Die ewige Baustelle
Am Freitag soll ein neuer Eröffnungstermin für den Berliner Flughafen verkündet werden – über fünf Jahre nach dem zunächst geplanten Datum. Die Kosten haben sich seitdem fast verdreifacht. Und schon jetzt ist der Airport zu klein
Es ist mal wieder so weit. Für den Berliner „Fluchhafen“soll noch vor Weihnachten ein Eröffnungstermin verkündet werden. Und erneut stehen hinter dem Datum viele Fragezeichen. Ursprünglich hätten die ersten Flieger bereits 2012 vom nach seinem internationalen Kürzel BER genannten Airport starten sollen, sechs Jahre nach dem Baubeginn. Doch seither wurde der Start bereits sechsmal verschoben, das ambitionierte Verkehrsprojekt ist längst zum Sinnbild des Scheiterns geworden.
Der Hauptstadtflughafen, der Symbol der deutschen Einheit sein sollte, steht heute weltweit für ein schier unglaubliches Versagen bei Planung, Bau und Management. Berichte über nicht endende Probleme mit der Brandschutzanlage, zu kurze Rolltreppen, falsch nummerierte Räume, völliges Chaos bei der Führung von Kabeln und Leitungen oder nicht funktionierende Automatiktüren füllen Bände. Teilweise sind manche Anlagen auf der Baustelle, die an das Gelände des ehemaligen DDR-Flughafens Schönefeld angrenzt, schon wieder sanierungsbedürftig, obwohl sie noch nie in Betrieb waren.
Auch die Kosten sind völlig aus dem Ruder gelaufen. Wurden sie ursprünglich auf 2,5 Milliarden geschätzt, summieren sie sich bereits jetzt auf 6,6 Milliarden Euro. Weil die drei Bauherren der Bund sowie die beiden Länder Berlin und Brandenburg sind, zahlt die Zeche der Steuerzahler.
Am kommenden Freitag wird sich der Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung mit dem Inbetriebnahmetermin beschäftigen. Rund 2000 Tage sind seit dem ursprünglich angekündigten Datum vergangen. Auch hochkarätige Manager wie Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn oder der frühere Bombardier-Mann Karsten Mühlenfeld haben es nicht geschafft, das PannenProjekt zum Ende zu bringen.
Im vergangenen März trat Mühlenfeld zurück, für ihn rückte der Stadtplaner Engelbert Lütke Daldrup nach, der sich in den Monaten darauf erst einmal ein Bild von der Lage machen wollte. Die, so heißt es aus Kreisen von Projektbeteiligten, ist alles andere als rosig. Die Arbeiten gehen demnach deutlich langsamer voran, als erhofft. Ob bei den rund 1600 Automatiktüren oder bei den fast 80000 Sprühköpfen der Sprinkleranlage – es bleibe noch viel zu tun. Die Betreibergesellschaft formuliert es positiver, doch auch aus der offiziellen Stellungnahme geht hervor, dass es noch vielerorts klemmt: Mittlerweile sind mehr als 80 Prozent der Türen fertiggestellt und betriebsbereit. Zudem sind jetzt 77 Prozent der hydraulischen Berechnungen für die Sprinkler fertiggestellt. Bei den prüfpflichtigen Anlagen wurden 61 Prozent der Sachverständigen-Prüfungen abgeschlossen.
Nicht einfacher wird die Situation dadurch, dass sich die Verhandlungen mit den beteiligten Firmen über den Abschluss der Arbeiten dem Vernehmen nach teils im Kreis drehen. Weil die Flughafenbetreiber den Firmen mitunter gar nicht sagen könnten, wann sie mit den Arbeiten beginnen können, weigerten sich diese, verbindliche Fertigstellungstermine zu nennen. So lasse sich kaum ein wirklich zuverlässiges Zeitfenster für die endgültige Eröffnung nennen.
Dennoch wird davon ausgegangen, dass Lütke Daldrup weiterhin den Abschluss der Bauarbeiten für Ende August 2018 anstrebt. Doch selbst wenn der Flughafen rein baulich fertig wäre, müsste er noch aufwendig unter praxisnahen Bedingungen getestet werden. Und wie lange mögliche Nachbesserungen dauern würden, vermag erst recht niemand zu sagen.
Gleichzeitig müssen sich die Flughafen-Betreiber schon jetzt Gedanken über die Erweiterung des noch lange nicht eröffneten BER machen. Denn längst ist klar, dass der Flughafen, ausgelegt für 22 Millionen Passagiere im Jahr, viel zu klein ist für die in Zukunft erwarteten Fluggastzahlen. Die beiden bestehenden Hauptstadtflughäfen Schönefeld und Tegel verbuchten 2016 fast 33 Millionen Flugreisende.
Hochkarätige Manager sind am BER gescheitert
Eine Eröffnung im Jahr 2019 dürfte wenig realistisch sein
So müssen auch Schönefeld und Tegel für viele Millionen Euro ertüchtigt werden. Zeitgleich mit der Bundestagswahl sprachen sich die Berliner zudem per Volksentscheid dafür aus, den betagten westlichen Airport Tegel auch über die BER-Eröffnung hinaus offen zu halten. Durch die Air-Berlin-Pleite sind die Fluggastzahlen aktuell zwar gesunken. Doch die Flughafen-Betreiber rechnen damit, dass andere Anbieter die Delle schnell ausgleichen werden und das Passagieraufkommen in Zukunft noch kräftig steigt. Für die nötige Erweiterung wollte Lütke Daldrup einen eigenen Manager einstellen. Doch nach Querelen unter den Flughafeneigentürmern sagte der Wunschkandidat, ein hochrangiger Ingenieur des bestens funktionierenden Münchner Flughafens, den Hauptstädtern ab.
Es gibt also weiter jede Menge Unwägbarkeiten für FlughafenChef Lütke Daldrup. Trotzdem will er nun einen belastbaren und auch realistischen Eröffnungstermin nennen. Es werde, so schränkt der Manager gleich ein, kein Wunschtermin sein. 2019, heißt es unter Kennern der Baustelle, dürfte kaum zu schaffen sein. Manche halten eher 2021 oder gar 2023 für realistisch. Nicht nur in Berlin fragen sich viele, ob es kurz vor Heiligabend in Sachen Flughafen nun endlich eine frohe Botschaft gibt. Oder wieder einmal nur eine schöne Bescherung.