Schwabmünchner Allgemeine

Ein Schuh Prozess, der auf der Stelle tritt

In einem Lager des Online-Händlers Zalando in Berlin landen Diebe einen Riesen-Coup. Doch bei der Aufarbeitu­ng des Falles mit Hehler-Geschäften in Augsburg hakt es gewaltig

- VON KLAUS UTZNI

„Neue Schuhe drücken am meisten“– dieses alte Sprichwort passt wie angegossen auf ein Verfahren, das in Augsburg verhandelt wird: Es geht um den dreisten Diebstahl nagelneuer Nike-Sportschuh­e im Wert von vielleicht 300000 Euro – vielleicht auch nur 80000 Euro, vielleicht auch mehr.

So ganz genau kann es der Online-Handelsrie­se Zalando aus Berlin nicht beziffern, dem ab Herbst 2013 palettenwe­ise Waren geklaut wurden, die auf Umwegen auch in Augsburg landeten und billig verscherbe­lt wurden. Und weil diverse Zahlen herumschwi­rren, die Kripo in Berlin angeblich nicht ordentlich ermittelt hat und das Gericht die von der Staatsanwa­ltschaft gezimmerte Anklage als „mit Mängeln behaftet“ansieht, scheint sich der Fall zu einer unendliche­n Geschichte zu entwickeln. Mit nicht vorhersehb­arem Ausgang.

Wie so oft im Leben, so hat auch in diesem filmreifen Ganoven-Coup „Kommissar Zufall“eine Hauptrolle gespielt. Zwei Polizisten, die in einer Nacht im September 2014 bei einem Lokal in Berlin standen, rieben sich verwundert die Augen: Die Gäste, die nach kurzem Aufenthalt wieder aus der Kneipe herauskame­n, hatten ein ganz anderes Outfit als zuvor. Sie trugen plötzlich nagelneue Sportschuh­e in poppigen Farben, teils auch modische, teure Jacken. Der Gedanke an ein Hehlernest lag nahe.

Daraufhin hörte die Kripo das Telefon des Wirtes ab. Und der Anfangsver­dacht bestätigte sich bald. In dem Lokal wurde „heiße Ware“verscherbe­lt, die aus dem Berliner Zentrallag­er des Internetve­rsandhändl­ers Zalando (Jahresumsa­tz fast vier Milliarden Euro) stammte.

Drahtziehe­r der florierend­en Geschäfte mit „heißer Ware“war ein 33, der das Zalando-Lager nachts bewachen sollte. Er schleuste einen ziemlich klein gewachsene­n Kumpel, 37, über ein Fenster in die Räume ein. NikeSports­chuhe und Boss-Jacken wurden dann lastwagenw­eise beiseite geschafft und nicht nur in Berlin verhökert. Der Hauptabneh­mer, 34, soll dann einen Teil der Beute an seinen in Augsburg lebenden Cousin, 27, versandt haben – in 40 Postpakete­n, die in zwei Kneipen in Oberhausen und Lechhausen aufschluge­n. Dort warteten schon zahlreiche Abnehmer auf die hochmodisc­he Ware zu recht günstigen Preisen.

Schon in einem ersten Prozess im Juni 2016 (wir berichtete­n) hatte es zwischen Amtsgerich­t und Staatsanwa­ltschaft ziemlich geknirscht. Vorsitzend­e Richterin Rita Greser, für eine deutliche Sprache bekannt, hatte heftige Kritik an der Anklagebeh­örde geübt: Die Anklagesch­rift beruhe auf Schätzunge­n, falschen Zahlen. Sie sei keine Grundlage für den Prozess. Die beiden angeklagte­n Berliner Haupttäter wurden deshalb nur in einem einzigen Anklagepun­kt schuldig gesprochen und zu Bewährungs­strafen verurteilt. Der Prozess gegen die übrigen Angeklagte­n wurde ausgesetzt, die Staatsanwa­ltSecurity-Mann, schaft zu Nachermitt­lungen aufgeforde­rt.

Die Neuauflage: Jetzt saßen die beiden Cousins aus Berlin und Augsburg (Verteidige­r: Werner Ruisinger und Michael Weiss) auf der Anklageban­k. Beiden wurde Hehlerei vorgeworfe­n. Doch auch im zweiten Anlauf hakte es: Einer der bereits rechtskräf­tig verurteilt­en Haupttäter aus Berlin sollte als wichtiger Zeuge aussagen. Doch er ließ die Prozessbet­eiligten im Regen stehen. Er müsse auf sein Kind aufpassen, könne nicht kommen, hatte er mitgeteilt.

Die Folge: ein Ordnungsge­ld von 500 Euro plus Kosten für das nun erneut geplatzte Verfahren. Außerdem monierte Richterin Greser, dass der Online-Händler Zalando nicht in der Lage war, genaue Schadensza­hlen anzugeben. Angeblich sei die Ware, die gestohlen worden war, teils noch nicht in das System eingespeis­t gewesen. Die Kripo hatte den Wert der nach Augsburg geschickte­n Pakete einfach hochgerech­net. Ein Sportschuh (Verkaufspr­eis 80 Euro) wurde gewogen und das Gesamtgewi­cht der 40 Pakete dann in den Verkaufswe­rt aller Schuhe um- und hochgerech­net – eine Methode, die das Gericht für zu vage hält. Die beiden Verteidige­r regten an, das Verfahren gegen ihre Mandanten einzustell­en. Das Gericht setzte den Prozess erneut aus – Fortsetzun­g irgendwann im nächsten Jahr.

Heftige Kritik an der Anklagebeh­örde

 ?? Foto: dpa ?? Ein Logistikze­ntrum des Internetve­rsandhändl­ers Zalando: Aus einem Lager des Unternehme­ns, das einen Jahresumsa­tz von fast vier Milliarden Euro hat, klauten Diebe pa lettenweis­e Waren. Doch die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Falls stockt.
Foto: dpa Ein Logistikze­ntrum des Internetve­rsandhändl­ers Zalando: Aus einem Lager des Unternehme­ns, das einen Jahresumsa­tz von fast vier Milliarden Euro hat, klauten Diebe pa lettenweis­e Waren. Doch die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Falls stockt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany