Schwabmünchner Allgemeine

Was machen sie ohne ihre Sternensch­enke?

Wo jetzt auf dem Christkind­lesmarkt die Almhütte steht, haben Erika und Louis Bartmann 30 Jahre lang ihren Glühweinst­and betrieben. Wie sie den Markt heute erleben

- VON INA KRESSE

Den Christkind­lesmarkt haben Erika Bartmann-Oelze und ihr Mann Louis Bartmann die letzten Jahre gemieden. „Wenn man in etwas so viel Herzblut gesteckt hat, muss man einen klaren Schnitt machen“, sagen sie. 30 Jahre lang hatten die Eheleute dort neben dem Christbaum die Sternensch­enke betrieben, 2014 hörten sie auf. Uns zuliebe besuchten sie jetzt erstmals wieder die Buden auf dem Rathauspla­tz und erinnerten sich an früher.

„Eigentlich bin ich nur nicht mehr auf den Christkind­lesmarkt gegangen, weil es mich an die viele Arbeit erinnert“, scherzt Louis Bartmann. Drei Jahrzehnte stand er in der Sternensch­enke an den Kesseln mit den heißen Punsch- und Glühweinge­tränken. „An die 15 Sorten hatten wir insgesamt.“Seine Frau korrigiert ihn: „Nein, das waren schon an die 20. Und sie waren alle der Renner. Mein Mann mischte sie alle selber.“Die Bartmanns bahnen sich einen Weg durch die Menge, an der Almhütte vorbei, die ihre Sternensch­enke abgelöst hat. Wie sie die finden? „Dazu kann ich gar nichts sagen, ich war ja bis heute nicht mehr hier. Und ich würde auch nichts dazu sagen“, meint Bartmann-Oelze. Der Platz dort ist für sie Vergangenh­eit.

Die 78-jährigen ehemaligen Wirtsleute steuern die Engelespyr­amide an, um dort einen Schluck zu trinken. Schließlic­h sind sie mit den Betreibern, der Familie Diebold, befreundet. Freudig werden sie von Monika Diebold begrüßt. Nur ihnen haben die Bartmanns zwei ihrer vielen Getränkere­zepte weitergege­ben: den Schwipsi etwa mit den Kirschen. „Die Kirschen waren mindestens ein Jahr lang eingelegt“, betont Louis Bartmann. – Aber in was denn? – „In einer Mixtur.“Mehr gibt er nicht preis. Und das Rezept der „Weißen Wolke“, ein süßes Getränk im Schnapsgla­s mit Sahnehaube, haben die Diebolds noch erhalten. Alle anderen Getränke bleiben ein Geheimnis. „Die Weiße Wolke gab der Louis immer den Damen aus“, erinnert sich Bartmann-Oelze und lacht. Sie bestellt sich einen Tee, er zögert kurz. Eigentlich wollte er seinen Schwipsi probieren, entscheide­t sich aber aus Neugierde für den Glöck. Bartmann kostet. „Ja, schmeckt ganz gut. Der ist ähnlich zu unserem Fruchtglüh­wein frü- her.“Beide glauben, dass sich die Zubereitun­g von Punsch, Glühwein und Co. auf Weihnachts­märkten verändert hat. „Es macht sich doch heute keiner mehr die Arbeit und presst frische Zitronen und Orangen aus oder kocht Tee“, ist die Erika Bartmann-Oelze überzeugt. Sie wollten immer Qualität bieten, auch auf dem Plärrer, wo sie ebenfalls lange Zeit Wirtsleute waren. „52 Jahre hat meine Familie das Schaller-Zelt betrieben. Erst meine Eltern, dann wir“, erzählt BartmannOe­lze. „Wir haben jeden Tag fast einen Zentner Kartoffels­alat frisch zubereitet.“Die Leute hätten es immer honoriert, dass man bei ihnen nur selbstgema­chte Ware bekommen habe. „Unseren Apfelpunsc­h werden Sie nie wieder finden. Der ist unerreichb­ar.“- Was war da gleich nochmal drin? - „Calvados – unter anderem.“Bartmann grinst schelmisch. Nichts lässt er raus, aber auch gar nichts.

Eigentlich war der Mann mit dem gewissen Schalk in den Augen Ingenieur. Dann lernte er aber seine Frau kennen. 25 Jahre waren sie zusammen, dann erst gaben sie sich das Ja-Wort. „Ich befand mich auf einem langen Prüfstand“, bemerkt Bartmann trocken. Das Ehepaar sieht sich an und lächelt. „Wir sind erst seit 26 Jahren verheirate­t, aber seit 51 Jahren ein Paar.“

Ihre freie Zeit genießen die Rentner. Sie treffen sich mit Freunden, fahren nach Italien in den Urlaub oder mal spontan nach München. „Wissen Sie, eigentlich könnten wir noch viel mehr unternehme­n“, sagt sie. „Aber man lässt sich für die Dinge jetzt einfach zu viel Zeit.“Für die Eheleute war nicht nur der Ruhestand ein großer Einschnitt in ihrem Leben. Einen weiterer folgte vergangene­s Jahr. Die Bartmanns verkauften ihr Wochenendh­äuschen. „Das hat uns sehr weh getan.“Sie liebten den Garten mit den vielen Rosen. Aber das 1500 Quadratmet­er große Grundstück wurde ihnen zu viel. Denn was die Bartmanns anpacken, machen sie gründlich und mit Herzblut. Wie eben die Sternensch­enke. Eigene Tassen ließen sie dafür eine Zeit lang anfertigen. Der Münchner Maler Rupert Stöckl sorgte jedes Jahr für ein neues Motiv. Bei Kunden waren die Tassen begehrt. „Wir müssten noch zirka 300 davon in unserem Keller haben.“Das erste Mal nach drei Jahren wieder auf dem Christkind­lesmarkt – wie das für sie ist?

Erika Bartmann-Oelze und ihr Mann überlegen kurz. Sie zucken mit den Achseln. Sie haben ihn einfach gemacht, den klaren Schnitt mit ihren 30 Jahren Sternensch­enke auf dem Augsburger Christkind­lesmarkt.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Zurück auf dem Christkind­lesmarkt: Erika Bartmann Oelze und ihr Mann Louis Bartmann betrieben bis 2014 die Sternensch­enke auf dem Christkind­lesmarkt. Nun kehrten sie erstmals auf den Markt zurück.
Foto: Silvio Wyszengrad Zurück auf dem Christkind­lesmarkt: Erika Bartmann Oelze und ihr Mann Louis Bartmann betrieben bis 2014 die Sternensch­enke auf dem Christkind­lesmarkt. Nun kehrten sie erstmals auf den Markt zurück.

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