Bachs Söhne konnten es auch
Kammerphilharmonie auf Entdeckungstour
So unterschiedlich sie sein mögen, in einem gleichen sich die Bach-Söhne: Als Musiker werden sie immer am übermächtigen Vater Johann Sebastian gemessen. Auch wenn es heißt, Carl Philipp Emanuel oder Johann Christian wären zu ihren Lebzeiten bekannter gewesen als das barocke Genie, so müssen sie alle paar Jahre wieder dem Vergessen entrissen und wiederentdeckt werden. Die Bayerische Kammerphilharmonie widmete unter der Leitung ihres 1. Gastdirigenten Reinhard Goebel einen ganzen Abend der Musik der Bach’schen Nachkommen.
In seiner launigen, hochinteressanten Einführung vermittelte Goebel, der seit Jahrzehnten eine Lanze für die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts bricht und viel Staub von den blassen Notenblättern bläst, seinen Eindruck von der Qualität und Entwicklung der Bach-Söhne. Denn die Epigonen vermochten sich durchaus ihrer Zeit zu stellen. Ob der galanten Musik oder schon der Vorklassik zugerechnet, konnten sie sich aus dem Schatten des „Monuments“befreien.
Auch die Bayerische Kammerphilharmonie im Kleinen Goldenen Saal ließ sich von Goebels lebendiger Anschauung des 18. Jahrhunderts anstecken. Die Musiker des Orchesters zeigten bemerkenswerte Präsenz und Transparenz bei der Interpretation. Da waren zwei „Petitessen“, eine kleine jugendfrische Sinfonie vom Bückeburger Bach Johann Christoph Friedrich und eine aus einem „del Sign. Bach“-bezeichneten Konvolut, das man gemeinhin Wilhelm Friedemann zuschreibt. Goebel dagegen erkennt darin die musikalische Handschrift von Carl Philipp Emanuel. Dieser „ewige Zweite“, dessen mechanistische Kompositionstechnik Goebel etwas naserümpfend abtat, gilt als Vertreter des empfindsamen Stils mit Ausbrüchen, die Goebel als „Schreie“nach Anerkennung beschrieb. So war er überhaupt der Erste, der Solokonzerte für Violoncello schrieb. Auch wenn er selbst kein Streicher war und ihnen dadurch viel abverlangte.
Cellist Bruno Delepelaire, ein junger Überflieger bei den Berliner Philharmonikern, schien der Solopart nicht schwerzufallen. Im Dialog mit dem übermütig spielfreudigen Orchester wurde er zwar auch mal ruppig übertönt. Sein Ton blieb jedoch klar, mitunter kühl, wenn er sportlich über das Griffbrett flog. Selbst die schnellen und heftigen Sprünge im Andante vollführte er unbeschwert elegant. Goebel gab ein flottes Tempo vor, ließ aber dem Cellisten genug Freiheit in seinen komplexen Figuren und rasanten Läufen. So entfaltete der seine Virtuosität beiläufig. Und vollendete damit das anschauliche Bild des Musizierens im 18. Jahrhundert, das Goebel völlig staubfrei präsentierte.