Die Straßenbahn ist für sie kein Grund zum Jubeln
Die Freien Wähler kritisieren zu wenig Mitspracherecht für die Stadt beim Bau, bei den Zuschüssen und bei den Tarifen. Außerdem plädieren sie für mehr bezahlbaren Wohnraum und mehr Personal für die GWG
Während des Sommers haben wir mit allen Parteien im Königsbrunner Stadtrat Interview zur Halbzeit der Wahlperiode geführt. Die Freien Wähler fehlten bisher aus terminlichen Gründen noch: die Freien Wähler. Jetzt schließt sich die Reihe mit einem Gespräch mit Helmut Schuler und Jürgen Raab über die Ideen der Partei zu den Königsbrunner Großprojekten, zur Arbeit im Stadtrat und zur Frage, was der Ausbau einer Straße die Bürger kosten sollte.
Die Freien Wähler plädieren für wiederkehrende Beiträge beim Straßenausbau. Eine Entscheidung darüber soll vor der Planung der Bürgermeister-Wohlfarth-Straße fallen. Warum favorisieren Sie dieses Modell?
Bisher wurden die Kosten nur auf die Anlieger umgelegt. Mit den wiederkehrenden Beiträgen bezahlen Grundstückeigentümer jedes Jahr einen kleinen Beitrag. Wir sprechen hier im Regelfall über etwa 100 Euro pro Jahr. Das ist deutlich sozialer und weniger existenzgefährdend, als wenn plötzlich ein Bescheid über eine fünfstellige Summe im Briefkasten liegt. Und es geht ja nicht nur die Anwohner der alten B17 an. Auch bei der Blumenallee wird eine Sanierung in absehbarer Zeit nötig sein.
Bleiben wir bei der BürgermeisterWohlfarth-Straße: Wie stellen Sie sich das neue Verkehrskonzept vor?
Wir werden an einigen Stellen Möglichkeiten für spätere Nachrüstungen schaffen müssen, da die Rathauswiese noch länger unbebaut bleiben wird und die Ostseite der Bürgermeister-Wohlfarth-Straße schwer planbar ist. Bei der Verkehrsplanung haben wir bislang nur die Nord-Süd-Achse. Wenn wir den Verkehr dort wegbringen wollen, brauchen wir auch Straßen, die die Fahrzeuge aufnehmen können.
Man muss den Autofahrern die Motivation geben, im Zweifel um das Zentrum herum und über Lech- und Wertachstraße zu fahren. Dazu gehören auch intelligentere Lösungen, wie zum Beispiel Beipässe für Rechtsabbieger am geplanten Kreisverkehr an der Wertachstraße/Königsallee. Im Zentrum selbst gilt es, auch mit baulichen Maßnahmen Aufenthaltsqualität zu schaffen. In Bobingen ist das gut gelungen: Dort zeigt schon der andere Straßenbelag, dass man sich in einem besonderen Bereich befindet. Bei uns sieht das Zentrum noch aus wie eine Durchgangsstraße.
Bei der Straßenbahn haben Sie im Stadtrat einige Kritik geäußert. Wo sehen Sie Probleme?
Wir sind grundsätzlich für die Straßenbahn, allerdings gibt es bei den Vereinbarungen Schwächen. Bei den Zuschüssen beim Schallschutz wurde nur die Grundausstattung vereinbart. Weitere Verbesserungen wie die Rasengleise, die den besten Schallschutz bieten, müssen wir selbst bezahlen. Und das sollten wir auch tun, um den Bürgern den bestmöglichen Schutz zu geben und Einsprüche gegen das Projekt zu reduzieren. Der Augsburger Stadtrat hat bereits im Juli beschlossen, auf der ganzen Strecke ab Haunstetten diese Gleise zu bezahlen.
Auch bei der Zuschussvereinbarung ist für uns fraglich, ob man nicht bessere Bedingungen bekommen konnte. Zudem ist die momentane Tarifpolitik für uns unannehmbar. Stand jetzt müssen wir pro Jahr 317000 Euro zahlen, wobei dieser Betrag mit jeder Tariferhöhung angeglichen wird, haben aber keinerlei Einfluss auf Tarife oder Zoneneinordnung. Wir müssen am Bepo-Gelände die Grundstücke für die Trasse kaufen, die Ausgleichsflächen sind auch unser Problem. Und mit der Straßenbahn werden einige Buslinien wegfallen, weil es keinen Parallelverkehr geben darf. Also müssen wir sehen, wie wir die Anwohner beispielsweise vom Ilsesee zur Straßenbahn bekommen.
