Esst mehr Blut! Über die Ernährung in Zeiten des Krieges
Not macht erfinderisch. Und ohne Zweifel ein großer Erfinder ist der Pharmakologe und Chemiker Rudolf Kobert. Als Direktor des Instituts für Pharmakologie und Physiologische Chemie der Universität Rostock denkt dieser in diesen entbehrungsreichen Kriegsjahren über Möglichkeiten nach, die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. Sein besonderes Interesse gilt der Verwertung eines Abfallprodukts: das Blut von Schlachttieren. Schon in vierter Auflage erscheint im Januar 1917 sein wissenschaftliches Manifest für die Verwendung des bislang so stiefmütterlich behandelten Abfallprodukts der Tierschlachtung.
Schon in Sparta im alten Griechenland habe man sich gerne und mit Genuss von Blut ernährt, schreibt Kobert. Erst später kam man, wohl vor allem aus religiösen und hygienischen Gründen, wieder davon ab. Das könne aber in modernen Zeiten, erst recht, wo die Not doch groß ist, nicht mehr gelten. „Eine so unvergleichlich wichtige Arznei- und Nährsubstanz aus der menschlichen Kost grundsätzlich ausschalten, wie dies Unverständige noch immer tun, heißt sich versündigen an den von der Natur für uns gelieferten Nahrungsmitteln. Ist dies schon in Friedenszeiten unentschuldbar, so fordert es im Kriege unsern schärfsten Tadel heraus.“Und Kobert ist auch Praktiker, hier eines seiner Rezepte:
Schwarzsauer von Gänseblut, Entenblut, Schweineblut, Rinderblut.
Flügel, Hals, Kopf, Füße, Magen und Herz von 1 Gans oder 2 Enten kocht man in 3/4 Liter Wasser mit 1 Eßlöffel Salz in 2–3 Stunden weich unter Zusatz von 5 Gewürzkörnern, 5 Nelken und 5 Pfefferkörnern. Wenn das Fleisch gar ist, werden diese Gewürze durch ein Sieb wieder ausgeschieden. Alsdann wird 1/10 Liter Mehl in 20 Gramm Butter geschwitzt und mit der Suppe verkocht. Hernach wird an die Suppe das Blut der Gans oder zweier Enten, das aus den geöffneten Halsadern in einem Gefäß mit 1/10 Liter Küchenessig unter Rühren aufgefangen und inzwischen kalt aufbewahrt worden ist, in langsamem Strahle unter weiterem Rühren durch ein Sieb gegossen. Das im Siebe zurückbleibende Fibrin wird mittelst einer Schere möglichst fein zerschnitten und dann gleichfalls zugefügt. Das Gericht gewinnt wesentlich an Wohlgeschmack, falls 1/4 Liter Backobst (Pflaumen, Äpfel, Birnen) oder frische viertelig zerschnittene Kochbirnen, alles vorher gekocht und mit Zucker gesüßt, zugesetzt wird. Endlich gehören noch Mehlklöße oder Grießklöße dazu. Das Gemisch aller genannten Speisen wird in einer großen Schüssel aufgetragen. Für diejenigen, denen keine Gans zur Verfügung steht, genügt Schweinefleisch und Schweineblut. Zusatz von dickem, braunem Pfefferkuchen ist für diejenigen anzuraten, welchen das Obst fehlt.
Über die Benutzung von Blut als Zusatz zu Nahrungsmitteln. Ein Mahnwort zur Kriegszeit von Geheimrat Prof. Dr. Rudolf Kobert.