O Tannenbaum
Kaum etwas verbinden wir so sehr mit Weihnachten wie den geschmückten Christbaum in unserem Wohnzimmer. Doch der hat es nicht immer leicht
Owäre du lieber Tannenbaum! Was
Weihnachten nur ohne dich? Ohne deinen harzig-erdigen Duft, der uns binnen Sekunden auf Zeitreise in die Kindheit schickt? Einmal einatmen, die Augen schließen und schon ist man wieder sieben Jahre alt, sitzt auf dem flauschigen Teppichboden vor dem geschmückten Baum und packt aus goldglänzendem, raschelnden Papier Geschenke aus. Was wäre Weihnachten ohne die Kerzen und Kugeln an deinen Zweigen? Ohne den Stern auf deiner Spitze, der bis an die Wohnzimmerdecke reicht? Ohne die Nadeln, die in die Krippe rieseln? Weihnachten ohne einen Baum – unvorstellbar.
Verglichen mit der Geburt Christi vor über 2000 Jahren ist die Tradition des festlichen Baumaufstellens noch eine relativ junge. Im Jahr 1419 soll in Freiburg der allererste geschmückte Baum gestanden haben. Als Symbol für Weihnachten breitete sich der Christbaum zuerst in protestantischen Regionen aus, die Krippe indes gehörte lange Zeit nur zur katholischen Weihnacht. Die Wurzeln des Brauchs reichen aber weiter zurück. Volkskundler gehen davon aus, dass es eine heidnische Tradition aus germanischer Zeit war, sich zur Wintersonnwende Tannenzweige ins Haus zu hängen. Die grüne Farbe galt als Symbol des Lebens und des nahenden Frühlings.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Christbaum zu einem festen Bestandteil des Weihnachtsfestes in Deutschland – und von dort aus verbreitete sich der Brauch in Europa und darüber hinaus. 1931 wurde erstmals der Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller Center in New York aufgestellt. Abertausende Lichter schmücken seither Jahr für Jahr den mehr als 20 Meter hohen weltberühmten Baum. Wenn man aber nicht gerade das Glück hat, mitten in New York zu stehen und von Millionen Touristen angeschmachtet zu werden, dann ist so ein Christbaumdasein zuweilen ein eher unglamouröser Job. Denn so ein Baum muss sich oft eine Beleidigung nach der anderen anhören: Zu schief. Zu klein. Zu stachelig. Zu hässlich. Und dann die Dekoration! Nicht wenige Bäume ächzen unter hunderten glitzernden Lamettafäden. Und an so manchem Baum baumeln tatsächlich kleine bunte Dinosaurier, Nilpferde mit Nikolausmützen oder glitzernde Einhörner mit pinkfarbenen Mähnen. O du armer Tannenbaum!
Am Dreikönigstag ist dann meist schon wieder Schluss. Der Baum wird entsorgt. Die Lichterkette verschwindet im Keller. Ein Jahr müssen wir dann warten. Auf den wohligen, harzigen Erinnerungsduft, der uns wieder Kind sein lässt. Auf glänzende Kugeln und leuchtende Kerzen. Auf dieses magische Weihnachtsgefühl. Danke dafür, lieber Tannenbaum.