Der lange Weg des „Weißen Hasen“ins „Capitol“
Das ehemalige Kino erhält einen neuen Namen – hinter dem eine Historie steht. Das gilt auch für das Gebäude selbst. Zwischenzeitlich war darin offenbar mal ein ziemlich berüchtigter Schuppen
Der „Weiße Hase“zieht um: von der Annastraße an den Moritzplatz ins einstige Kino „Capitol“. Der Hase ist das „Wappentier“von Hasenbräu. Die 1890 gegründete BrauAktiengesellschaft gab sich damals nicht ohne Grund diesen Namen: „Hasenbräu“leitet die Brautradition von der Brauerei „Zum Hasen“in der Bäckergasse ab.
Die Großbrauerei schluckte viele große und kleine Brauereien in Augsburg. Ihre Namen verschwanden. Hasenbräu kaufte auch Gaststätten, um den Bierabsatz zu steigern. Dazu zählte Ende der 1930er Jahre das traditionsreiche „Café Schachameyer“an der Annastraße. Das war ein bestens eingeführter, umsatzstarker Betrieb mit guter Küche. Der Saal im Obergeschoss war ein beliebtes Versammlungslokal. Das stattliche Gebäude mit einem markanten Eckerker hat eine lange gastronomische Tradition: 1801 wird es als „Däumlingsches Kaffeehaus“im Adressbuch geführt. Anfang der 1840er Jahre kaufte es Christian Schachameyer. Den Namen dieser Familie behielt das Lokal rund 130 Jahre – weit über die Zeit hinaus, in der es in ihrem Besitz war. Als „Café Schachameyer“ist es 1913 im Adressbuch zu finden, obwohl die Brauereibesitzer Karl und Margareta Schuler Eigentümer waren.
Auch als Hasenbräu um 1940 das Gebäude erwarb, änderte sich an dem geläufigen Namen nichts. Nach dem Krieg wurde das Haus als „Schachameyer-Restaurant“wiedereröffnet. Erst in den 1970er Jahren verschwand der Name: Das Lokal wurde in „Schwarzwälder“umbenannt. 1989 verhalf Hasenbräu dem eigenen Wappentier zu besonderer Popularität: „Weißer Hase“hieß danach rund 20 Jahre lang das restaurierte, den Erfordernissen der Zeit angepasste Speiselokal – bis ein neues gastronomisches Konzept einen neuen Namen brachte: „Mark’s“! 2011 übernahmen die Gebrüder Seferi das „Mark’s“. Sie nannten es wiederum „Weißer Hase“. Im Februar 2016 legte ein in der Küche ausgebrochenes Feuer das Lokal still. Der „Weiße Hase“übersiedelt nun an den Moritzplatz. In ein Gebäude mit ganz eigener Historie. Auf über 400 Jahre Hausgeschichte kann das neue Domizil des „Weißen Hasen“zurückblicken. So alt ist der Kern des Gebäudes, an dem nun der Schriftzug leuchtet. Mehr als 320 Jahre hatten darin Brauer und Gastronomen das Sagen, 80 Jahre dauerte die KinoÄra: Bis 1999 waren im Lichtspieltheater „Capitol“Filme zu sehen.
Den Grundstücksakten zufolge verkaufte im Jahre 1596 Jakob Fugger der Ältere das Anwesen am Moritzplatz an einen Bierbrauer. Von 1646 bis 1851 war es die „Brauerei zum goldenen Löwen“. Das große Gebäude verfügte über Gästezimmer und eine Stallung mit Zufahrt an der tiefsten Stelle der Rückseite. Anno 1851 endete das Biersieden. Aus der Brauerei wurde eine Wirtschaft ohne eigene Bierproduktion. Im Adressbuch von 1902 ist der alte Brauereiname „Zum goldenen Löwen“durch „Wirtschaft zum Gambrinus-Keller, gen. Lutz am Block“ersetzt.
Der vermutliche Grund für die Umbenennung: Es gab drei weitere „Goldene Löwen“in Augsburg! Der offenbar berüchtigte „Gambrinus-Keller“war ein Kellerlokal. Den Wandel zum Kino dokumentiert eine Zeitungsmeldung vom 24. Juni 1919: „Der Gambrinuskeller, die bekannte Kaschemme am Judenberg, hat zu bestehen aufgehört. Da wo einstens lichtscheues Gesindel einen von der Polizei vielfach erfolglos bekämpften Unterschlupf fand, wird das Treppenhaus des neuen Kinos eingebaut werden, das am 1. Oktober zur Eröffnung gelangen soll.“
Die ursprünglich schlichte Fassade zum Moritzplatz bekam 1919 ihr heutiges repräsentatives Aussehen. Die Kino-Geschichte begann als „Palast-Lichtspiele“. So hieß es ursprünglich. Vermutlich 1927 wandelte sich der Name in „Capitol“. Es überstand den Zweiten Weltkrieg mit reparablen Schäden. 1945 requirierten die Amerikaner das intakte Kino. Bis 1949 liefen darin ausschließlich für GI aus Amerika gelieferte Filme. 50 Jahre später endete die Kino-Epoche.
Gastronomie löste das Kino ab. Die denkmalgeschützte Fassade wurde restauriert und 2001 vom Prinz-Fonds prämiert. Die riesigen roten Großbuchstaben über dem Eingang blieben bis vor kurzem erhalten. Nun ist der im Blickfeld stehende Name „Capitol“zwar getilgt, die Erinnerung an das Kino lebt in vielen einstigen Besucherinnen und Besuchern weiter.
Ein „von der Polizei erfolglos bekämpfter Unterschlupf“