotional auf sich beziehen und mitsingen kann.
„Concrete And Gold“ist ein äußerst dynamisches Album. Sanfte und harte Passagen folgen oft unvermittelt aufeinander, etwa in „T-Shirt“oder dem Titelstück, und bei aller Vertrautheit hört sich die Platte doch wieder anders an als die vorherigen.
Das ist immer unser Ziel. Einige meiner liebsten Bands sind jahrzehntelang einem sehr konstanten Sound treu geblieben, Motörhead und AC/DC zum Beispiel, und ich liebe sie dafür, immer ihr Ding gemacht zu haben. Mit mir und den Foo Fighters verhält es sich anders. Für uns fühlt es sich immer so an, als gäbe es noch neues Terrain zu erobern. Doch nicht nach der Devise „Wir müssen endlich unser verdammtes Reggae-Album machen“, sondern ungezwungen und freihändig. Du siehst einfach zu, in welche Richtung die Musik läuft und läufst mit.
Nach so langer Zeit: Kannst du dir ein Leben ohne die Foo Fighters überhaupt ausmalen?
Grohl: Natürlich kann ich das. Schon nach unserem ersten Album dachte ich: „Vielleicht ist jetzt schon Schluss.“Nach jeder Platte denke ich, es könnte die letzte gewesen sein. Aber ich habe nicht vor, die Foo Fighters zu beenden, absolut nicht. Vieles macht mir heute noch mehr Spaß als vor 22 Jahren, als wir anfingen. Was denn zum Beispiel?
Grohl: Konzerte zu spielen. Anfangs waren wir nur Chaos und Krach. Wir haben einige Jahre gebraucht, bis wir lernten, eine Band zu sein und das Handwerk zu genießen.
Wann das? machst du
Wenn alle anderen schlafen. Ich stehe morgens meist gegen 5 Uhr auf, zwei Stunden vor dem Rest der Familie. Das ist mein Moment der Stille. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, vom Highway hörst du noch kein Auto, das Haus ist ruhig. In diesen beiden Stunden schreibe ich, schneide Videos oder mache gar nichts. Der Rest des Tages ist dann Chaos.
Im Video zu „Run“rockt ihr als alte Herrschaften das Seniorenheim. Kann das Alter kommen?
Das Alter ist doch schon da (lacht). Wenn wir auf Festivals spielen, wie jetzt beim Lollapalooza in Berlin, dann treffe ich immer diese mächtig erfolgreichen Musiker, die 15 oder 20 Jahre jünger und viel hübscher sind als ich. Während ich in meinem Bart immer mehr graues Haar entdecke. Aber ich mag das. Vor langer Zeit spielten wir mit Neil Young, ich stand hinter der Bühne und bewunderte diesen forschen, lauten, genialen Kauz mit seinem langen, grauen Pferdeschwanz. Bald werde ich auch so aussehen. Ich freue mich drauf.