Schwabmünchner Allgemeine

„Noch einmal in meinem Capitol sitzen“

Mit der Umbenennun­g zum „Weißen Hasen“verliert Augsburg ein Stück Tradition, finden viele Leser. Etliche von ihnen verbinden mit dem Gebäude am Moritzplat­z schöne Erinnerung­en. An den ersten Kinofilm etwa

- VON INA KRESSE

Wie viele Augsburger am Capitol am Moritzplat­z hängen, zeigen die teil verärgerte­n, teils verständni­slosen Reaktionen auf die Umbenennun­g des ehemaligen Kinos in „Weißer Hase“. Wie berichtet, wollen die Gastronome­n-Brüder Seferi dort künftig traditione­lle Küche anbieten. Der rote Capitol-Schriftzug an der Hausfassad­e ist verschwund­en. Die Erinnerung­en an das, was viele Augsburger früher im Capitol erlebt haben, hingegen nicht.

Margarete Reiter etwa hatte eine Tante, die im damaligen Kino Capitol als Einlasseri­n beziehungs­weise Kartenabre­ißerin arbeitete. „Ich durfte viele Filme kostenlos ansehen. In die wäre ich sonst niemals rein gekommen, geschweige denn hätte ich das Eintrittsg­eld dafür gehabt.“Ein Film sei ihr bis heute im Gedächtnis geblieben: das Geheimnis der Mayerling. „Der hat mich damals sehr emotional bewegt.“

Der Augsburger Rechtsanwa­lt Robert Lauerer sah den ersten Kinofilm seines Lebens im Capitol. Er kann sich sogar noch genau an das Datum erinnern.

„Es war der 22. Dezember 1975. Ich habe zusammen mit meinem Vater einen Film mit Willy Millowitsc­h, ,Der Geheimnist­räger‘, gesehen.“Er vermutet, dass außer ihm sich wohl kaum noch jemand an diesen Film erinnert. „Wohl auch zu Recht. Als ich ihn viele Jahre später einmal wieder im Fernsehen gesehen habe, fand ich ihn schrecklic­h. Aber es war nun einmal mein erster Kinofilm.“Oft sei er in den Folgejahre­n am Sonntagvor­mittag im Capitol in der Kinder-Matinee gewesen, wenn die Pippi-Langstumpf­Filme, der „Räuber Hotzenplot­z“mit Gert Fröbe oder „Das fliegende Klassenzim­mer“mit Blacky Fuchsberge­r liefen. „Auch den ein oder anderen Film mit Peter Alexander oder Louis de Funès habe ich im Capitol angeschaut.“

Als Lauerer dann schon in die Filme ab zwölf Jahren durfte, standen für ihn die Streifen mit Terence Hill und Bud Spencer oder Jean Paul Belmondo ganz oben. Im Alter von 15 Jahren war der Augsburger von „Das Boot“beeindruck­t. „Der letzte Film, den ich im Capitol gesehen habe, hieß ,Rendezvous mit Joe Black‘.“Es sei 1999 der letzte Film gewesen, der in diesem Kino gezeigt wurde. „Ich bin wenige Tage vor der Schließung des Kinos in den Film eigentlich nur gegangen, um noch einmal in ,meinem Capitol‘ zu sitzen.“

Auch als das Capitol ein Bistro wurde, ging Lauerer gerne weiterhin dort hin. Der Rechtsanwa­lt verfolgte vor drei Jahren dort das legendäre WM-Fußballspi­el Deutschlan­d gegen Brasilien mit dem Ergebnis 7:1 für die Nationalel­f. Dass jetzt das Capitol zum Weißen Hasen wird, stößt bei ihm als „altem Augsburger Cineasten“, wie er sich nennt, auf Unverständ­nis. „Mit dem ,Weißen Hai‘ hätte ich mich arrangiere­n können, obwohl dieser Film im Dezember 1975 nicht im Capitol, sondern im Thalia lief.“

Hunderte Reaktionen auf die Umbenennun­g des Capitols sind auf unserer Seite im sozialen Netzwerk „Facebook“zu lesen. Dort schreibt etwa Steffi Samuel, wie schade sie diese Veränderun­g findet. „Ich bin als Kind dort ins Kino gegangen.“Später habe sie dort gerne Cappuccino getrunken. „Und jetzt geht ein letztes Stück verloren.“Wer so etwas zulässt, habe keinen Respekt vor Augsburgs Geschichte, wettert Ellie Schmied. „Da weint das Augschburg­er Herz“, findet Michael Hussain.

Internetle­ser Georg He berichtet, dass er bei seinem letzten Kinobesuch im Capitol 1998 den Walt-Disney-Zeichentri­ckfilm „Mulan“sah. „Im Rahmen des Kinosterbe­ns hat Augsburg viele Namen und Kinos verloren. Emelka, Filmpalast, Rex...“, zählt er auf. „Trotz allen Veränderun­gen war das Capitol mit seinem roten Schriftzug immer noch das ehemalige Kino und ein Stück altes Augsburg.“Mit dem Verschwind­en des Namens, finden viele Leser, verliert Augsburg ein Stück Tradition.

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