Dieser Paukenschlag wird lange nachhallen
Seitdem die SPD die CSU bezichtigt hat, den Kita-Ausbau auszubremsen, herrscht Krach im Regierungsbündnis. Die vergangene Woche war ein Einschnitt, doch gefährdet ist die Koalition nicht
Durchs Regierungsbündnis geht seit dieser Woche ein wahrnehmbarer Riss: Die SPD, die seit drei Jahren politisch wenig wahrnehmbar ist, hat der CSU vorgeworfen, den dringend notwendigen Ausbau von Kitas auszubremsen. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) warf dem zuständigen Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) daraufhin sinngemäß vor, beim Kita-Ausbau zu versagen. Von der Tonlage her ist das ein handfester Koalitionskrach.
Wer in der Auseinandersetzung Recht hat, ist nicht zu beurteilen, solange die seit einigen Monaten in Bearbeitung befindliche Kita-Planung nicht auf dem Tisch liegt. Sie dürfte nach den Herbstferien Thema im Stadtrat werden. Interessant wird sein, welche Maßnahmen enthalten sind, und vor allem, welche Maßnahmen warum nicht enthalten sind. Es ist zu befürchten, dass die Ziele beim Ausbau eher schleppend oder gar nicht erreicht werden – sonst wäre die ganze Aufregung ja unnötig.
Nach anfänglicher größtmöglich zelebrierter Harmonie ist seit einem knappen Jahr zu beobachten, dass es zwischen CSU und SPD immer wieder funkt. Doch der KitaStreit hat eine neue Qualität, weil er von den Fraktionen auf die Stadtregierung übergegriffen hat. Gribl hat Kiefer – so war seine Äußerung zu verstehen – vor versammelter Stadtratsmannschaft indirekt angedroht, ihm die Zuständigkeit für den Kita-Bereich zu entziehen. Das ist ein Ausrufezeichen, wenn auch eher ein symbolhaftes. Um Referatszuschnitte zu ändern, wäre ein Stadtratsbeschluss nötig, für den Gribl sich eine Mehrheit suchen müsste. Gribl dürfte so etwas kaum beabsichtigen – es wäre wohl das sofortige Ende der Koalition, und ein Rumpf-Bündnis aus CSU und Grünen allein ist politisch schwer vorstellbar.
Ernsthaft gefährdet ist das Bündnis von CSU und SPD mit den Grünen als weiterem Partner für den Moment kaum. Bei den Großprojekten Theater, Bahnhofstunnel, Schulsanierungen und Uni-Klinik ist man sich einig. Trotzdem war der vergangene Mittwoch, als die SPD ihre Kritik über unsere Zeitung öffentlich machte, eine Zäsur. Die Meinungsverschiedenheit war nicht die erste, aber sie war die erste absichtlich in der Öffentlichkeit ausgeAgieren tragene. Die Sozialdemokraten haben auf die Pauke gehauen – aus inhaltlichen Gründen, in jedem Fall aber auch, um zu zeigen, dass es sie noch gibt. Die Regierungsperiode endet 2020, und in eineinhalb Jahren werden die Vorbereitungen für die Kommunalwahl laufen. Abgesehen davon kann sich jeder selbst seinen Reim darauf machen, dass der Paukenschlag kurz nach der Wahl von Fraktionschefin Margarete Heinrich zur Landtagskandidatin 2018 kam. Von Heinrich, die kein Traumergebnis erhielt, wird von der Partei und ihren Wählern erwartet, im Landtag Oppositionspolitik gegen die CSU zu machen. Vielleicht war das ein Probelauf.
Ruhe ist zwischen den Koalitionspartnern nicht eingekehrt. Das der CSU gestern Abend im Ältestenrat beim Thema Süchtigen-Treff in Oberhausen war ein Denkzettel in Richtung SPD, die zahlenmäßig der deutlich schwächere Bündnispartner ist. „Ohne uns geht nichts“, so die Botschaft der CSU, die kein Freund des Süchtigen-Treffs ist. Seine Chancen auf Realisierung sind gesunken. Möglicherweise werden sich CSU und SPD auch beim Helmut-HallerPlatz künftig gegenseitig Versagen vorwerfen.
Sogar bei Randthemen knirscht es: Die CSU-Stadtratsfraktion warf Wurm und Kiefer gestern in einer zweiseitigen Presseerklärung vor, die geplante Einführung des Handy-Katastrophenwarnsystems „Nina“für sich zu beanspruchen, obwohl diese auf einen CSUAntrag zurückgehe.
An dieser Stelle kommen wir auf das Thema Kindergarten zurück. 1400 Plätze in Krippen und Kindergärten müssen in den kommenden Jahren von der Stadt und den freien Trägern geschaffen werden. Das ist eine riesige Aufgabe. Kinder haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen Platz. Nicht nur, damit Eltern arbeiten gehen können, sondern auch, weil der Kindergarten als sozialer Auffangpunkt und als Bildungseinrichtung heute einen anderen Stellenwert hat als vor 30 Jahren. CSU und SPD haben sich vor drei Jahren zusammengetan, weil sie der Meinung waren, eine gedeihliche Politik für die Stadt umsetzen zu können. Jetzt müssen sie liefern.