Ein Ehepaar lebt für seine Muskeln
Andreas Zündt hat bereits vor 16 Jahren das Bodybuilding für sich entdeckt. Seine Frau Julia teilt die Leidenschaft mit ihm. Warum sie aktuell 3500 Kalorien am Tag zu sich nimmt und er gerade mal 1200
Wenn das frisch verheiratete Ehepaar Julia und Andreas Zündt gemeinsam am Esstisch sitzt, hat er momentan ganz klar das Nachsehen. Seine Ehefrau isst sich nach Herzenslust satt. Der 36-Jährige aber muss penibel Kalorien zählen. Manch einer würde das als verkehrte Welt bezeichnen. Bei den Zündts jedoch steckt ein Plan dahinter.
Die breiten Oberkörper und die muskulösen Oberschenkel, die sich unter ihrer Kleidung abzeichnen, verraten es: Die beiden sind Bodybuilder. Die Optimierung ihrer Körper auf pure Muskelmasse ist ihre große gemeinsame Leidenschaft. Die wird nun noch mehr befeuert. Denn Andreas Zündt hat erst vor wenigen Tagen die Internationale Deutsche Meisterschaft im Bodybuilding, eine Veranstaltung des Deutschen Fitness & Fitnessmodel Verbandes und der World Fitness Federation, gewonnen. Der große Pokal thront jetzt auf dem Kaminsims im Wohnzimmer neben den anderen Auszeichnungen. Dieser Triumph, bislang der Höhepunkt seiner erst kurzen WettbewerbsKarriere, verlangt nach mehr. Der Sport hat für sie ein großes Suchtpotenzial, besonders wenn man Erfol- ge sieht, erklären Julia und Andreas Zündt einstimmig.
Die 27-Jährige mit den langen, glatten Haaren arbeitet auf ihre erste Meisterschaft im Frühjahr noch hin. Mann bestreitet Mitte November schon die nächste. Das erklärt die derzeit verschiedenen Ernährungspläne. Das Paar befindet sich in zwei unterschiedlichen Phasen. Julia Zündt baut Muskulatur auf. Sie darf viel essen, aber bewusst, gesund und hochwertig. „Morgens gibt es Pancakes mit Apfelmus, mittags Fleisch oder Fisch mit Gemüse, nachmittags Quark und am Abend Kartoffeln und noch mal Fleisch.“Über 20 Kilo hat sie in den vergangenen Monaten zugenommen. „Erst hatte ich Kleidergröße XS, jetzt ist es XL“, verrät die 1,64 Meter große Frau, die inzwischen 70 Kilo auf die Waage bringt. Ihr Mann hingegen ist gerade auf Diät.
„In der Abnehmphase schaufelt man die aufgebauten Muskeln frei. Der Fettpanzer muss runter.“Zumindest beim Essen harmoniert das Paar also momentan nicht. Während sie aktuell 3500 Kalorien am Tag zu sich nimmt, sind es bei ihm gerade mal 1200. Seine Diät hat sich bemerkbar gemacht. Nach dem Muskelaufbau wog der 1,81 Meter große Mann 108 Kilo, am Wettkampftag unlängst waren es nur noch 88. Der Ehering, den er seit der Hochzeit im August trägt, droht mittlerweile vom Finger zu rutschen. Doch das Niveau will Zündt bis zur nächsten Meisterschaft halten. Das bedeutet erst mal weiterhin für ihn: täglich eineinhalb Kilo mageren Seelachs und ein halbes Kilo Gemüse. Na dann Mahlzeit. Kein Wunder, dass die Laune hin und wieder im Keller ist. Die Ehefrau nimmt das gelassen. Er auch. „Beim Autofahren bin ich gerade etwas reizbarer, ansonsten aber eher in mich gekehrt.“Das junge Ehepaar richtet sein Leben ganz auf das Bodybuilding aus. Sie ist Sekretärin in einer Lokalredaktion unserer Zeitung, er Projektmanager im Verlag. Sonntags wird für die nächste Woche vorgekocht, das Mittagessen in Tupperschüsseln portioniert mit in die Arbeit genommen. Denn Kantinenessen geht nicht. Beide trainieren jeden Abend im Studio, er vor Wettbewerben sogar zusätzlich morgens. Abends nur auf der Couch vor dem Fernseher zu sitzen, kommt nicht oft vor.
Die beiden sind Getriebene ihrer eigenen Leidenschaft für den Sport. Andreas Zündt macht es an einem Beispiel fest. Wenn er Fotos von sich betrachte, mache sich bei ihm schon Stolz und auch Verwunderung breit, sagt der Augsburger. „Aber trotzdem überlege ich gleich, welche Stellen meines Körpers noch besser werden könnten. Man ist nie zufrieden und will immer mehr.“Einfach ist es für die Extremsportler nicht, die passenden Klamotten zu finden. „Wenn in einem normalen Geschäft eine Hose mal gut an den Oberschenkeln sitzt, bräuchte ich einen Gürtel, um die entsprechend weite Taille zusammenzuschnüren“, sagt sie. Meist würden sie im Internet bei Spezialkleidung fündig. „Mein Hochzeitskleid hatte ich extra viel zu groß bestellt. Ich sagte dem Verkäufer, dass ich da noch reinwachse“, erzählt die Augsburgerin. „Der wäre fast ausgeflippt. Denn normalerweise versuchen Bräute abzunehmen“, ergänzt ihr Mann. Ob sie sich als verrückt betrachten? „Nicht verrückter als die anderen, die unseren Sport machen“, meint Zündt, der seit 16 JahIhr ren Bodybuilding betreibt. Beide haben unabhängig voneinander die Leidenschaft dafür entdeckt.
Als Paar unterstützen sie sich gegenseitig. Ihr Freundeskreis hat sich über die Zeit verändert. Manchen habe wohl das Verständnis dafür gefehlt, sagen sie. Dafür sind neue Freunde aus der Bodybuilding-Szene hinzugekommen. Auch wenn ihnen ihre Körper wichtig sind, die Zündts sehen sich nicht als selbstverliebte Egozentriker. Im Gegenteil. „Als Bodybuilder bist du äußerst selbstkritisch. Das musst du auch sein, um Gas geben zu können. Und einen gewissen Hang zum Masochismus brauchst du auch, denn der Leidensdruck ist manchmal enorm.“