Wie der Christbaum nach Bayern kam
Heimatforscher Walter Pötzl erklärt in Langerringen, woher die Bräuche stammen und wie sie sich veränderten
Woher kommt der Adventskranz? Was hat es mit dem Adventskalender auf sich? Wieso gibt es den Christbaum und Krippendarstellungen? Und was steckt hinter dem Nikolaus, Knecht Ruprecht und dem Christkind? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Heimatforscher und Historiker Prof. Dr. Walter Pötzl, den die Langerringer Landfrauen zu einem ungewöhnlichen Adventsabend eingeladen hatten.
Aus Pötzls Erklärungen wurde ersichtlich, dass die meisten Bräuche entweder in der katholischen oder der evangelischen Kirchenwelt entstanden und später auch von der jeweils anderen Konfession übernommen wurden. Die Ökumene zwischen beiden Kirchen wurde also im Brauchtum schon gelebt, als diese noch kein Begriff war und beide Kirchen noch viel strenger getrennt waren. Der frühere Kreisheimatpfleger Pötzl erklärte, dass der Adventskranz 1839 von dem evangelisch-lutherischen Theologen und Begründer der Evangelischen Diakonie, Johann Hinrich Wichern (1808-1881) in einem Hamburger Waisenhaus eingeführt wurde. Da die Kinder während der Adventszeit immer fragten, wann endlich Weihnachten sei, baute er 1839 aus einem alten Wagenrad einen Holzkranz mit 20 kleinen roten und vier großen weißen Kerzen als Kalender.
Aus dem traditionellen Wichern’schen Adventskranz hat sich der Adventskranz mit vier Kerzen entwickelt. Seit etwa 1860 wird der Adventskranz aus Tannengrün gefertigt, 1925 wurde erstmals ein Adventskranz in einer katholischen Kirche aufgehängt. Pötzl empfiehlt, an dem runden Kranz mit grünen Zweigen und vier Kerzen möglichst nicht viel zu verändern: „Alle anderen adventlichen Dekorationen können sehr schön sein, aber sie sind eben kein Adventskranz.“
● Eine weitere, ebenfalls aus der lutherischen Tradition stammende Zählhilfe ist der Adventskalender, der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden in München Papierbögen mit 24 Bildern zum Ausschneiden und Aufkleben herausgebracht. Erst viel später wurden die Fenster mit Schokolade bestückt und die Werbung entwickelte aus den ursprünglichen Kinderkalendern auch solche für Erwachsene.
● Nikolaus/Knecht Ruprecht Diese Vereinnahmung durch den Konsum erfuhr auch der Nikolaus. Dessen Verehrung geht auf den Bischof Nikolaus von Myra in der heutigen Türkei zurück. Er sei laut Pötzl vor allem in der Ostkirche populär gewesen. Im deutschen Raum wurde der Nikolaus nach der Heirat Kaisers Otto II. mit der byzantinischen Prinzessin Teophanu im Jahre 972 bekannt, die den Kult aus ihrer Heimat mitbrachte. Hinzu kam, dass die Kaufleute von Bari die Gebeine des Heiligen Nikolaus von Myra nach Italien brachten und sich von dort aus die Verehrung als Patron vieler Kirchen in Europa ausbreitete. „Die erste Niko- lausdarstellung in Schwaben steht im Obstgarten des Klosters Kempten“, erklärte Pötzl. Nikolaus wird oft mit drei goldenen Kugeln dargestellt, die er drei Töchtern eines mittellosen Vaters als Mitgift gegeben haben soll. Aufgrund vieler Legenden gilt Nikolaus auch als Schutzpatron der Seeleute und der Kinder. Ab dem 15. Jahrhundert entstand der „Einlegebrauch“, dass Kinder am Abend vor dem Namenstag Behältnisse vor die Tür stellten, die der Nikolaus füllen sollte. Erst danach wurde daraus der „Einkehrbrauch“, bei dem der Nikolaus persönlich kommt und die Kinder belohnt oder tadelt. „Die Attribute des echten Nikolaus sind immer der Bart und der Bischofsmantel mit der Mitra als Kopfbedeckung, alles andere sind Weihnachtsmänner“, stellte Pötzl klar. Der Knecht Ruprecht als Begleiter stelle die strafende, böse Seite dar. Diese Gestalt wurde oft verselbstständigt, was zu den wilden „Klausentreiben“führte. Die Verehrung des Nikolaus als Gabenbringer war ein katholischer Brauch. Luther lehnte dies ab und verlagerte die Gabenbringung auf Jesus und damit auf Weihnachten.
Aus dem Christkind als Geschenk Gottes entwickelten sich im Laufe der Zeit viele Weihnachtsmänner bis hin zur „Verkitschung“durch die Coca-Cola-Werbung. „Wir müssen nicht alles hinnehmen, was uns die Werbung vorsetzt“, sagte Pötzl. Er ging auf den Brauch des „Klopfergehens“ein, der auch im Augsburger Land verbreitet war. Dieser „Heischebrauch“war für die Kinder aus ärmeren Schichten, die dabei Lebkuchen und Butterplätzchen bekamen, von großer Bedeutung. Denn die Adventszeit war ursprünglich eine Fastenzeit. „Heute ist die Zeit in Unordnung geraten, Weihnachten wird vorweggenommen und schon im ganzen Advent gefeiert“, bedauert der Historiker. ● Christbaum Die eigentliche Weihnachtszeit ist vom Heiligen Abend bis zu Dreikönig. Der kennzeichnende Brauch dieser Zeit ist der Christbaum. „Und der wurde auch von den Protestanten übernommen. Vor Luther war er nur in Handwerkszünften als Geschenkträger bekannt“, sagte Pötzl. Im 19. Jahrhundert war der Christbaum ein Symbol der evangelischen Weihnacht. Nach Bayern kam er durch die Heirat des Kronprinzen Maximilian II. mit der evangelischen Marie von Preußen, der Mutter des späteren Märchenkönigs Ludwig II. Besonders im und nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Christbaumbrauch allgemein verbreitet. Dagegen war die Krippe typisch katholisch.
● Krippen Die älteste Krippendarstellung stammt aus dem 13. Jahrhundert in Rom in der Kirche Santa Maria Maggiore. Sie konnte im ersten Heiligen Jahr besichtigt werden und fand durch die Pilger Ausbreitung in aller Welt. Im Augsburger Land gab es zuerst Ausschneidebögen mit Figuren aus Papier und später Modelle zur Herstellung von halbplastischen Figuren aus Ton oder Teig, sogenannte „Bacherne“. Obwohl die evangelische Kirche lange Zeit mit der bildlichen Darstellung Probleme hatte, ist die Krippe heute auch dort akzeptiert und in vielen Kirchen zu finden, erklärte Pötzl.