Gehen Augsburg die Unternehmer aus?
Einen passenden Nachfolger zu finden wird immer schwerer. Woran das liegt
Die Zahlen sind (noch) nicht alarmierend, aber sie lassen aufhorchen: Immer mehr Unternehmer in Augsburg haben Schwierigkeiten, einen passenden Nachfolger zu finden und so ihren Betrieb und die daran geknüpften Arbeitsplätze zukunftssicher zu machen. Die Zahl der zur Übernahme anstehenden Unternehmen liegt in Augsburg Stadt und Landkreis nach Schätzungen der Hypovereinsbank (HVB) bei rund 900 bis zum Jahr 2025. Damit in Verbindung stünden etwa 56000 Arbeitsplätze. Die HVB hat Unternehmen ab zehn sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten untersucht. Gemessen an den 2800 Unternehmen, die in diese Kategorie fallen, wäre demnach ein Drittel von der Übernahmeproblematik betroffen.
Auch die Handwerkskammer für Schwaben (Hwk) sowie die Industrieund Handelskammer (IHK) weisen auf die zunehmende Zahl übergabereifer Unternehmen hin. In ganz Schwaben stünden in den nächsten fünf bis zehn Jahren etwa 20 Prozent der derzeit rund 29000 Mitgliedsbetriebe der Hwk zur Übergabe an. Nehme man allein die Firmen, deren Inhaber das 60. Lebensjahr erreicht hätten, seien dies etwa 4000, heißt es.
Warum sich immer weniger Interessenten für eine Betriebsübernahme finden, hat verschiedene Gründe. „Einer davon ist der demografische Wandel“, sagt Peter Hoffmann, Leiter des Firmenkundengeschäfts der HVB. „Die Zahl der zur Übernahme anstehenden Unternehmen ist mittlerweile größer als die Zahl der potenziellen Nachfolger“, bezieht er sich auf einen Report des Deutschen Industrieund Handelskammertags. Claudia Hintermayr, Leiterin des Beratungszentrums für Betriebswirtschaft bei der IHK, ergänzt: „Zum einen erreichen immer mehr Unternehmer das Ruhestandsalter, gleichzeitig gibt es wegen der sehr guten Arbeitsmarktsituation immer weniger Interessenten für eine Übernahme.“
Der größte „Hindernis“bleibe jedoch der Mensch selbst. Da sind sich die Experten einig. „Viele Unternehmer schieben eine Übergabe auf die lange Bank. Für sie ist dieser Begriff negativ belegt. Deshalb versuchen sie, eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu umgehen“, so Bank-Experte Hoffmann.
Da sei die Angst, nach einer Übergabe seinen gesellschaftlichen Status zu verlieren oder die Befürchtung, der Nachfolger könnte das Unternehmen umgestalten oder im schlimmsten Fall in den Ruin führen. Weil rund 50 Prozent der Firmen und Betriebe innerhalb der Familie weitergegeben werden, stünden viele Unternehmer vor der Frage, wie das Geschäft fair auf mehrere Kinder verteilt werden könne. Weil es an Lösungsmöglichkeiten fehlt, werde das Thema oft vertagt. „Dabei ist es wichtig, sich schon mit 50 erste Gedanken zu machen, wie die Zukunft aussehen soll. Denn Nachfolger werden nicht geboren, sie müssen gezogen werden“, so Hoffmann. Doch welche Auswirkungen hätte es, wenn tatsächlich viele Augsburger Unternehmen keinen Nachfolger finden sollten? „Die volkswirtschaftliche Bedeutung ist gewaltig. Es geht um zahlreiche Arbeitsplätze. Die Betriebe sichern zudem die Versorgung in der Region“, ordnet Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Hwk, ein. Weil die Wirtschaft in Schwaben stark von Familienunternehmen geprägt sei, stünden auch eine Vielzahl an Ausbildungsplätzen auf dem Spiel, so Claudia Hintermayr. Banken-Experte Hoffmann sieht dagegen den Unternehmergeist in Gefahr, und auch die Innovationskraft, die in vielen mittelständischen Betrieben stecke, würde auf der Strecke bleiben. Was die Arbeitsplätze betrifft, ist er dagegen optimistischer als die Vertreter der Kammern. „Wegen des akuten Fachkräftemangels bin ich der Meinung, dass im Fall einer Betriebsschließung die meisten Arbeitnehmer wieder eine Stelle finden würden.“Dennoch müsse es gar nicht so weit kommen. Wer sich rechtzeitig mit dem Thema befasse, könne meist auch eine Lösung finden. In Einzelfällen müsse man aber auch akzeptieren, dass die Ära eines Unternehmens endet.
Oft wird verpasst, rechtzeitig einen Nachfolger zu suchen