Steil, steiler, Dax
Lange verharrte der deutsche Leitindex vor der Marke von 13000 Punkten. Nun erklimmt er fast täglich Rekorde – allen Krisenherden zum Trotz. Was steckt dahinter?
Als Mario Draghi jüngst die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sanft verlängerte, wich auf dem Frankfurter Börsenparkett die letzte Skepsis. Mit Schwung ließ der Dax die Marke von 13 000 Punkten hinter sich – und klettert seither fast jeden Tag höher. Am Mittwoch schaffte der Leitindex gleich 230 Zähler, ohne dass es dafür einen neuen maßgeblichen Grund gab. Und an diesem Freitag knackte der Dax erstmals die 13500 Punkte. Unsicherheiten wie der Brexit, die Spannungen mit Nordkorea oder die Katalonien-Krise stören kaum. Was ist nur los?
Selbst Experten sind erstaunt über die stetigen Gewinne. Denn die üblichen Schwankungen an den Märkten sind klein geworden. Stattdessen läuft der Dax ohne große Rücksetzer immer höher. Binnen eines Jahres steht ein Plus von knapp 30 Prozent: Anfang November 2016 notierte der Dax bei unter 10 300 Zählern. Und einen Crash gab es seit Jahren nicht mehr. „Wir erleben einen der längsten Aktienmarktaufschwünge der Wirtschaftsgeschichte“, sagt Christian Kahler, Anlagestratege bei der DZ Bank. Seit März 2009, dem Börsentief in der globalen Finanzkrise, seien die Kurse stark gestiegen.
Doch für den Aufstieg gibt es gute Gründe: Die Weltwirtschaft gewinnt an Fahrt. Während in den USA der Aufschwung schon länger läuft, erholt sich nun die Eurozone. Dort fiel die Arbeitslosigkeit jüngst auf 8,9 Prozent – der niedrigste Stand seit Januar 2009. So haben viele Bürger mehr Geld in der Tasche. Auch die Firmengewinne wachsen. Jüngst stieg die Stimmung in der deutschen Wirtschaft gemes- sen am Ifo-Index auf einen Rekord. In Schlüsselbranchen wie Elektrotechnik, Chemie oder Maschinenbau brummt das Geschäft. „Die deutsche Wirtschaft steht unter Volldampf“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest. Gestützt wird die Börse zudem von der lockeren Geldpolitik der Zentralbanken weltweit, die die Zinsen gedrückt hat. Investoren legen das billige Geld daher gezwungenermaßen in Aktien an. So hat die EZB zwar angekündigt, ihre Anleihekäufe zu halbieren – aber eben auch um neun Monate zu verlängern. Auch in den USA sind keine starken Zinsanstiege zu erwarten. Der designierte Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, gilt als moderat. Zwar mehren sich die Stimmen, die angesichts der langen Gewinnserie vor einem Börsencrash warnen. Auch sind US-Aktien historisch betrachtet sehr teuer. Sollten sie fallen, dürfte sich der Dax kaum entziehen können. Doch wann ein Crash kommt, weiß niemand.
Viele Großanleger können es sich ohnehin nicht leisten, auszusteigen und dem Kursanstieg hinterherzuschauen. Dann würden ihre Kunden, deren Geld sie verwalten, neidisch auf die Konkurrenz blicken. Zumal die Börsen im Herbst statistisch gesehen oft steigen: Dann läuft die viel zitierte Jahresendrallye. So nährt die Hausse die Hausse.
Zudem sieht es wirtschaftlich gut aus. „Die positive Konjunktur dürfte anhalten, ein unmittelbares Ende ist nicht in Sicht“, schreibt Anlagestratege Kahler. So dürfte 2017 ein herausragendes Jahr im Dax werden. Seit Januar steht ein Plus von fast 18 Prozent. Geht es weiter hoch, winkt das beste Aktienjahr seit 2013 – damals stieg der Dax um rund ein Viertel.