Der Schlüssel zum Gymnasium So bleibt der Wortschatz im Kopf
Für Migrantenkinder, die die Sprache nicht beherrschen, bleibt oft nur die Mittelschule. Das Pilotprojekt „InGym“soll das ändern – eine Zwischenbilanz Die besten Tricks, um Vokabeln zu lernen
Ein halbes Jahr entscheidet über die Zukunft von Anamika, Eduard, Aishe und ihren Klassenkameraden. Schaffen sie es, in dieser Zeit so gut Deutsch zu lernen, dass sie dem regulären Unterricht folgen können, dürfen sie weiterhin das Gymnasium besuchen. Zusammen mit 22 anderen sind die Jugendlichen Teil der „InGym“-Klasse am Peutinger-Gymnasium in der Augsburger Innenstadt.
Heute steht Grammatik auf dem Programm. Lehrerin Christine Stakenborg schmeißt den Tageslichtprojektor an und legt eine Folie auf. Ein typischer Lückentext, die Schüler müssen die richtigen Präpositionen finden. Für Martina ist das kein Problem. Sie ist mit 16 eine der Ältesten in der Gruppe, ihr Deutsch ist schon recht flüssig. Sie meldet sich selbstbewusst, weiß, dass es „ich warte der Bushaltestelle“heißt. Auch die Geschwister Aishe und Achmet, sie 15, er zwölf, können dem Unterricht gut folgen. Achmet stockt zwar noch schüchtern, bevor er die Antwort sagt, aber er meldet sich immer wieder, will am Unterricht teilnehmen.
Das Pilotprojekt hat sich bisher bewährt: Seit Februar 2016 haben Migrantenkinder, die noch nicht gut Deutsch sprechen, in den Übergangsklassen aber eine gewisse Begabung zeigen, die Möglichkeit, an „InGym“teilzunehmen. In München, Nürnberg, Regensburg, Würzburg und am Peutinger-Gymnasium in Augsburg läuft die Pilotphase. Hier bekommen die Kinder ein halbes Jahr lang intensiven Deutsch-Unterricht und dürfen in der übrigen Zeit als Hospitanten am Regelunterricht teilnehmen. Sind sie danach gut genug, um aktiv am Unterricht am Gymnasium mitzumachen, dürfen sie bleiben. Die anderen gehen stattdessen auf weiterführende Schulen wie die Realschule. Die meisten schaffen es aber: „80 Prozent der Schüler sind bei uns geblieben“, sagt Schulleiter Stephan Lippold über frühere Gruppen. In diesem Schuljahr hat der vierte Durchgang „InGym“begonnen.
Lehrerin Christine Stakenborg weiß, wie hart die Schüler für ihren Erfolg arbeiten. „Sie leisten Erstaunliches“, sagt sie und scheint sich selbst darüber zu wundern, dass die Schüler in einem halben Jahr ihre geringen Sprachkenntnisse auf ein so hohes Niveau bringen können, um am Unterricht teilzunehmen. Für sie und ihre Kollegen, die
an
für die „InGym“-Klassen zuständig sind, bedeutet der Kurs eine Menge zusätzlichen Aufwand. Sie müssen sich das Arbeitsmaterial zusammensuchen und versuchen permanent, das Projekt weiterzuentwickeln. „Aber die Motivation der Schüler entschädigt für die zusätzlichen Leistungen“, bilanziert die Lehrerin.
Tatsächlich herrscht im Klassenzimmer während der Deutschstunden eine fast schon unheimlich eifrige Atmosphäre. Die Jugendlichen hören der Lehrerin aufmerksam zu, keiner macht Quatsch oder unterhält sich mit dem Nachbarn, und stellt sie eine Frage, melden sich gleich mehrere. Das mag zum einen daher rühren, dass Stakenborg es schafft, den Schülern selbst bei falschen Antworten zu vermitteln, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Zum anderen liegt es natürlich auch am Konzept des Projekts: Die Kin- der wissen, dass dies ihre Chance ist, sich bestmöglich in das deutsche Schulsystem einzugliedern.
Als das Pilotprojekt startete, stellten die Hälfte der „InGym“-Schüler Kinder, die aus ihrer Heimat geflohen waren. Die anderen 50 Prozent waren aus dem Ausland nach Deutschland gezogen, weil die Eltern hier Arbeit gefunden hatten. Das Projekt, erzählt Schulleiter Lippold, sei im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise entstanden. „Gerade die geflüchteten Kinder waren aber oft so traumatisiert, dass sie eigentlich nicht für die Schule bereit waren“, sagt er.