Der Wohnungsbau ist ein zentrales Thema. Wie sehen Sie die Entwicklung, was muss noch getan werden?
Wir werden mehr kleine, bezahlbare Wohnungen brauchen. Daher müssen wir die GWG als un- seren Gegenentwurf zu privaten Bauträgern weiter stärken. Die Abstimmung ist sehr gut und als eigene Firma kann man deutlich schneller arbeiten als die Kommune, wo mehr Regulierungen gelten. Den Bestand auf 1000 Wohnungen zu erhöhen, wäre aus unserer Sicht in den nächsten sieben bis zehn Jahren möglich. Dazu müsste man der GWG mehr Personal zur Verfügung stellen und schnell die verfügbaren Flächen angehen. Dass der Bedarf da ist, zeigt sich an der großen Nachfrage für die im Bau befindlichen Projekte.
Bei den Gewerbeflächen muss man überlegen, ob sich im Süden an der Gemeindegrenze eine solche entwickeln kann. Oberottmarshausen weist dort neue Flächen aus. Eventuell könnte man dort anschließen. Gelingt das, ließe sich mit der Bebauung eventuell verhindern, dass dort die Trasse der geplanten Augsburger Ostumgehung entlang verlegt wird. Auch bei diesem Thema muss man am Ball und auch im Kontakt mit den umliegenden Gemeinden bleiben. Gemeinsam lässt sich sicher leichter Einfluss auf die Entscheidungen nehmen.
Wie sehen Sie die Möglichkeit einer weiteren Wohnbebauung im Zentrum?
Man hat auf der Rathauswiese leider nicht rechtzeitig Grundstücke bevorratet, sondern sich auf Privatunternehmen verlassen. Jetzt sind Grundbesitzer in der Situation, die Entwicklung dort aufzuhalten, indem sie den Grund nicht verkaufen. Aber ein Enteignungsverfahren kann niemand wollen.
Im Zentrum sind viele Fragen offen. Baut man neben der Sparkasse ein Behördengebäude, das unter anderem jene Verwaltungen aufnimmt, für die momentan Miete gezahlt wird? Auch ein Drogeriemarkt oder andere Non-food-Märkte sind denkbar. Wir haben schon gefordert, die Mittelschule Süd so auszubauen, dass alle Schüler dort unterrichtet werden könnten. So wäre am Standort der Mittelschule Nord Platz für weitere Wohnbebauung. Durch die Entwicklung bei der Therme muss man auch die Ost-West-Achse überdenken. Eventuell könnte doch dort das neue Zentrum entstehen.
Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit Stadtrat und Bürgermeister?
Bürgermeister Feigl hat viel Fachwissen, man fühlt sich ernstund wahrgenommen und es gibt
„Es wurde vieles angestoßen, vieles dauert aber lange.“Jürgen Raab
gute Diskussionen. Manchmal würde ich mir mehr Durchsetzungsvermögen von ihm wünschen.
Im Stadtrat dürfen wir nicht so lange diskutieren. Es muss auch mal entschieden werden, dass jetzt abgestimmt wird. Es wurde schon über eine Begrenzung der Redezeit nachgedacht. Das Problem betrifft alle Fraktionen, auch unsere.
Was müsste noch umgesetzt werden, damit die Wahlperiode aus Ihrer Sicht ein Erfolg war?
Es wurde vieles angestoßen, vieles dauert aber lange. Daher muss man sagen, dass sich in dieser Wahlperiode wohl nicht mehr viel Neues umsetzen lassen wird. Ich hoffe, dass beim Projekt Kreisverkehr am Friedhof und bei den Schulen die Bauarbeiten bald losgehen, damit auch für die Bürger deutlich wird, es tut sich was. Ich kann nachfühlen, dass es einigen zu langsam geht. Eine GmbH wäre deutlich schneller. Verbesserungswürdig finde ich die Informationspolitik der Stadt, hier könnten mehr Hintergründe dargestellt werden, warum bei manchen Dingen scheinbar nichts vorangeht.
OEinen Informations abend für Bürger zum Modell der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge gibt Jürgen Raab als Experte am Donnerstag, 23. November, um 19 Uhr im Hotel Krone.