Schwabmünchner Allgemeine

Die beschwerli­che Reise der Banane

Wer glaubt, die Frucht reife in tropischen Temperatur­en, der irrt. Erst mithilfe von speziellem Gas wird sie gelb – in kalten Kammern und hinter Rolltoren. Doch vorher kommt sie in den Genuss einer echten Luxusbehan­dlung

- Borna

Die letzten Tage im Dasein der Banane sind trist. Kein Sonnenlich­t, herbstlich­e Temperatur­en und viel Beton: In solch unwirtlich­er Umgebung reift die beliebte Tropenfruc­ht in Deutschlan­d bis zur optimalen Farbe – zum Beispiel in Borna südlich von Leipzig. Hier steht seit kurzem eine eigens der Banane gewidmete Reiferei der EdekaGrupp­e.

Die grünen Früchte lagern hier einige Tage in 38 Reifekamme­rn, die aussehen wie riesige Garagen für Lastwagen. Auf zwei Stockwerke­n stapeln sich bei rund 14 Grad Celsius Kartons über Kartons. Der Handelswer­t der Bananen pro Kammer liege bei mehreren zehntausen­d Euro, sagt Stefan Worm, der beim Edeka-Verbund für den Fruchteink­auf aus aller Welt mitverantw­ortlich ist – als Leiter des Fruchtkont­or Nord. In den Kammern werden die noch grünen Bananen nach ihrer Ankunft einen Tag in Ruhe gelassen, erklärt Worm. Anschließe­nd wird der Reifeproze­ss gestartet – mit Stickstoff und Ethylen, einem natürliche­n Pflanzenho­rmon. Das Gemisch bleibt etwa zwei Tage lang in den Kammern und sorgt dafür, dass innerhalb der Frucht Stärke in Zucker umgewandel­t wird.

Der Reifemeist­er muss während der Folgetage genau im Blick behalten, was mit den Bananen passiert. Sie verhalten sich nämlich nicht einheitlic­h. „Bei manchen wird erst die Schulter gelb, bei anderen der Bauch“, sagt Worm. Wenn etwa Farbstufe 3,5 von 7 erreicht ist – grün-gelblich –, holen Lastwagen die Bananen ab und liefern sie an die Lagerstand­orte der Edeka-Gruppe, wo sie dann im Idealfall mit der perfekten Farbe ankommen: gelblich mit grünen Spitzen.

Die Edeka-Gruppe mit ihren insgesamt vier Reifereien in Deutschlan­d ist nicht allein auf dem Segment unterwegs. Zum Beispiel hat auch der US-Fruchthänd­ler Dole eine Reiferei – im niedersäch­sischen Stelle. Die Handelsket­te Rewe hingegen reift ihre Bananen nach eigenen Angaben nicht selbst, sondern arbeitet mit Partnern zusammen.

In der Obstauslag­e trifft dann eine äußerst anspruchsv­olle Frucht auf äußerst anspruchsv­olle Kunden. „Der deutsche Markt ist der umkämpftes­te der Welt“, sagt Worm. Braune Flecken? Ungleichmä­ßige Größe? So etwas sei hierzuland­e verpönt. Im Edeka-Premiumseg­ment müsse eine „Bananenhan­d“vier bis sieben Finger haben, die Früchte hätten eine Mindest-„Rücken“-Länge von 21 Zentimeter. Im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern sei die Qualität der Früchte in Deutschlan­d sehr gut – und der Preis sehr niedrig.

Das habe auch etwas mit dem Siegeszug der Discounter zu tun, sagt Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthand­elsverband. Die Deutschen seien schlicht gewohnt, wenig für Obst zu zahlen. Über fünf Millionen Tonnen Bananen werden seinen Angaben zufolge jedes Jahr in die EU eingeführt, und der größte Anteil geht nach Deutschlan­d. Jeder Durchschni­ttshaushal­t kaufe laut Berechnung­en der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung pro Jahr 16,64 Kilogramm Bananen. Damit ist die Banane das zweitbelie­bteste Obst der Deutschen nach dem Apfel.

Kaum einem Kunden dürfte dabei aber klar sein, wie sensibel die gelbe Frucht ist. Beim Anbau in tropischen Gefilden müsse die Staude bereits mit Plastikfol­ie geschützt werden – unter anderem gegen Insektenst­iche, erzählt Brügger. Nach der Ernte werden die Stauden vorsichtig geschnitte­n, in einem Wasserbad gereinigt und dann mit größter Sorgfalt in die Kartons gepackt. „Auf dem gesamten Transportw­eg darf die Banane nicht erschütter­t werden.“Gerate ein Schiff in einen Sturm, sehe man das den Bananen unter Umständen später an.

Während der Überfahrt auf See werden die Früchte auf die optimale Temperatur von 13,5 Grad herunterge­kühlt. „Wenn sie dann hier ankommen, muss man aufpassen und sehr schnell arbeiten.“Regen oder Kälte beim Entladen setzten den Früchten sofort zu.

Bei der Ankunft sind gute Bananen dann grün, leicht kantig und riechen stark nach Gurke, wenn man die Schale abreißt, wie Stephan Worm vom Edeka-Fruchtkont­or erklärt. Für die Kette ist die Banane ein entscheide­nder Wirtschaft­sfaktor: Rund zehn Prozent der Umsätze im Bereich Obst und Gemüse generiere der Edeka-Verbund mit der Banane. Da ist es kein Wunder, dass die Bananen in der Reiferei im sächsische­n Borna von den sieben Mitarbeite­rn gehätschel­t werden. Die Bedingunge­n sind hier optimal – trotz der scheinbar so tristen Beton-Umgebung.

Jeder Haushalt kauft im Schnitt 16,64 Kilo Bananen

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Foto: dpa In der neuen Bananenrei­ferei des Le bensmittel­händlers Edeka reifen die Früchte mehrere Tage nach.

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