Für Christine Stakenborg zählt nur, wer die Aufnahmeprüfung geschafft hat und in ihrer Klasse sitzt. „Ich beobachte sie aufmerksam, aber ich frage nicht nach, was sie erlebt haben“, sagt sie. Wenn die Kinder reden wollten, würden sie von selbst auf sie zukommen, zum Beispiel am Wandertag.
Mittlerweile hat sich die Zusammensetzung der Gruppen etwas geändert. Es besuchen mehr Kinder von Arbeitsmigranten die Klassen als Kinder, die geflohen sind. Die 16-jährige Martina zum Beispiel, die schon fast fließend Deutsch spricht, erzählt, dass sie vor kurzem mit ihrer Familie aus Bosnien gekommen ist. Neben ihr sitzt Milena aus Serbien, auch 16 Jahre alt. Sie war auf der Mittelschule, der Lehrer der Übergangsklasse hat sie gefördert und für „InGym“empfohlen.
Als Martina, Milena und ihre Klassenkameradinnen schon längst in der Pause sind, erzählt Stakenborg noch von Irina. Vor der Deutschstunde hatte sie sich kurz auf dem Gang mit dem Mädchen unterhalten. Irina sei mit großen Lücken gekommen und durfte nach „InGym“auf der Schule bleiben. „Jetzt ist sie in Mathe eine der Besten.“Ist das Stolz, den man aus Stakenborgs Stimme hört? Vielleicht. Auf jeden Fall wirkt die Lehrerin extrem zufrieden mit ihren „InGym“-Schützlingen. Der Schlüssel zu einer neuen Sprache sind die Vokabeln. Selbst wenn man die Grammatik nicht so gut beherrscht, versteht man zumindest den Sinn eines Satzes, wenn man die Bedeutung der Wörter kennt. Das Problem an der Sache: Vokabeln pauken ist meist sehr öde, noch dazu muss es regelmäßig gemacht werden. Kurz vor der Schulaufgabe ist es meist zu spät. Damit Schüler in diesem Schuljahr zumindest im Vokabelteil der Prüfungen die volle Punktzahl erreichen können, bekommen sie hier eine Übersicht der besten Lerntipps:
● Der Tipp stammt von einem erfahrenen Lateinlehrer: Ihr solltet im Vokabelheft eine extra Spalte ziehen und die deutsche Bedeutung nochmals wiederholen. Dann steht dort beispielsweise:
Wiederholt das deutsche Wort auch noch mal, wenn ihr die Vokabel laut aufsagt, dann kann kein Durcheinander im Kopf entstehen. Statt wie bisher
speichert ihr die Wörter nicht in einer Kette ab, sondern separat:
eitel – vain – eitel. – curious eitel – vain – neugierig eitel - vain -eitel – neugierig – curious – neugierig.
● Diese Strategie ist nichts für Schüler, die auf den letzten Drücker lernen. Denn ihr solltet nicht länger als 25 Minuten am Stück auswendig lernen, danach lässt eure Konzentration stark nach. Also: Lieber konzentriert lernen und dann mindestens fünf bis zehn Minuten Pause machen. In der Zeit nicht das Handy checken, sondern lieber kurz an die frische Luft gehen oder die Treppen rauf und runter laufen. Die beste Tageszeit zum Vokabel-Lernen ist übrigens kurz vor dem Schlafengehen, denn im Schlaf werden die neuen Informationen gut im Gehirn abgespeichert.
● Post-its! Macht alles voll mit den bunten Notizzetteln! Markiert jedes Möbelstück mit der passenden Vokabel, so könnt ihr das Wort in eurem Kopf mit einem konkreten Bild verknüpfen. Verben oder Adjektive klebt ihr am besten auf Gegenstände, an denen ihr oft vorbeikommt. Auf Augenhöhe im Kleiderschrank zum Beispiel, dann lernt ihr ganz nebenbei, dass das englische Wort für ist.
eitel
Stellt die Lehrerin eine Frage, melden sich gleich mehrere
Die Lehrer können Schüler für „InGym“empfehlen
vain (fino)