Ein Blick in die Unterwelt der Altstadt
Während der Lechkanal-Ablässe im Herbst inspiziert das Tiefbauamt auch die unterirdischen Bäche im Lechviertel. Sonst ist der Aufenthalt dort lebensgefährlich, doch seit vergangenem Jahr wird das Niedrigwasser für Forschung genutzt
Wo die Fluten sonst hüfthoch mit reißenden zwei Metern pro Sekunde vorbeirauschen, steht das Wasser jetzt nur etwa 20 Zentimeter hoch. Markus Haller vom Tiefbauamt der Stadt leuchtet mit seiner Taschenlampe in das Kanalbett des Hinteren Lechs, der an dieser Stelle gut 150 Meter unter dem Jakobsstift hindurchläuft. Im Licht der Taschenlampe werden gemauerte Gewölbehallen mit drei Metern Höhe sichtbar, in anderen Abschnitten kann man nicht mehr aufrecht stehen, weil hier spätere Generationen die Gewölbe wohl aus statischen Gründen tieferlegten.
Einmal im Jahr lässt die Stadt die Kanäle und Bäche im Stadtgebiet ab, um sie technisch zu inspizieren und anliegenden Hauseigentümern die Möglichkeit für Reparaturen zu geben. Bei der Begehung gestern entdeckt Haller einige kleine Betonabplatzungen im Bett des Kanals. „Das ist aber nichts, was einen für den Moment beunruhigen müsste“, sagt er.
Rund 180 Kilometer Kanalstrecke gibt es in Augsburg. Besonders speziell sind aber um die 700 Meter Fließstrecke in der Altstadt. Sie laufen unter Straßen und Häusern hindurch. Vermutlich ab dem 16. Jahrhundert begann man, die bis dato offenliegenden Lechkanäle aus Platzgründen zu überbauen, sagt Antonia Hager vom Unesco-Büro der Stadt, das die Bewerbung Augsburgs als Wasserstadt für die Aufnahme ins Weltkulturerbe koordiniert.
Das Kloster Maria Stern, das Jakobsstift und das Heilig-Geist-Spital sind Beispiele für Gebäude, die über die Kanäle gebaut wurden. Später wurden auch Straßen über die Kanäle gebaut. Im Zuge der Altstadtsanierung in den 70er Jahren wurde das Wasser wieder sichtbar gemacht, wo es möglich war.
Seit vergangenem Jahr werden die unterirdischen Gewölbe vom Landesamt für Denkmalpflege genauer untersucht. Forscher Bernhard Häck hat mit Mitarbeitern diverse Abschnitte unter die Lupe genommen. Unter dem Jakobsstift wurden Steine aus römischer Zeit gefunden, die von späteren Generationen zum Bau verwendet wurden. In einem Zwischenbericht stellte fest, dass viele Gewölbe mehrfach ausgebessert worden seien. Teils seien auch Stellen festgestellt worden, die einbruchgefährdet sind. Im nächsten Schritt soll es eine genaue Vermessung der Kanäle geben, damit klar ist, wie Gebäude genau über den Kanälen stehen, weil es keine exakten Pläne gibt. Zuletzt war das Landesamt bei einem Bachablass im September zugange, um Erkenntnisse zu vertiefen. Im kommenden Jahr, so Haller, werden Sanierungsarbeiten am Aquädukt nahe des Roten Tors fällig werden. Was weitere Bachaufdeckungen betrifft, winkt Haller ab. „Da, wo es geht, wurde es in den 70er Jahren gemacht.“Aus optischen und stadtklimatischen Gründen sei das Anliegen nachvollziehbar, aber es gebe keine Potenziale mehr. Wo VerkehrsfläHäck chen über den Kanälen laufen, seien diese als Zufahrten oder für die Feuerwehr nötig. Immerhin deckte die Stadt vergangenes Jahr am Stadtbad den Stadtgraben auf etwa 50 Metern Länge auf.
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