Bobingen schafft Verlässlichkeit für Firmen
Anträge auf Betriebsleiterwohnungen haben Stadtrat und Bauausschuss seit Jahren beschäftigt. Eine für alle befriedigende Lösung war schwierig, viele Unternehmer hingen in der Luft. Jetzt haben die Räte einen Kompromiss gefunden
Einen Schlussstrich hat der Bauausschuss der Stadt Bobingen jetzt unter ein leidiges Thema gezogen, das ihn schon seit Jahren beschäftigt: Es geht um die missbräuchliche Nutzung sogenannter Betriebsleiter-Wohnungen, die nur ausnahmsweise in Gewerbegebieten zulässig sind. Jetzt lassen zwei richtungsweisende Beschlüsse alle Unternehmer in Bobingen aufatmen.
Schon seit 2013 gibt es immer wieder Diskussionen, wie weit man Antragstellern entgegenkommen soll, wenn sie bei ihrer Firma auch eine Wohnung errichten beziehungsweise das Ganze an einen Nachfolger verkaufen wollen. Denn wenn Betriebe wegen des fehlenden gemeindlichen Einvernehmens in andere Kommunen abwandern, entgeht der Stadt die Gewerbesteuer; andererseits kann Bobingen derzeit keine freien Gewerbeflächen anbieten, auf denen es keine Probleme mit der angrenzenden Wohnbebauung gäbe.
„Das Kind ist schon vor vielen Jahren in den Brunnen gefallen“, stellte Christian Burkhard (SPD) in der lebhaften Diskussion fest. Einer der Auslöser war bereits im Jahr 2013 gewesen, dass sich ein Be- triebsinhaber in der Peter-HenleinStraße über ein benachbartes Unternehmen beschwert hatte, weil er durch den Staub weder seine Wäsche im Garten trocknen noch die Terrasse nutzen könne. Ähnliche Klagen bekamen die Mitarbeiter im Rathaus immer wieder zu hören. Darum hatte die Stadtverwaltung das Landratsamt um eine „Handreichung zum rechtssicheren Umgang“mit dem Problem gebeten. „Dadurch ließ sich aber auch nicht klären, was aus betrieblichen Gründen objektiv sinnvoll ist“, sagte Barbara Tugemann von der Bauverwaltung.
Denn Betriebsleiterwohnungen erfordern stets eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans und werden nicht von der Stadt genehmigt: Das Landratsamt ist bei der Bewilligung eines Bauantrags nicht an die Entscheidung der Stadt gebunden, kann also aus einem Nein ein Ja machen und umgekehrt.
Wie schwer sich die Kommunalpolitiker bisher mit dem Thema taten, zeigen viele Schlagzeilen der vergangenen Jahre wie „Kein BilligWohnen im Gewerbegebiet“oder „Stadt denkt über Mischgebiet nach“. Mit einer restriktiven Haltung wollte Bürgermeister Bernd Müller verhindern, dass ein Gewerbegebiet kippt und seinen Zweck nicht mehr erfüllt: „Sonst werden die Festsetzungen von Bebauungsplänen geradezu konterkariert!“Es gehe nicht, dass sich immer mehr Antragsteller quasi durch die Hintertür günstigen Wohnraum schaffen wollen, sagte Müller.
Zum Beispiel gab es einen Antrag für ein Kosmetikstudio in der Boschstraße, wo für Piercings „extrem wertvolle Ware“gelagert werden sollte. Die Antragstellerin wollte nicht nur ihren Betrieb von Mering ins Bobinger Industriegebiet verlegen, sondern dort auch eine Wohnung einrichten. Jedoch sei die „abstrakt gegebene Gefahr deliktischer Übergriffe“kein ausreichender Grund, sagte Tugemann.
Ein anderes Mal war eine Werkstatt für Aufbereitung und Komplettfolierung von Autos geplant: In einem Teil des Gebäudes sollte auch ein Laden mit Deko-Artikeln sowie selbst gefertigten Geschenkartikeln entstehen. Der Vertrieb dieser Waren sollte hauptsächlich übers Internet erfolgen. Da müsse nicht Tag und Nacht jemand vor Ort sein, befand die Verwaltung, um zum Beispiel Produktionsabläufe zu überwachen. Im Zeitalter von GPS und lückenloser Kamera-Kontrolle seien Wohnungen in Gewerbegebieten nur noch in Ausnahmefällen nötig.
Damit es nicht weiterhin endlose Debatten über jeden einzelnen Fall gibt, hatten die Stadtratsfraktionen von CSU, FW und FBU einen gemeinsamen Antrag formuliert mit dem Ziel, wieder Vertrauen und Verlässlichkeit für alle Gewerbetreibenden herzustellen. „Klare Rahmenbedingungen sind erforderlich, um eine unternehmerfreundliche Lösung zu finden“, sagte Herwig Leiter (CSU).
Auch um die Verwaltung zu entlasten, sollte es in Zukunft sowohl für Bestandsimmobilien als auch für Neubauten eine einheitliche Regelung geben, fordern die Fraktionen in ihrem Antrag. Kritik kam im Bauausschuss von Christian Burkhard (SPD), der von einer Kapitulationserklärung sprach: „Da können wir gleich einen Freifahrtschein für Wohnungen ausstellen.“Franz Handschuh (FBU) gab zu bedenken, dass die Stadt mit ihrer restriktiven Haltung auch ein Negativsignal in die Öffentlichkeit sende.
Leiter erwiderte, es könne überhaupt keine Rede von einem Freifahrtschein sein; man wolle lediglich Gewerbetreibenden und Steuerzahlern nicht mehr Steine als nötig in den Weg legen. „Wenn heute ein Chef an einen Nachfolger verkaufen möchte, ist das kaum möglich, denn bei einer Nutzungsänderung ist kein Bestandsschutz mehr gegeben.“
Mit 7:3 beziehungsweise 6:4 Stimmen fasste der Bauausschuss zwei richtungsweisende Beschlüsse, die alle Unternehmer in Bobingen aufatmen lassen. Für bestehende Immobilien gilt künftig folgende Regelung: Das beantragte Gewerbe muss grundsätzlich zulässig sein. Die private Wohnfläche ist der Gewerbefläche untergeordnet. Eine Verringerung der Wohnung zugunsten von mehr Gewerbefläche ist möglich. Die Vergrößerung von Gewerbeflächen unter Beibehaltung der privaten Wohnfläche ist ebenfalls zulässig, wenn der An- oder Neubau den baurechtlichen Gegebenheiten entspricht.
Für Neubauten gelten folgende Kriterien: Betriebsleiterwohnungen sind laut Bebauungsplan ausnahmsweise zulässig. Der beantragte Gewerbebetrieb ist grundsätzlich zulässig und der private Wohnanteil der Gewerbefläche untergeordnet.
Städtebauliche Aspekte im Sinne von baurechtlichen Gegebenheiten werden eingehalten. Sollte ein neues Gewerbegebiet ausgewiesen werden, kann künftig aber auf die ausnahmsweise Zulässigkeit von Betriebsleiterwohnungen verzichtet werden.