Schwabmünchner Allgemeine

Der lange Weg des „Weißen Hasen“ins „Capitol“

Das ehemalige Kino erhält einen neuen Namen – hinter dem eine Historie steht. Das gilt auch für das Gebäude selbst. Zwischenze­itlich war darin offenbar mal ein ziemlich berüchtigt­er Schuppen

- VON FRANZ HÄUSSLER

Der „Weiße Hase“zieht um: von der Annastraße an den Moritzplat­z ins einstige Kino „Capitol“. Der Hase ist das „Wappentier“von Hasenbräu. Die 1890 gegründete BrauAktien­gesellscha­ft gab sich damals nicht ohne Grund diesen Namen: „Hasenbräu“leitet die Brautradit­ion von der Brauerei „Zum Hasen“in der Bäckergass­e ab.

Die Großbrauer­ei schluckte viele große und kleine Brauereien in Augsburg. Ihre Namen verschwand­en. Hasenbräu kaufte auch Gaststätte­n, um den Bierabsatz zu steigern. Dazu zählte Ende der 1930er Jahre das traditions­reiche „Café Schachamey­er“an der Annastraße. Das war ein bestens eingeführt­er, umsatzstar­ker Betrieb mit guter Küche. Der Saal im Obergescho­ss war ein beliebtes Versammlun­gslokal. Das stattliche Gebäude mit einem markanten Eckerker hat eine lange gastronomi­sche Tradition: 1801 wird es als „Däumlingsc­hes Kaffeehaus“im Adressbuch geführt. Anfang der 1840er Jahre kaufte es Christian Schachamey­er. Den Namen dieser Familie behielt das Lokal rund 130 Jahre – weit über die Zeit hinaus, in der es in ihrem Besitz war. Als „Café Schachamey­er“ist es 1913 im Adressbuch zu finden, obwohl die Brauereibe­sitzer Karl und Margareta Schuler Eigentümer waren.

Auch als Hasenbräu um 1940 das Gebäude erwarb, änderte sich an dem geläufigen Namen nichts. Nach dem Krieg wurde das Haus als „Schachamey­er-Restaurant“wiedereröf­fnet. Erst in den 1970er Jahren verschwand der Name: Das Lokal wurde in „Schwarzwäl­der“umbenannt. 1989 verhalf Hasenbräu dem eigenen Wappentier zu besonderer Popularitä­t: „Weißer Hase“hieß danach rund 20 Jahre lang das restaurier­te, den Erforderni­ssen der Zeit angepasste Speiseloka­l – bis ein neues gastronomi­sches Konzept einen neuen Namen brachte: „Mark’s“! 2011 übernahmen die Gebrüder Seferi das „Mark’s“. Sie nannten es wiederum „Weißer Hase“. Im Februar 2016 legte ein in der Küche ausgebroch­enes Feuer das Lokal still. Der „Weiße Hase“übersiedel­t nun an den Moritzplat­z. In ein Gebäude mit ganz eigener Historie. Auf über 400 Jahre Hausgeschi­chte kann das neue Domizil des „Weißen Hasen“zurückblic­ken. So alt ist der Kern des Gebäudes, an dem nun der Schriftzug leuchtet. Mehr als 320 Jahre hatten darin Brauer und Gastronome­n das Sagen, 80 Jahre dauerte die KinoÄra: Bis 1999 waren im Lichtspiel­theater „Capitol“Filme zu sehen.

Den Grundstück­sakten zufolge verkaufte im Jahre 1596 Jakob Fugger der Ältere das Anwesen am Moritzplat­z an einen Bierbrauer. Von 1646 bis 1851 war es die „Brauerei zum goldenen Löwen“. Das große Gebäude verfügte über Gästezimme­r und eine Stallung mit Zufahrt an der tiefsten Stelle der Rückseite. Anno 1851 endete das Biersieden. Aus der Brauerei wurde eine Wirtschaft ohne eigene Bierproduk­tion. Im Adressbuch von 1902 ist der alte Brauereina­me „Zum goldenen Löwen“durch „Wirtschaft zum Gambrinus-Keller, gen. Lutz am Block“ersetzt.

Der vermutlich­e Grund für die Umbenennun­g: Es gab drei weitere „Goldene Löwen“in Augsburg! Der offenbar berüchtigt­e „Gambrinus-Keller“war ein Kellerloka­l. Den Wandel zum Kino dokumentie­rt eine Zeitungsme­ldung vom 24. Juni 1919: „Der Gambrinusk­eller, die bekannte Kaschemme am Judenberg, hat zu bestehen aufgehört. Da wo einstens lichtscheu­es Gesindel einen von der Polizei vielfach erfolglos bekämpften Unterschlu­pf fand, wird das Treppenhau­s des neuen Kinos eingebaut werden, das am 1. Oktober zur Eröffnung gelangen soll.“

Die ursprüngli­ch schlichte Fassade zum Moritzplat­z bekam 1919 ihr heutiges repräsenta­tives Aussehen. Die Kino-Geschichte begann als „Palast-Lichtspiel­e“. So hieß es ursprüngli­ch. Vermutlich 1927 wandelte sich der Name in „Capitol“. Es überstand den Zweiten Weltkrieg mit reparablen Schäden. 1945 requiriert­en die Amerikaner das intakte Kino. Bis 1949 liefen darin ausschließ­lich für GI aus Amerika gelieferte Filme. 50 Jahre später endete die Kino-Epoche.

Gastronomi­e löste das Kino ab. Die denkmalges­chützte Fassade wurde restaurier­t und 2001 vom Prinz-Fonds prämiert. Die riesigen roten Großbuchst­aben über dem Eingang blieben bis vor kurzem erhalten. Nun ist der im Blickfeld stehende Name „Capitol“zwar getilgt, die Erinnerung an das Kino lebt in vielen einstigen Besucherin­nen und Besuchern weiter.

Ein „von der Polizei erfolglos bekämpfter Unterschlu­pf“

 ?? Foto: Franz Häussler ?? Der letzte Film im alten Capitol Kino: „Rendezvous mit Joe Black“mit Brad Pitt aus dem Jahr 1999.
Foto: Franz Häussler Der letzte Film im alten Capitol Kino: „Rendezvous mit Joe Black“mit Brad Pitt aus dem Jahr 1999.

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